Eine Ärztin nimmt sich das Leben. Die Vorgeschichte – monatelange Drohungen und Beschimpfungen, weil sie gegen Corona impfte und über COVID-19 aufklärte. Ich sage: Wir Ärzte müssen zusammenstehen.
Der Tod der österreichischen Kollegin Lisa-Maria Kellermayr vergangene Woche hat viele von uns erschüttert.
Ihre bemerkenswerte Aufklärungsarbeit im Kampf gegen COVID-19 und für die Impfkampagne konnten wir über die vergangenen Jahre in den sozialen Netzwerken verfolgen. Diese Arbeit war bewundernswert. Dafür müssen wir ihr als Gesellschaft und als Berufsstand dankbar sein.
Leider geriet sie dadurch immer mehr in den Fokus von sogenannten Querdenkern und Coronaleugnern (hier beschrieben). Sie erhielt widerliche, detaillierte Folter- und Morddrohungen. Der Betrieb ihrer Praxis in Seewalchen am Attersee wurde immer wieder gestört. Die Polizei war anscheinend nicht in der Lage, für ihren Schutz zu garantieren. Sie wandte sich hilfesuchend auch an die Standesvertretung in Österreich und bekam dort nur die Empfehlung, sich nicht mehr öffentlich angreifbar zu machen. Durch einen persönlich engagierten Personenschutz hielt sie den Betrieb noch einige Monate aufrecht, gab dann aber im Juli auf und schloss die Praxis.
Am Tag vor ihrem Tod gab sie noch ein Interview. Darin betonte sie, was ihre Praxis ihr bedeutete. Der Spiegel schreibt: „Als Ärztin in ihrer eigenen Praxis Menschen zu helfen, das sei ihr Traum seit Schultagen gewesen. ‚Ich habe so viel Geld und Kraft hineingesteckt‘, sagte sie. Kellermayr fürchtete den Verlust der Ordination. In ihrer Praxis, mit Blick auf das türkise Wasser des Attersees, sei der einzige Ort, an dem sie sich sicher fühle, das hob sie hervor.“
Diese Sicherheit wurde ihr genommen. Sie war schließlich so verzweifelt, dass sie sich wohl das Leben nahm. Am 29. Juli 2022 wurde sie tot aufgefunden.
Ihr Tod schockiert. Und die Kommentare, die im Netz teilweise daraufhin folgten, möchte man nicht wiedergeben. Die Radikalisierung der Impfgegner und Wissenschaftsfeinde scheint mit großen Schritten fortzuschreiten und uns im realen Leben anzugreifen.
Zurück bleiben wir fassungslos, wütend, ängstlich. Die Angriffe auf die Kollegin und die Häme über ihren Tod sind Angriffe auf uns alle. Wir Ärzte wollten doch nur Gutes tun: den Kranken helfen, die Pandemie erklären und die wissenschaftliche Basis vermitteln. Über zwei Jahre waren wir gefragt und haben geantwortet, ob im Netz, im privaten Gespräch oder in der Sprechstunde. Und jetzt stehen wir da, vor dem Scherbenhaufen unserer Bemühungen. Sind wir gescheitert?
Hass und Gewaltdrohungen gegen uns und unsere Familien haben inzwischen schon viele von uns erlebt. Aber lassen wir uns nicht davon beeinflussen! Wir müssen uns immer wieder klarmachen: Das sind einzelne Agitatoren und deren Mitläufer.
Wir müssen zusammenstehen und aufeinander achtgeben. Hören wir zu, wenn eine Kollegin oder ein Kollege um Hilfe ruft und setzen wir uns mit aller Kraft für sie ein.
Denn solche Angriffe machen immer etwas mit einem.
Wenn einer von uns in den Fokus von Wissenschaftsfeinden und Hatern gerät, müssen wir alles tun, um sie oder ihn zu unterstützen. Auf allen Ebenen – ob als Nachbarpraxis oder als Standesvertretung.
Ehren wir das Andenken von Lisa-Maria Kellermayr und trauern gemeinsam. Und dann stehen wir wieder auf und machen gemeinsam das, was richtig ist: Mit der Hilfe der Wissenschaft Kranken helfen, Krankheiten vermeiden und ohne Angst die Stimme erheben, wo es notwendig ist.
Bildquelle: Luis Melendez, unsplash