Laut Transparency International verliert unser Gesundheitssystem Jahr für Jahr rund 20 Milliarden Euro durch Korruption. Der gesellschaftliche Druck auf pharmazeutische Hersteller steigt. Reichen freiwillige Selbstverpflichtungen aus?
Ende Mai genehmigte das Kartellamt einen Transparenzkodex für forschende Arzneimittelhersteller. Im Dokument verpflichten sich Mitgliedsfirmen der „Freiwilligen Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie" (FSA), Zuwendungen an Heilberufler offenzulegen. Dazu gehören Beraterhonorare, Gelder für die Forschung, aber auch gesponserte Fortbildungsveranstaltungen. Geschenke soll es künftig nicht mehr geben. Jetzt wird es ernst: Ab Januar 2015 sammelt die FSA Daten, um 2016 mit der Veröffentlichung zu beginnen. Dazu gehören sowohl Beträge als auch Namen und Adressen von Empfängern – allerdings nur mit Zustimmung Betroffener. Lehnen Heilberufler ab, reduziert sich der Datensatz auf eine anonymisierte Darstellung. Entlohnen Firmen Ärzte für klinische Studien, werden grundsätzlich keine Namen genannt.
Dem Beispiel forschender Arzneimittelhersteller folgen auch andere Einrichtungen. Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) plant ebenfalls, relevante Interessenkonflikte ihrer ordentlichen Mitglieder zu kommunizieren. Sie hat eigene Regeln entwickelt, wie sich AkdÄ-Mitglieder zu verhalten haben. Jenseits der Ärzteschaft bleiben Bereiche offen, die transparenter geregelt werden sollten.
So beklagen sich Sophie Arie und Chris Mahony im British Medical Journal, manche Patientenorganisationen nähmen es mit der Transparenz nicht allzu genau. Auf etlichen Websites fehlten Hinweise zu offensichtlichen Geldgebern. Laut Arie und Mahony haben Firmen vor allem Interesse daran, mehr über die Wünsche und Erwartungen von Patienten zu erfahren. Das Problem: Laien vertrauen Empfehlungen ihrer Selbsthilfegruppen blind, ohne mögliche Hintergründe zu kennen. Auch hier könnten freiwillige Verpflichtungen einen Beitrag leisten.
Kritik an der neuen Strategie kommt unter anderem von MEZIS. In einem Übersichtsartikel schreibt Dr. Christiane Fischer: „Freiwillige Selbstkontrollen sind gegenüber einer gesetzlichen Regelung das schwächste Kontrollinstrument, da Kläger und Richter identisch sind." Die Vergangenheit habe deutlich gemacht, dass weder Bestechung und Bestechlichkeit, noch Vorteilsnahme und Vorteilsgewährung dadurch eingedämmt worden seien. Als wirksame Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung sieht Fischer neben unabhängigen Kontrollen vor allem strafrechtliche Konsequenzen. Mittlerweile plant Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) Gesetzesentwürfe, wie im Koalitionsvertrag vereinbart. Er will eine bekannte Lücke schließen - für Kassenärzte gilt derzeit nur das Berufs-, nicht aber das Strafrecht.