Laut einer aktuellen Studie teilen Doppelgänger mehr als nur ihr Aussehen. Die Arbeit offenbart genetische Gemeinsamkeiten bei Personen, die nicht verwandt sind, sich aber äußerst ähnlich sehen.
Manchmal ähneln sich zwei Menschen so sehr, als seien sie einander aus dem Gesicht geschnitten. Die Vorstellung, jeder Mensch habe einen Doppelgänger, kommt nicht von ungefähr – immerhin leben wir auf einem Planeten mit mehr als sieben Milliarden anderen Menschen zusammen. Da muss doch jemand mit einem ähnlichen Aussehen geboren worden sein. Aber ist die Ähnlichkeit reiner Zufall oder steckt hinter den Doppelgängern mehr, als man auf den ersten Blick sieht?
Genau dieser Frage gingen Dr. Esteller und sein spanisches Team auf den Grund: Dr. Manel Esteller, ein Forscher am Josep Carreras Leukämie-Forschungsinstitut in Barcelona, Spanien, hatte zuvor die körperlichen Unterschiede zwischen eineiigen Zwillingen untersucht und wollte nun den umgekehrten Fall untersuchen: Menschen, die sich ähnlich sehen, aber nicht verwandt sind. Das Ergebnis: Die DNA-Analyse von 16 Doppelgänger-Paaren hat ergeben, dass die nicht verwandten Personen mit sehr ähnlichen Gesichtern auch ähnliche Größen, Gewichte, Gewohnheiten und Verhaltensweisen aufwiesen und sie sich sogar in ihrer DNA ähnelten.
In ihrer Studie, die in der Zeitschrift Cell Reports veröffentlicht wurde, rekrutierte das Forschungsteam 32 Paare, welche anhand 3 verschiedener Gesichtserkennungsalgorithmen auf ihre Ähnlichkeit untersucht wurden. Die Doppelgänger wurden aus einer fotografischen Arbeit von François Brunelle rekrutiert, einem kanadischen Künstler, der seit 1999 weltweit Bilder von Doppelgängern anfertigt. Dabei verteilten sich die Paare auf verschiedenste Herkunftsregionen von Südamerika, über Afrika bis Europa und Asien. Die Hälfte der Paare wurde von allen 3 Algorithmen als Doppelgänger eingestuft. Die Forscher führten dann genetische Analysen dieser Paare durch:
Demnach stuften sie 9 von 16 Paaren (56,2%) als „Ultra“-Doppelgänger ein. Zusammen haben diese Ultra-Doppelgänger 19.277 gemeinsame genetische Variationen in 3.730 Genen, von denen viele mit Körper- und Gesichtsmerkmalen zu tun haben. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Doppelgänger lange verschollene Zwillinge oder Seelenverwandte sind. Keiner der Teilnehmer wies gemeinsame Vorfahren oder Verwandtschaft auf.
Laut Studie sehen sich diese Menschen so ähnlich, weil sie wichtige Teile des Genoms oder der DNA-Sequenz teilen. Dies wurde bisher noch nie in einer Veröffentlichung gezeigt. Zugegeben, die Stichprobe ist klein, aber die Ergebnisse sind nach Ansicht der Autoren „auffällig“.
Alle Teilnehmer füllten des weiteren einen umfassenden biometrischen Fragebogen und Tests zum Lebensstil aus. Ihre persönlichen Fragebögen lassen vermuten, dass die Doppelgänger noch mehr gemeinsam haben als ihr Aussehen. Auch einige Lebensstilmerkmale wie Rauchgewohnheiten, Gewicht und Bildungsgrad wurden bei vielen der Paare in Verbindung gebracht. Die DNA allein erzählt jedoch nicht die ganze Geschichte. Lebenserfahrungen, Expositionen und die Umgebung haben Einfluss darauf, welche der Gene chemischen Veränderungen ausgesetzt sind – Wissenschaftler nennen das das Epigenom.
Die genetische Ähnlichkeit der Doppelgänger stellt einen interessanten Zusammenhang zu phänotypischen Gemeinsamkeiten dar, der helfen könnte zu verstehen, welche Gene für welche Merkmale zuständig sind. Die ultimative Herausforderung, so die Autoren, bestünde darin, die menschliche Gesichtsstruktur auf Grundlage der individuellen genetischen Zusammensetzung hervorzusagen.
Bildquelle: Jørgen Håland, unsplash.