Die Corona-Pandemie hat besonders Patienten mit Adipositas zugesetzt. Viele konnten ihre Therapieziele nicht erreichen oder haben sogar zugenommen. Ein treibender Faktor dabei: mentaler Stress.
Im ersten Jahr der COVID-19-Pandemie nahmen fast 30 % der Patienten mit Adipositas mehr als 5 % ihres Körpergewichts zu – und einer von sieben nahm mehr als 10 % zu. Zwar spielten auch die Ernährungs- und Bewegungsgewohnheiten eine Rolle, doch meldeten Menschen mit dem höchsten Stress-, Angst- und Depressionsniveau die stärkste Gewichtszunahme, berichten Forscher der UT Southwestern in Obesity.
„Die COVID-19-Pandemie ist ein faszinierendes Modell für individuellen und sozialen Stress und hat gezeigt, dass Veränderungen der psychischen Gesundheit Menschen wirklich daran hindern können, ein gesundes Körpergewicht zu halten“, sagt Studienautor Jaime Almandoz, Professor für Innere Medizin in der Abteilung für Endokrinologie am UT Southwestern.
Nach Angaben der CDC sind mehr als 42 % der amerikanischen Erwachsenen fettleibig, was ihr Risiko für Herzerkrankungen, Typ-2-Diabetes und viele Krebsarten erhöht. Schon früh in der Pandemie vermuteten Ärzte, die sich mit der Behandlung von Fettleibigkeit befassen, dass sich Schließungen, soziale Isolation, ein eingeschränkter Zugang zur Gesundheitsversorgung und Veränderungen bei der Verfügbarkeit von Lebensmitteln negativ auf viele ihrer Patienten auswirken.
Im Jahr 2020 waren Almandoz und seine Kollegen vom UT Southwestern Weight Wellness Program und dem UT Health Center for Pediatric Population Health die ersten, die zu den Auswirkungen von häuslicher Isolation auf das Gesundheitsverhalten und die psychische Gesundheit von Menschen mit Adipositas veröffentlichten. Sie berichteten, dass fast 70 % der Patienten angaben, ihre Gewichtsabnahmeziele seien während der anfänglichen Abriegelung durch die Pandemie schwieriger zu erreichen. Fast die Hälfte trieb weniger Sport und legte Lebensmittelvorräte an und 61 % gaben zu, auf Grund von Stress mehr zu essen. In einer zweiten Studie wurde festgestellt, dass der Konsum von Drogen und Alkohol bei Patienten mit Fettleibigkeit ebenfalls zunahm.
Für die aktuelle Studie befragte das Team 404 Personen während der Ausbreitung der Delta-Variante (März–November 2021). Alle Teilnehmer waren in den vorangegangenen zwei Jahren in einer Kliniken zur Behandlung von Fettleibigkeit behandelt worden und hatten einen Body-Mass-Index (BMI) von mindestens 30.
Im Durchschnitt nahmen die Befragten während der Pandemie 4,3 % ihres Körpergewichts zu. Fast ein Drittel der Befragten gab an, mehr als 5 % zugenommen zu haben, einige sogar mehr als 25 % bzw. bis zu 40 kg. Der berichtete Stress und die Schwierigkeiten waren angesichts des sozioökonomischen Profils der Studienpopulation überraschend, so Almandoz. Denn fast die Hälfte der Probanden hatte ein Haushaltseinkommen von mehr als 75.000 Dollar und fast 60 % waren Hochschulabsolventen.
„Menschen, die an Gewichtsmanagementprogrammen teilnehmen, verlieren in der Regel Gewicht“, sagte Almandoz. „Wenn Menschen mit solchen Privilegien während der Pandemie erhebliche Probleme haben, werden diese Belastungen in der Allgemeinbevölkerung wahrscheinlich noch verstärkt aufgetreten sein.“
Als die Forscher die Faktoren untersuchten, die mit der Gewichtszunahme in Verbindung stehen, stellten sie fest, dass Menschen, die sich weniger gesund ernährten oder weniger schliefen und Sport trieben, tendenziell mehr Pfunde zulegten. Aber auch Faktoren der psychischen Gesundheit hingen stark damit zusammen: Diejenigen, die am meisten zugenommen hatten, berichteten über die höchsten Stress-, Angst- und Depressionswerte. Selbst wenn andere Faktoren berücksichtigt wurden, war eine schlechte psychische Gesundheit immer noch mit einer Gewichtszunahme verbunden.
„Unsere Ergebnisse unterstreichen die Komplexität der Adipositas; es geht nicht nur darum, den Menschen zu sagen, dass sie weniger essen und sich mehr bewegen sollen“, so Almandoz. „Es gibt auch einen Aspekt der psychischen Gesundheit, der in die Behandlung der gesamten Person integriert werden muss.“ Almandoz hofft, dass die neuen Erkenntnisse Ärzten helfen werden, ihre Patienten besser auf psychische Probleme zu untersuchen, wenn sie eine Gewichtszunahme feststellen, und die Patienten an Programme zu verweisen, die eine Behandlung der psychischen Gesundheit integrieren.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung des UT Southwestern Medical Centers. Die Studie haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: i yunmai, unsplash