Muttermilch hilft vor allem Frühchen beim Aufbau des Immunsystems. Doch warum ist das so? Forscher fanden in einer Studie heraus, dass die Inhaltsstoffe der Milch dabei nicht die entscheidende Rolle spielen.
Babys, die gestillt werden, sind im Durchschnitt gesünder als solche, die nicht mit Muttermilch gefüttert werden. Gerade bei Frühgeborenen scheint das Stillen einen positiven Effekt auf das Immunsystem zu haben. Warum das so ist, war bisher jedoch nicht eindeutig geklärt. Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen nun, dass nicht nur die Zusammensetzung der Muttermilch den Unterschied macht, sondern die Art und Weise, wie Säuglinge diese verdauen, eine große Rolle spielt.
Immunologe Dr. Bing Ma und sein Team untersuchten in einer Studie über 100 Frühgeborene, die zwischen der 24. und 32. Schwangerschaftswoche zur Welt kamen und entweder mit Muttermilch oder mit künstlicher Babynahrung versorgt wurden. Dabei beobachteten sie, dass die meisten gestillten Frühgeborenen bereits eine Woche nach der Geburt eine intakte Darmwand entwickelten und eine bessere Nährstoffaufnahme zeigten. Ein unreifer oder undichter Darm kann unter anderem zu einer nekrotisierender Enterokolitis führen – einer häufigen Todesursache bei Frühgeborenen.
Die Wissenschaftler stellten fest, dass die gestillten Säuglinge im Darm eine höhere Menge des Bakteriums Bifidobacterium breve aufwiesen, als ihre Altersgenossen, die keine Muttermilch erhielten. Das Bifidobakterium gilt schon länger als nützlich für das Mikrobiom des Darms und umfasst eine Vielzahl von Stämmen, die unterschiedliche Eigenschaften haben. Der Stamm Bifidobacterium infantis wurde vor allem bei den Frühgeborenen gefunden, die innerhalb einer Woche nach der Geburt eine verbesserte Darmbarrierefunktion aufwiesen – also vor allem bei solchen, die mit Muttermilch ernährt wurden. Dennoch war nicht klar, wie genau der probiotische Bakterienstamm und der intakten Darm zusammenhingen.
Beim genaueren Untersuchen des Bakterienstammes stellte sich heraus, dass Bifidobacterium breve Nährstoffe nicht – wie sonst üblich – außerhalb der Zellmembran verdaut. Die Bakterien sonderten ihre Verdauungsenzyme hingegen innerhalb der Zellmembran ab, sodass Nährstoffe dort aufgespalten wurden. Das Darmmikrobiom der gestillten Frühgeborenen verstoffwechselte Kohlenhydrate mithilfe der B. breve also anders als das der Säuglinge, die weniger Bifidobakterien aufwiesen. „Wir wissen jetzt, dass es nicht die Muttermilch allein ist, die Frühgeborenen hilft, ihre Darmbarriere schneller zu entwickeln“, fasst Studienleiter Ma die Ergebnisse zusammen. Die Forscher stellten die Hypothese auf, dass dieser Stoffwechselprozess die Darmbarriere stärkt und schneller reifen lässt, was die empfindlichen Neugeborenen vor Krankheiten schützt.
„Unsere Entdeckung könnte zu vielversprechenden und praktischen klinischen Interventionen führen, um den Darm der Babys zu stärken und damit die Überlebensrate der am meisten gefährdeten Frühgeborenen zu erhöhen“, fährt Ma fort. „Wir müssen den besten Weg finden, um B. breve prophylaktisch schon früh im Leben zu verabreichen, anstatt uns auf die Übertragung durch die Muttermilch oder sogar die mütterliche Darm- oder Vaginalmikrobiota während des Geburtsvorgangs zu verlassen. Dies ist besonders kritisch bei Frühgeborenen, die mit Muttermilch ernährt werden.“ Nun seien weitere Studien erforderlich, um festzustellen, ob das B. breve aus der Muttermilch, dem Darm, der Vagina der Mutter oder sogar aus der Umwelt stammt.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der University of Maryland School of Medicine. Hier findet ihr die Originalpublikation.
Bildquelle: Daniel Sinoca, unsplash.