Müssen Sie bei der Aussage, dass jemandem Blut mit der Spritze abgenommen wurde, auch manchmal schmunzeln?
Haben Sie sich schon gefragt, wie eigentlich der Kanülenabwurfbehälter richtig entsorgt wird, was der Buchstabe „G“ bei Kanülen eigentlich bedeutet und was gemeint ist, wenn alle ganz selbstverständlich von „Braunüle“ sprechen?
Wäre es nicht ein gutes Gefühl, sich vom Halbwissen über Kanülen zu verabschieden?
In diesem Blogartikel bekommen Sie grundlegendes und praxisnahes Wissen zum Thema Kanülen.
Was ist eine Kanüle?
Das Wort Kanüle ist vom lateinischen Wort „cannula“ abgeleitet und bedeutet „Röhrchen“.
Die Kanüle ist demnach eine Hohlnadel, die in den menschlichen Körper eingeführt wird und mit der man, unter Zuhilfenahme einer Injektionsspritze, Luft oder Flüssigkeit in diesen einführen (injizieren) oder ausführen (punktieren) kann.
Die Spitze der Kanüle ist schräg geschliffen und scharf, damit beim Eindringen das Gewebe nicht zerdrückt wird. Für den Patienten ist das deutlich schmerzfreier.
Wer hat die Kanüle erfunden?
Bei allen Errungenschaften in der Geschichte gab und gibt es Vordenker, auf deren Ideen eine Erfindung basierte oder weiterentwickelt wurde.
Hier einige Namen bedeutender Persönlichkeiten, die im Zusammenhang mit der Erfindung der Kanüle stehen:
Robert Boyle (1626-1691) und Christopher Wren (1632-1723), die als Wissenschaftler/Forscher Versuche mit Spritzen durchführten.
Dominique Anel (1679-1730), der als Erfinder der Spritze bekannt ist.
Im Jahr 1841 erfand Charles-Gabriel Pravaz (1791-1853) eine Injektionsspritze aus Silber, mit einem Durchmesser von 5mm, die Pravaz-Spritze.
Francis Rhynd (1801-1861), dem die Erfindung der Hohlnadel zugeschrieben wird.
Alexander Wood (1817-1884), der als erster eine intravenöse Verabreichung von Morphium mit einer Spritze und Hohlnadel durchgeführt hat.
Welche Kanülen gibt es und wofür werden sie eingesetzt?
Kanülen sind heute in der Medizin nicht mehr wegzudenken und kommen je nach Beschaffenheit in verschiedenen Bereichen zum Einsatz.
Es gibt Einweg- und Mehrwegkanülen, wobei aus hygienischen Gründen in den meisten Fällen Einmalkanülen verwendet werden.
Die Beschaffenheit unterscheidet sich in Durchmesser, Schliff, Länge und Durchflussrate.
Die beliebte Hohlnadel kommt u.a. zum Einsatz als Injektionkanüle, Punktionskanüle, Trachealkanüle, Biopsiekanüle, Spülkanüle.
Was bedeutet das „G“ bei Kanülen?
Das „G“ bei Kanülen steht für Gauge [geidʒ] und gibt die Größe der Kanüle an.
Je größer der G-Wert ist, desto geringer ist der Außendurchmesser (in mm) der Kanüle. Sämtliche Kanülengrößen sind genormt.
Eine weitere Messgröße neben Gauge ist das Pravaz-System.
Welche Kanülengrößen gibt es?
Im Praxisalltag kommen Kanülen in den Größen von 10G bis 30G zum Einsatz, mit jeweils unterschiedlichen Längen.
Was ist die dünnste Kanüle?
Laut Herstellerangaben der Firma pic solution hat deren kleinste Kanüle, mit dem Namen Insupen, einen Außendurchmesser von 0,18mm und eine Länge von 3,5mm.
Wie kann ich den Kanülenabwurfbehälter richtig entsorgen?
Da gebrauchte Kanülen ein erhebliches Verletzungsrisiko darstellen und ein hohes Infektionsrisiko bergen, müssen diese in der Praxis in einem stichfesten Behältnis entsorgt werden. In den allermeisten Praxen ist dieser Behälter gelb, mit einem rot-gelben Deckel.
Die gebrauchten Kanülen können Sie über eine Spezialfirma entsorgen lassen oder, Ihrer lokalen Entsorgungsverordnung entsprechend, über den Restmüll. Bedenken Sie, dass unter Umständen auch andere Personen Zugang zu Ihrer Abfalltonne haben, wenn sich die Praxis beispielsweise in einem Wohnhaus befindet, oder die Restmülltonnen zur Leerung an der Straße stehen.
Welche Injektionsarten gibt es?
Es gibt mehrere Arten von Injektionen, hier die geläufigsten:
subkutan (s.c.) – unter die Haut
intramuskulär (i.m.) – in den Muskel
intrakutan (i.c.) – in die Haut
intravenös (i.v.) – in die Vene
intraarteriell (i.a.) – in die Arterie
intraartikulär – ins Gelenk
Was bedeuten die Farben bei Kanülen?
Anhand der jeweiligen Farbe kann der Anwender sofort erkennen um welchen Außendurchmesser es sich bei der Kanüle handelt und für welchen Zweck diese eingesetzt werden können.
Bei der Auswahl der richtigen Kanüle ist zu beachten:
- Beschaffenheit der Vene
- Gewicht des Patienten
- Welche Injektionsart wird vorgenommen
- Ist der Patient männlich oder weiblich
Zum Beispiel werden dünne Kanülen eher für subkutane Injektionen verwendet und lange Kanülen für Intramuskuläre.
Sämtliche Farben sind in der DIN EN ISO 6009 genormt.
Die Farbcodierung entbindet den Anwender jedoch nicht von der Pflicht diesen nochmals zu prüfen.
Wie werden Kanülen hergestellt?
Ein Metallband wird maschinell zu einem Rohr geformt und der Schlitz entlang des entstandenen Rohrs mit einer Schweißnaht verschlossen.
Nachdem das Rohr „geglüht“ wurde, also erhitzt, wird es an einer Seite „angespitzt“, um es danach in die Länge ziehen zu können.
Das Werkstück wird so lange in die Länge gezogen, bis es so dünn ist, dass daraus eine Kanüle gefertigt werden kann.
Nun ist aus dem Rohr ein langes Röhrchen geworden und daraus werden nun die Kanülen auf Maß zugeschnitten, poliert und anschließend geschliffen.
Danach wird die Kanülenspitze noch „entschärft“, damit die Haut an der Einstichstelle nicht zerstochen wird und die Wunde dadurch schneller und besser verheilt.
Zum Schluss wird die Nadel mit dem Kanülenansatz verbunden und anschließend mit einer Silikonschicht überzogen, damit die Kanüle noch sanfter unter die Haut gleiten kann. Der letzte Arbeitsschritt ist dann die Sterilisation.
Welche Kanülenschliffe gibt es?
Der Facettenschliff ist der Klassiker unter den Kanülenschliffen und gehört zusammen mit dem Einfach- und Hinterschliff zu den Standardanschliffarten und sind in der DIN 13097 geregelt.
Ähnlich dem Facettenschliff, ist der V-Bevel-Schliff. Allerdings verleiht dieser der Kanüle etwas mehr Stabilität und hat mehrere Schnittflächen.
Der Pencil Point charakterisiert sich durch seine seitliche Öffnung, ist an der Spitze geschlossen und wird häufig in der Spinalanästhesie angewendet. Ebenso kommt der Quinkeschliff in der Spinalanästhesie zum Einsatz und ähnelt ebenfalls dem Facettenschliff, ist aber nicht eingeschliffen.
Eine leicht gebogene Kanüle oder auch Tuohy-Kanüle/-Nadel genannt hat eine sogenannte Huberspitze, welche, auf Grund Ihrer Biegung (10%), beim Eindringen in Blutgefäße den Injektionsschmerz reduziert.
Weitere Schliffarten sind der Lanzettenschliff und der Menghini-Schliff.
Verwendete Eigennamen von Markenherstellern als Gattungsbegriff
Fast jeder sagt „Tempo“ und meint dabei ein Papiertaschentuch. Solch ein Phänomen gibt es auch in der Medizinwelt. Hier einige Beispiele:
Braunüle (v. BBraun) = Venenverweilkanüle
Sterican (v. BBraun) = Kanüle mit Stichschutz
Butterfly = Flügelkanüle
Die Kanüle ist mit ihrer Anwendungsvielfalt eine große Errungenschaft in der Medizin, trotz der Nachteile für Patienten und Anwender.
Manch ein Patient würde sich vielleicht sogar wünschen, der Einstich wäre schmerzfrei, weil er den Hustentrick schon kennt und auch der Arzt oder die medizinische Fachangestellte hätten bestimmt nichts gegen eine Nadel, die den Weg von allein in die Vene findet.
Viele Erfindungen der vergangenen Jahre lassen allerdings aufhorchen und machen Hoffnung auf eine schmerzfreie Injektion und eine einfache Handhabung für den Anwender. Ob sich nun Methoden und Geräte mit Vakuumdruck oder nach dem Moskito-Prinzip durchsetzen, bleibt abzuwarten.
Bis dahin gilt es weiterhin die Vene mit der Nadel im Heuhaufen zu suchen.
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Bildnachweis: Kanüle von Triggermouse auf Pixabay