Die Chronische Lymphatische Leukämie kann sehr unterschiedlich verlaufen. Eine Art Übersichtskarte könnte genauere Prognosen ermöglichen und der nächste Schritt Richtung personalisierter Behandlung sein.
Die Chronische Lymphatische Leukämie (CLL) gehört zu den häufigsten Blutkrebsarten im Erwachsenenalter. Eine Heilung ist selten, allerdings können einige Betroffene lange Zeit gut mit der CLL leben. Manchmal verschlechtert sich der Zustand der Patienten aber auch rapide. Die unterschiedlichen Verläufe erklären sich teilweise durch verschiedene CLL-Subtypen und bestimmte Mutationen. Nun hat ein internationales Forschungsteam eine Übersichtskarte erstellt. Dieser „Leukämie-Atlas“ ermöglicht Einblicke in molekularbiologische Veränderungen bei der Blutkrebs-Erkrankung. Vor allem aber soll der Atlas den Weg zu neuen diagnostischen Markern, einer genaueren Prognose und therapeutischen Ansätzen ebnen.
Bisherige Untersuchungen zur Chronischen Lymphatischen Leukämie basierten entweder auf eingeschränkten Datenmengen oder sie bezogen sich auf bestimmte Patientengruppen. Jetzt haben internationale Wissenschaftler – darunter die Ulmer Leukämieforscher Dr. Eugen Tausch, Dr. Christof Schneider und Professor Stephan Stilgenbauer — 1.148 Patientenproben auf genetische und epigenetische Veränderungen sowie Genexpressionsmuster untersucht.
Die Auswertung dieser bis dato größten Datensammlung hilft nicht nur Forschenden weltweit, die molekularbiologische Grundlagen der CLL und ihrer Subtypen im Detail zu verstehen. „Auch in der Klinik kann der Atlas eingesetzt werden, um das genetische Profil neuer Patienten zu bestimmen und dieses mit dem Krankheitsverlauf und Behandlungserfolg anderer, bereits therapierter Betroffener abzugleichen.“ Somit würden Prognosen verlässlicher, erklärt Seniorautorin Professorin Catherine Wu, Leiterin des Bereichs Stammzelltransplantation am Dana-Farber Cancer Institute und Wissenschaftlerin an der Harvard Medical School.
„Dieses genetische ,Profiling‘ bringt die personalisierte Krebsmedizin einen großen Schritt weiter. Basierend auf den molekularen Eigenschaften der Blutkrebserkrankung lässt sich die Behandlung individuell auf die Patientin oder den Patienten abstimmen“, ergänzt Professor Stilgenbauer, Ärztlicher Direktor des Comprehensive Cancer Center Ulm (CCCU) und Sektionsleiter an der Klinik für Innere Medizin III am Universitätsklinikum Ulm.
Bei ihren Untersuchungen identifizierten die Wissenschaftler insgesamt 202 Gene, die in mutierter Form eine CLL-Erkrankung vorantreiben können. Darunter sind 109 bislang unbekannte potenzielle „Krebsgene“. Außerdem gelang es ihnen, die Charakterisierung der CLL-Subtypen weiter zu verfeinern und neue Unterformen zu identifizieren. „Unsere Analysen haben gezeigt, dass die genetischen und molekularbiologischen Eigenschaften der CLL noch deutlich komplexer sind als gedacht“, betont Co-Seniorautor Professor Gad Getz, Bioinformatiker vom Mass General Cancer Center.
Insgesamt hängt die Prognose bei der Chronischen Lymphatischen Leukämie offenbar von einer Kombination aus genetischen und epigenetischen Merkmalen sowie transkriptomischen Mustern zusammen. „In Summe können solche Patientendaten bei der Einschätzung des Krankheitsverlaufs helfen: Besteht die Chance einer Remission oder das Risiko einer Verschlechterung?“, beschreibt Professor Stilgenbauer.
Auf Basis der CLL-Übersichtskarte entsteht nun eine interaktive Webseite. Die Plattform soll vorrangig als Ausgangspunkt für die weitere Forschung zu CLL-Treibergenen und -Subtypen dienen.
Dieser Beitrag beruht auf einer Pressemitteilung der Universität Ulm. Die Originalpublikation findet ihr hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Chris Abney, unsplash