Anhaltende Corona-Symptome: Das ist die Aussicht für viele Long-Covid-Patienten. Eine aktuelle Studie vergleicht die Beschwerden von infizierten und nicht infizierten Teilnehmern.
Einer von acht Erwachsenen (12,7 %), die mit SARS-CoV-2 infiziert waren, leidet unter Langzeitsymptomen aufgrund von COVID-19. Das zeigt eine aktuelle niederländische Studie, die in The Lancet veröffentlicht wurde. Die Studie bietet einen der ersten Vergleiche zwischen Langzeitsymptomen nach einer SARS-CoV-2-Infektion und Symptomen in einer nicht infizierten Bevölkerung. Außerdem wurden die Symptome sowohl vor als auch nach einer SARS-CoV-2-Infektion erfasst und verglichen. Die Einbeziehung nicht infizierter Populationen ermöglicht eine genauere Vorhersage der langfristigen COVID-19-Symptomprävalenz sowie eine bessere Identifizierung der Kernsymptome von Long Covid.
„Es besteht ein dringender Bedarf an Daten, die Aufschluss über das Ausmaß und den Umfang der Long Covid Symptome geben“, sagt die Hauptautorin der Studie Prof. Judith Rosmalen von der Universität Groningen. „Die meisten bisherigen Forschungsarbeiten über Long Covid haben jedoch keinen Vergleich dieser Symptome zu Personen gezogen, bei denen keine COVID-19-Erkrankung diagnostiziert wurde. Sie haben auch nicht die Symptome einzelner Patienten vor der Diagnose von COVID-19 untersucht.“
Prof. Rosmalen fährt fort: „Unser Studienansatz befasst sich mit den Symptomen, die am häufigsten mit Long Covid in Verbindung gebracht werden – darunter Atemprobleme, Müdigkeit und Geschmacks- und/oder Geruchsverlust – sowohl vor einer COVID-19-Diagnose als auch bei Menschen, bei denen kein COVID-19 diagnostiziert wurde. Diese Methode ermöglicht es uns, bereits vorhandene Symptome und Symptome bei nicht infizierten Personen zu berücksichtigen, um eine zuverlässige Schätzung der Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Long Covid in der Allgemeinbevölkerung zu liefern.“
Für die aktuelle Studie sammelten die Forscher Daten, indem sie die Teilnehmer der bevölkerungsbasierten Lifelines COVID-19-Kohorte baten, regelmäßig digitale Fragebögen zu 23 Symptomen auszufüllen, die häufig mit Long Covid in Verbindung gebracht werden. Der Fragebogen wurde zwischen März 2020 und August 2021 24-mal an dieselben Personen verschickt. Das bedeutet, dass die Teilnehmer, die in dieser Zeit an COVID-19 erkrankten, mit der SARS-CoV-2-Alpha-Variante oder früheren Varianten infiziert waren. Die meisten Daten wurden vor der Einführung des COVID-19-Impfstoffs in den Niederlanden erhoben, so dass die Zahl der geimpften Teilnehmer zu gering war, um sie in der Studie zu analysieren.
Die Teilnehmer wurden als SARS-CoV-2-positiv erfasst, wenn sie entweder einen positiven Test oder eine ärztliche Diagnose hatten. Von den 76.422 Teilnehmern wurden 4.231 (5,5 %) Teilnehmer, die COVID-19 hatten, mit 8.462 Kontrollpersonen verglichen, wobei Geschlecht, Alter und der Zeitpunkt des Ausfüllens der Fragebögen berücksichtigt wurden.
Die Forscher stellten fest, dass mehrere Symptome drei bis fünf Monate nach der COVID-19-Diagnose neu oder stärker ausgeprägt waren als vor der Diagnose und in der Kontrollgruppe. Das deutet drauf hin, dass diese Symptome als Kernsymptome von Long Covid angesehen werden können.
Als Kernsymptome wurden Brustschmerzen, Atembeschwerden, Schmerzen beim Atmen, schmerzende Muskeln, Verlust des Geruchs- und/oder des Geschmackssinns, Kribbeln in den Händen/Füßen, ein Kloß im Hals, abwechselndes Hitze- und Kältegefühl, schwere Arme und/oder Beine und allgemeine Müdigkeit angegeben. Der Schweregrad dieser Symptome stagnierte drei Monate nach der Infektion und nahm nicht weiter ab. Andere Symptome, die drei bis fünf Monate nach einer COVID-19-Diagnose nicht signifikant zunahmen, waren Kopfschmerzen, juckende Augen, Schwindel, Rückenschmerzen und Übelkeit.
„Diese Kernsymptome sind für die künftige Forschung von großer Bedeutung, da sie zur Diagnose von Long Covid herangezogen werden können“, erklärt Doktorandin und Erstautorin der Studie, Aranka Ballering.
Von den Studienteilnehmern, die Daten zu den Symptomen vor der Infektion eingereicht hatten, wiesen 21,4 % (381/1.782) der SARS-CoV-2-positiven Teilnehmer im Vergleich zu 8,7 % (361/4.130) der Kontrollgruppe drei Monate oder mehr nach der SARs-CoV-2-Infektion mindestens ein verstärktes Kernsymptom mit mittlerem Schweregrad auf. Dies bedeutet, dass bei 12,7 % der COVID-19-Patienten ihre neuen oder stark verstärkten Symptome drei Monate nach der COVID-Infektion auf die SARS-CoV-2-Infektion zurückgeführt werden können.
Ballering ergänzt: „Indem wir die Symptome in einer nicht infizierten Kontrollgruppe und bei Personen vor und nach der SARS-CoV-2-Infektion untersuchten, konnten wir Symptome berücksichtigen, die möglicherweise auf nicht-infektiöse Gesundheitsaspekte der Pandemie zurückzuführen waren, wie etwa Stress durch Einschränkungen und Unsicherheit.“
Sie fährt fort: „Long Covid ist ein dringendes Problem. Das Verständnis der Kernsymptome und der Prävalenz in der Allgemeinbevölkerung stellt einen großen Fortschritt für unsere Fähigkeit dar, Studien zu konzipieren, die letztendlich erfolgreiche Gesundheitsversorgungsmaßnahmen für die Langzeitsymptome von COVID-19 liefern können.“
Die Autoren räumen einige Einschränkungen in der Studie ein. Die Studie umfasste Patienten, die mit der Alpha-Variante oder früheren Varianten von SARS-CoV-2 infiziert waren. Sie enthält keine Daten von Personen, die mit den Delta- oder Omicron-Varianten infiziert waren. Außerdem könnte die Prävalenz von COVID-19 in dieser Studie aufgrund der asymptomatischen Infektion unterschätzt worden sein. Eine weitere Einschränkung der Studie besteht darin, dass seit Beginn der Datenerfassung andere Symptome, wie z. B. Hirnnebel (sog. „Brain fog“), als potenziell relevant für eine Long Covid Diagnose identifiziert wurden. Diese Symptome wurden nicht untersucht. Außerdem wurde die Studie in einer einzigen Region durchgeführt und umfasste keine ethnisch gemischte Bevölkerung.
„Künftige Forschungsarbeiten sollten auch psychische Symptome (z. B. Depression und Angstsymptome) sowie zusätzliche postinfektiöse Symptome einbeziehen, die wir in dieser Studie nicht bewerten konnten (wie z. B. Hirnnebel, Schlaflosigkeit und Unwohlsein nach der Anstrengung). Wir waren nicht in der Lage zu untersuchen, was die Ursache für die in dieser Studie nach COVID-19 beobachteten Symptome sein könnte, hoffen aber, dass künftige Forschungsarbeiten Aufschluss über die beteiligten Mechanismen geben können. Darüber hinaus konnten wir aufgrund des Zeitpunkts die Auswirkungen der COVID-19-Impfung und verschiedener SARS-CoV-2-Varianten auf die langanhaltenden COVID-Symptome nicht beurteilen. Wir hoffen, dass künftige Studien Aufschluss über die Auswirkungen dieser Faktoren geben werden“, konkludiert Rosmalen.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung von Lancet. Die Originalpublikation haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Ryan Loughlin, Unsplash