Ein Kater wird mit erhöhtem Augeninnendruck und Katarakt in einer Tierklinik behandelt. Trotzdem bessert sich sein Zustand nicht. Schuld ist ein Erreger, der Tierärzten sonst nur bei anderen Tieren begegnet.
Ein 3-jähriger kastrierter Kater wurde wegen Blepharospasmus, Anisokorie und Lethargie in einer Tierklinik in Kalifornien vorgestellt. Der Patient hatte in der Vergangenheit bereits mit chronischen Infektionen der oberen Atemwege und Durchfall zu kämpfen. Der Kater kam aus einem südkalifornischen Tierheim und lebte in einem Haushalt in San Francisco.
Bei der ersten allgemeinen Untersuchung betrug der Augeninnendruck des Patienten 26 mmHg OD und 33 mmHg OS, mit leichtem Hornhautödem OU. Die Tierärzte behandelten ihn mit Robenacoxib (2 mg/kg s. c.), Ofloxacin (OU q8h) und 2 % Dorzolamid/0,5 % Timolol (OU q12h).
Die ophthalmologische Untersuchung ergab eine positive Drohreaktion und einen positiven Pupillenreflex (PLR) OU, ein leichtes Hornhautödem mit einigen sichtbaren Ausfällungen OU, vermehrtes Kammerwasser OU, fokale Iris-Synechien OS und fokale vordere kortikale Katarakte OU. Der Augeninnendruck betrug 20 mmHg OD und 12 mmHg OS. Bei der Untersuchung der Netzhaut fielen zahlreiche, punktförmige, graue, leicht hyporeflektierende Läsionen auf der dorsalen Netzhaut OU auf.
Eine Übersicht der durchgeführten Diagnostik und Therapien:
Es wurde eine Behandlung mit Diclofenac 0,1 % Ophthalmic Solution OU q12h, Fluconazol (10,7 mg/kg PO q12h langfristig gegen Cryptococcus neoformans) und Doxycyclin (4,3 mg/kg PO q12h für 21 Tage gegen Bartonella) eingeleitet.
Eine Woche nach Erstvorstellung besserte sich der wässrige Ausfluss des Tieres weiterhin nicht. Es wurde eine zusätzliche Behandlung mit topischer 1 %-iger Prednisolonacetat-Suspension (OU q12h) und topischem 0,5 %-igem Cidofovir (OU q12h) begonnen.
Einen Monat nach Erstvorstellung entwickelte der Patient ein großes oberflächliches Hornhautulcus OS, bei dem zunächst ein Zusammenhang mit Herpesviren vermutet wurde. Prednisolonacetat wurde abgesetzt und eine Behandlung mit Bacitracin-Neomycin-Gentamicin-Augensalbe wurde OU q8h ergänzt.
Etwa 2 Monate nach der Erstuntersuchung bestand das Hornhautulcus OS fort. Der Augeninnendruck betrug 19 mmHg OD und 44 mmHg OS. Eine Punktion des Kammerwassers wurde am OS durchgeführt und die Probe zum Labor für eine PCR geschickt. Getestet werden sollte auf C. neoformans, Bartonella-Spezies und feline Coronaviren (FCoV) als mögliche Ursache der Uveitis. Da die Katarakt der in einem früheren Bericht beschriebenen ähnlich zu sein schien, baten die Ärzte das Labor, zusätzlich einen PCR-Test auf E. cuniculi durchzuführen. Es wurde außerdem eine Kontaktlinse eingesetzt und eine partielle seitliche temporäre Tarsorrhaphie für 2 Wochen durchgeführt. Unmittelbar nach den Eingriffen wurden Bacitracin-Neomycin-Gentamicin-Augensalbe (OU q8h) und Dorzolamid HCl/Timololmaleat (OS q8h) verabreicht.
Oral behandelten die Tierärzte den Kater mit Ronidazol – gegen Durchfall –, Buprenorphin (0,5 mg/ml), Robenacoxib (6 mg PO q24h für 3 Tage) und Famciclovir (250 mg PO q12h). Die Kammerwasserzytologie zeigte schließlich eine erhöhte Zellzahl mit 68 % gemischten (meist reifen) Lymphozyten, 15 % ruhenden bis vakuolisierten Makrophagen und 17 % nicht entarteten bis leicht schlecht erhaltenen Neutrophilen.
Außerdem traf das Ergebnis aus dem Labor zu E. cuniculi ein:
Angesichts des positiven Kammerwasser-PCR-Ergebnisses für E. cuniculi leiteten die Ärzte eine Behandlung mit Fenbendazol (50 mg/kg PO q24h für 3 Wochen) ein.
Drei Monate nach der Erstvorstellung zeigte die augenärztliche Untersuchung ähnliche Anzeichen einer Uveitis mit punktförmiger Fluorescein-Positivität nur OS, und der IOD betrug 16 mmHg OD und 8 mmHg OS. Es wurde eine topische 0,1 %-ige Nepafenac-Augensuspension (OU q12h) verabreicht. Vier Monate nach der Erstvorstellung war der Kammerwasseranstieg bei normalem Augeninnendruck ohne Dorzolamid/Timolol in den vorangegangenen 3 Tagen abgeklungen. Angesichts der zu erwartenden Schwierigkeit, die Uveitis medikamentös zu kontrollieren und der Wahrscheinlichkeit, dass die Katarakt langfristig fortschreiten würde, zogen die behandelnden Tierärzte eine Kataraktoperation in Betracht.
Aufgrund des positiven FCoV-Status des Patienten wurden Thoraxröntgenaufnahmen (unauffällig), ein abdominaler Ultraschall (Splenomegalie und leichte mesenteriale Lymphadenopathie) und eine ultraschallgesteuerte Aspiration eines mesenterialen Lymphknotens (zytologisch normal) durchgeführt (s. oben).
Fünf Monate nach der Erstvorstellung betrug die E. cuniculi-Serologie immer noch 1:64. Das Elektroretinogramm war normal mit b-Wellenamplituden > 300 µV OU. Der Augenultraschall zeigte multifokale Unregelmäßigkeiten der Linsen-Kapsel (OU) (s. Fotos). Schließlich wurde eine Phakoemulsifikation OU durchgeführt. Eine Intraokularlinse wurde nur OS platziert, da ein peripheres Kapselplaque entfernt wurde, die eine Kapselentfernung OD erforderlich machte. Zu den unmittelbar postoperativ verabreichten Medikamenten gehörten 0,3 % Ofloxacin-Augenlösung (OU q6h), 0,5 % Cidofovir (OU q12h), 0,1 % Nevanac (OU q6h), 1 % Prednisolonacetat (OU q6h), 2 % Dorzolamid-Augenlösung (OU q8h) und Optixcare (OU q12h). Oral behandelt wurde mit Fenbendazol (50 mg/kg PO q24h für 3 Wochen), Fluconazol, Amoxicillin Trihydrat/Clavulanat-Kalium (62,5 mg PO q12h), transmukosalem Buprenorphin (0,02 mg/kg q8h) und Robenacoxib (6 mg PO q24h für drei Dosen).
(a,b,d) klinische Fotos und (c) Ultraschallbild. Die Pupillen wurden in (a), (b) und (d) pharmakologisch mit 1% Tropicamid ophthalmic (Akorn) erweitert. (a,b) OD fokale anteriore subkapsuläre bis anteriore kortikale Katarakt und fokale Pigmentierung der Linsenkapsel. Klinisch erschien die Linsenkapsel an der Stelle der Katarakt fokal faltig, bei der Spaltlampenuntersuchung waren jedoch keine Kapselrisse sichtbar. (c) OS: Vertikales Ultraschallbild mit echoreicher dorsaler anteriorer subkapsulärer Katarakt mit anteriorer kortikaler bis nukleärer Ausdehnung. Die Linsenkapsel wurde im Ultraschall als intakt interpretiert. Abgesehen von den Linsenanomalien waren die vorderen und hinteren Segmente innerhalb normaler Grenzen. (d) OS: klinisches Foto mit Retrobeleuchtung einer fokalen subkapsulären bis anterioren kortikalen Katarakt (dunkle linsenförmige Trübungen). Credit: Dr. Mitzi Zarfoss (Lin et al. 2022)
Am ersten postoperativen Tag betrug der Augeninnendruck 37 mmHg OD und 43 mmHg OS, normalisierte sich jedoch nach zwei zusätzlichen Gaben von 2 % Dorzolamid/0,5 % Timolol OU.
Die Linsenkapsel-Plaques wurden an ein spezialisiertes Labor geschickt. Die Histopathologie der rechten Linsenkapsel zeigte eine mäßige Anzahl von schaumigen bis epitheloiden Makrophagen mit zahlreichen 1–3 µm großen, stäbchenförmigen Mikrosporidien – die zu E. cuniculi passen. Die Organismen waren stark grampositiv und leicht Ziehl-Neelsen-säurefest-positiv (s. oben).
Postoperativ konnten die topischen Entzündungshemmer über mehrere Monate hinweg reduziert und Dorzolamid/Timolol schließlich abgesetzt werden. Bei der augenärztlichen Untersuchung 17 Monate postoperativ war der Patient sehfähig, normotensiv und PLR-positiv OU. Es bestand eine leichte Anisokorie, Dyskorie und Mydriasis OD, Aphakie OD, Pseudophakie OS, kein Kammerwasserflackern OU, minimale Kapseltrübung und eine unveränderte Netzhaut mit zahlreichen punktförmigen grauen Läsionen dorsal OU. Die medikamentöse Behandlung wurde mit 0,1 % Nevanac (OU q24h) weitergeführt. Zu Hause war das Sehvermögen den Besitzern zufolge sehr gut.
Im Fallbericht schreiben die Autoren, dass eine Übertragung von E. cuniculi auf den Kater wahrscheinlich durch ein Beutetier zustande kam. Warum er sich infizierte? Die Tierärzte schreiben: „Obwohl E. cuniculi bei immungeschwächten Menschen ein opportunistischer Erreger ist, bleibt die Rolle der Immunsuppression bei der okulären Enzephalitozoonose der Katze unklar.“ Sie mutmaßen auch, wie es zu der Infektion im Auge kam: „Der Mechanismus, durch den E. cuniculi eine Uveitis verursacht, ist unbekannt. E. cuniculi-Antigene könnten zur Entzündungsreaktion beitragen. Alternativ kann sich E. cuniculi vermehren und die Linse physisch zerstören, was zu einer linseninduzierten Uveitis führt. In diesem Fall ergab das Kammerwasser-PCR-Screening keine Anzeichen für andere intraokulare Infektionen und sprach dafür, dass E. cuniculi der Erreger der Uveitis ist.“
Durch die Phakoemulsifikation konnte die Katarakt behandelt, Mikrosporidien entfernt und die weitere Vermehrung des Erregers sowie die intraokulare Entzündung minimiert werden. „Die Literatur und dieser Bericht deuten darauf hin, dass die chirurgische Behandlung von intraokularem E. cuniculi durch Phakoemulsifikation, insbesondere im frühen Stadium, das Sehvermögen und den Komfort erfolgreich aufrechterhalten kann, während die medizinische Behandlung allein häufiger zu Erblindung, Beschwerden und Enukleation führen kann.“
Die Tierärzte wollen Kollegen auf den Erreger als Differentialdiagnose aufmerksam machen: „Katarakte, die durch eine chronische, durch die Linse verursachte Uveitis verursacht werden und Katarakte, die durch E. cuniculi verursacht werden, können in Aussehen und Größe sehr ähnlich sein. [...] E. cuniculi sollte bei Katzen mit Katarakten in Betracht gezogen werden, insbesondere bei gleichzeitiger anteriorer Uveitis.“
Zum Fallbericht kommt ihr hier.
Bildquelle: Manja Vitolic, unsplash