Blick zurück auf ein ereignisreiches Jahr: Hersteller haben so viele Pharmaka zugelassen wie schon lange nicht. Doch verbirgt sich hinter jedem Molekül eine Innovation? Darüber streiten Behörden und Konzerne leidenschaftlich. So manches Problem ist auf das AMNOG zurückzuführen.
Der Verband forschender Arzneimittelhersteller (vfa) bewertet 2014 als Rekordjahr. Insgesamt wurden 49 Medikamente zugelassen, die auf neuen Wirkstoffen basieren. Sie richten sich gegen Infektionskrankheiten (11 Präparate), Krebs (8), Krankheiten des Nervensystems (5), der Lunge (5), gegen Diabetes (4) oder weitere Stoffwechselkrankheiten (2). Hinzu kommen Pharmaka, um Gerinnungsstörungen (3), Magen-Darm-Erkrankungen (3), urologische Leiden (3), Herz-Kreislauf- (2) sowie Muskelerkrankungen (1) zu therapieren. Birgit Fischer, Hauptgeschäftsführerin des vfa, betont die Notwendigkeit, Forschungsleistungen auch zu refinanzieren: „Gelingt keine Verständigung über einen fairen Erstattungsbetrag, sind Firmen mitunter gezwungen, Medikamente trotz Zulassung in Deutschland vom Markt zu nehmen.“
In diesem Zusammenhang steht das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) wie so oft unter Beschuss. Laut Informationen des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) wurden seit Beginn 100 Wirkstoffe einer detaillierten Prüfung unterzogen. Ziel ist, deren Nutzen gegenüber etablierten Vergleichstherapien zu bestimmen. Nur 55 Prozent aller Substanzen haben entsprechende Hürden auch genommen. Einige Details: 21 Prozent hätten laut G-BA einen beträchtlichen und weitere 25 Prozent einen geringen Zusatznutzen. Bei 8 Prozent der geprüften Medikamente waren Nutzenbewertungen zwar positiv, der Mehrwert ließ sich aber nicht quantifizieren. Oftmals fanden Gutachter nur Vorteile für Teilpopulationen. Das heißt im Umkehrschluss: 45 Prozent aller vermeintlich innovativen Moleküle sind nicht besser als marktübliche Pharmaka.
Gerade bei Onkologika bemängeln Ärzte und Apotheker, es werde zu stark mit dem Gewinn an Lebenszeit argumentiert, ohne die Lebensqualität zu berücksichtigen. Vergleichstherapien gelten in manchen Fällen auch als problematisch. Kürzlich kritisierte Carsten Nowotsch, Deutschlandchef von Gilead, in diesem Kontext Bewertungen des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Forscher hatten bei Sofosbuvir festgestellt, das Ausmaß des Zusatznutzens sei unklar. Angesichts fehlender Belege entschloss sich der G-BA daraufhin, sein Votum bis Mitte 2016 zu befristen und vom Hersteller neue Daten anzufordern. Nowotsch befürchtet jetzt ähnliche Probleme bei der Markteinführung von Sofosbuvir plus Ledipasvir als Fixkombi. Es gibt noch viel zu tun, um Patienteninteressen und Forderungen der Industrie gegeneinander abzuwägen.