Chronischer Alkoholkonsum wirkt sich schädlich auf das Gehirn aus. Forscher konnten nun beweisen, dass bereits ein einziger frühzeitiger Alkoholrausch ausreicht, um neuronale Strukturen dauerhauft zu verändern.
Wie kann sich aus sporadischem Trinken ein chronischer Alkoholmissbrauch entwickeln? Mit dieser Frage beschäftigen sich viele Forschungsarbeiten. Dennoch ist bisher wenig über die Wechselbeziehung von Risikofaktoren – wie einem ersten Alkoholrausch im frühen Alter – und neuronalen Veränderungen bekannt. Wissenschaftler sind in einer aktuellen Studie nun der Frage nachgegangen, welche Veränderungen im Gehirn den Übergang vom sporadischen Trinken zum chronischen begleiten.
Ein Forschungsteam untersuchte dazu, welche Auswirkungen eine einmalige akute Ethanolintoxikation auf molekularer, zellulärer und Verhaltensebene hat. Die Wissenschaftler nahmen an, dass sich bereits nach einer einzigen Ethanolgabe, die Morphologie der Neurone dauerhaft verändert und sich somit die positive Assoziation mit Alkohol verändert – ähnlich wie bei der Bildung des Gedächtnisses nach einmaligem Lernen.
Mithilfe des genetischen Modellsystems Drosophila melanogaster stellten die Forscher nach einmaliger Gabe von Ethanol Veränderungen in zwei Bereichen fest: Die Bewegung der Mitochondrien in den mit Ethanol behandelten Zellen war gestört und es kam zu einem chemischen Ungleichgewicht bestimmter Synapsen. Doch nicht nur das. Die Wissenschaftler fanden auch heraus, dass die Veränderungen der Wanderung der Mitochondrien in den Synapsen die belohnende Wirkung von Alkohol reduzierte, was sich in Verhaltensänderungen der Tiere zeigte: Mäuse und Fruchtfliegen, die früh eine erste Ethanolintoxikation hatten, zeigten im späteren Leben einen erhöhten Alkoholkonsum und einen Alkoholrückfall.
Kurz gesagt: Bereits ein einmaliger Konsum könnte die Grundlage für eine spätere Alkoholabhängigkeit legen. „Diese Mechanismen könnten sogar für die Beobachtung beim Menschen von Bedeutung sein, dass ein frühes Alter der ersten Alkoholintoxikation ein kritischer Risikofaktor für späteres Alkoholrauschverhalten und die Entwicklung einer Alkoholabhängigkeit ist“, erklärt Studienleiterin Prof. Henrike Scholz.
Die Forscher gehen davon aus, dass die morphologischen Veränderungen das ethanolbezogene Gedächtnisbildung beeinflussen. Zusammen mit der Wanderung von Mitochondrien in Nervenzellen, die auch für die synaptische Übertragung und Plastizität wichtig sind, spekulieren die Studienautoren, dass diese ethanolabhängigen zellulären Veränderungen entscheidende Grundlagen für die Entwicklung von Suchtverhalten sind. „Es ist bemerkenswert, dass die zellulären Prozesse, die zu einem derart komplexen Belohnungsverhalten beitragen, artenübergreifend erhalten bleiben, was auf eine ähnliche Rolle beim Menschen schließen lässt. Es könnte sich um einen möglichen allgemeinen zellulären Prozess handeln, der für Lernen und Gedächtnis wesentlich ist", so Scholz. Die Identifizierung ethanolabhängiger Veränderungen ist daher nicht nur ein wichtiger Schritt, um zu verstehen, wie sich akutes Trinken zu chronischem Alkoholmissbrauch entwickeln kann, sondern könnte auch in Zukunft helfen, mehr über die Gedächtnisbildung herauszufinden.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Universität zu Köln. Hier findet ihr die Originalpublikation.
Bildquelle: ANIRUDH, unsplash.