Die obstruktive Schlafapnoe ist mehr als nur Schnarchen. Gleich drei neue Studien demonstrieren, wie der nächtliche Sauerstoffmangel mit schwerwiegenden Krankheiten zusammenhängt.
Menschen, die unter obstruktiver Schlafapnoe (OSA) leiden, haben ein erhöhtes Krebsrisiko. Dies geht aus einer großen Studie hervor, die auf dem Kongress der European Respiratory Society (ERS) in Barcelona vorgestellt wurde. Damit nicht genug: Eine zweite Studie zeigte, dass OSA auch mit einer Abnahme der Verarbeitungsfähigkeit bei älteren Menschen zusammenhängt; insbesondere bei Personen ab 74 Jahren und bei Männern kam es bei bestimmten kognitiven Tests zu einem stärkeren Rückgang. Eine dritte Studie ergab, dass bei Patienten mit schwerer OSA außerdem ein höheres Risiko für die Bildung von Blutgerinnseln in den Venen besteht.
Die OSA ist eine weit verbreitete Schlafstörung, bei der die Atemwege während des Schlafs teilweise oder vollständig verschlossen sind und die Atmung mehrmals pro Nacht aussetzt. Dies kann sich durch lautes Schnarchen, Keuchen, Erstickungsgefühle und Tagesmüdigkeit äußern. Es wird angenommen, dass mindestens 7–13 % der Bevölkerung davon betroffen sind. Menschen, die übergewichtig oder fettleibig sind, an Diabetes leiden, rauchen oder große Mengen Alkohol konsumieren, sind besonders gefährdet.
Dr. Andreas Palm, Universität Uppsala, stellte die erste Studie vor: „Es ist bereits bekannt, dass Patienten mit obstruktiver Schlafapnoe ein erhöhtes Krebsrisiko haben, aber es war bisher nicht klar, ob dies auf die OSA selbst oder auf damit zusammenhängende Risikofaktoren für Krebs, wie Fettleibigkeit, kardiometabolische Erkrankungen und Lebensstilfaktoren, zurückzuführen ist. Unsere Ergebnisse zeigen, dass Sauerstoffmangel aufgrund von OSA unabhängig mit Krebs assoziiert ist.“
Palm und Kollegen untersuchten die Daten von 62.811 schwedischen Patienten fünf Jahre vor Behandlungsbeginn der OSA. Zwischen Juli 2010 und März 2018 wurden die Patienten mit kontinuierlichem positivem Atemwegsdruck (CPAP) behandelt, der über eine Maske einen positiven Luftdruck erzeugt, um die Atemwege im Schlaf offen zu halten. Die Forscher verknüpften diese Daten mit Daten des schwedischen nationalen Krebsregisters und sozioökonomischen Daten des schwedischen Statistikamtes.
Dabei berücksichtigten die Forscher verschiedene Faktoren, die die Ergebnisse beeinflussen könnten, wie Körpergröße, Gesundheitsprobleme und sozioökonomischer Status. Sie stellten 2.093 Patienten mit OSA und einer Krebsdiagnose bis zu fünf Jahre vor der OSA-Diagnose einer Kontrollgruppe von 2.093 Patienten mit OSA, aber ohne Krebs, gegenüber. Sie maßen den Schweregrad der OSA mit dem Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI), der die Anzahl der Atemstörungen während des Schlafs misst, oder dem Sauerstoffentsättigungsindex (ODI), der angibt, wie oft pro Stunde der Sauerstoffgehalt im Blut für zehn Sekunden oder länger um mindestens 3 % abfällt.
„Wir fanden heraus, dass Krebspatienten eine etwas schwerere OSA aufwiesen, gemessen an einem durchschnittlichen Apnoe-Hypopnoe-Index von 32 gegenüber 30 und einem Sauerstoffentsättigungsindex von 28 gegenüber 26“, sagte er. „Bei einer weiteren Analyse von Untergruppen war der ODI bei Patienten mit Lungenkrebs (38 gegenüber 27), Prostatakrebs (28 gegenüber 24) und malignem Melanom (32 gegenüber 25) höher.“
„Die Ergebnisse dieser Studie unterstreichen die Notwendigkeit, eine unbehandelte Schlafapnoe als Risikofaktor für Krebs zu betrachten und Ärzte bei der Behandlung von Patienten mit OSA auf die Möglichkeit von Krebs hinzuweisen. Eine Ausweitung der Krebsvorsorge auf alle OSA-Patienten ist jedoch aufgrund unserer Studienergebnisse weder gerechtfertigt noch empfehlenswert.“
Die Studie untersuchte nur Daten zu einem bestimmten Zeitpunkt und kann nicht zeigen, dass OSA Krebs verursacht, sondern nur, dass sie damit in Verbindung steht. Einige wichtige Lebensstilfaktoren wie körperliche Aktivität und Ernährungsgewohnheiten wurden in der Studie nicht auf individueller Basis erfasst. Die größte Stärke der Studie ist ihr großer Umfang und die hohe Qualität der Daten zu Krebsdiagnose und OSA. „Der Zusammenhang zwischen OSA und Krebs ist weniger gut belegt als der mit Herz- und Gefäßerkrankungen, Insulinresistenz, Diabetes und Fettleber“, sagte er. „Wir hoffen, dass unsere Studie andere Forscher ermutigen wird, dieses wichtige Thema zu erforschen.“
In einem zweiten Vortrag erklärte Prof. Raphaël Heinzer, Direktor des Centre for Investigation and Research on Sleep (CIRS) an der Universität Lausanne, dass OSA über einen Zeitraum von fünf Jahren mit einer stärkeren Abnahme der geistigen Verarbeitungsfähigkeit verbunden sei. Das habe die von seinem Kollegen Dr. Nicola Marchi durchgeführte Studie gezeigt.
Heinzer, Marchi und Kollegen untersuchten Personen im Alter von 65 Jahren und älter aus der Allgemeinbevölkerung von Lausanne, die zwischen 2003 und 2008 für die Studien CoLaus/PsyCoLaus und HypnoLaus rekrutiert wurden und alle fünf Jahre nachuntersucht wurden. Insgesamt 358 Teilnehmer unterzogen sich einem Schlaftest, um das Vorhandensein und den Schweregrad einer OSA zu untersuchen, als sie in die Studien aufgenommen wurden. Bei der ersten Nachuntersuchung zwischen 2009 und 2013 wurden auch ihre geistigen Verarbeitungsfähigkeiten getestet und bei der zweiten Nachuntersuchung fünf Jahre später fand eine weitere kognitive Bewertung statt.
Bei den kognitiven Tests wurden die globale kognitive Funktion (Wissen und logisches Denken), die Verarbeitungsgeschwindigkeit (Zeit, die benötigt wird, um Informationen zu verstehen und auf sie zu reagieren), die Exekutivfunktion (Fähigkeit, Gedanken und Aktivitäten zu organisieren, Prioritäten zu setzen und Entscheidungen zu treffen), das verbale Gedächtnis, die Sprache und die visuelle Wahrnehmung räumlicher Beziehungen zwischen Objekten (visuell-räumliche Funktion) bewertet.
Marchi berichtete: „Wir haben festgestellt, dass OSA und insbesondere ein niedriger Sauerstoffgehalt während des Schlafs aufgrund von OSA mit einer stärkeren Abnahme der globalen kognitiven Funktionen, der Verarbeitungsgeschwindigkeit, der Exekutivfunktionen und des verbalen Gedächtnisses verbunden ist. Wir fanden auch heraus, dass Menschen im Alter von 74 Jahren und älter sowie Männer bei einigen spezifischen kognitiven Tests ein höheres Risiko für einen kognitiven Abbau aufgrund von Schlafapnoe hatten.“
So zeigte der Stroop-Test (der die Verarbeitungsgeschwindigkeit und die Exekutivfunktion misst) bei Personen ab 74 Jahren eine stärkere Verschlechterung als bei jüngeren Teilnehmern. Der Test zur verbalen Gewandtheit zeigte nur bei Männern, nicht aber bei Frauen eine stärkere Verschlechterung.
„Menschen mit OSA und Ärzte sollten sich darüber im Klaren sein, dass OSA eine Rolle beim kognitiven Abbau spielen kann. Bislang konnte jedoch nicht eindeutig nachgewiesen werden, dass eine OSA-Behandlung mit kontinuierlichem positivem Atemwegsdruck den kognitiven Abbau verhindert. Unsere Studie deutet darauf hin, dass wahrscheinlich nicht alle OSA-Patienten das gleiche Risiko für einen kognitiven Abbau haben. Es gibt wahrscheinlich eine Untergruppe von Patienten, insbesondere solche mit größerem nächtlichen Sauerstoffmangel, aber auch ältere Patienten und Männer, die ein höheres Risiko für einen OSA-bedingten kognitiven Abbau haben könnten“, sagte Marchi.
Die Forscher planen eine Analyse der Daten über die Auswirkungen der OSA nach zehn Jahren, um mehr darüber herauszufinden, bei wem das Risiko eines kognitiven Rückgangs im Zusammenhang mit der OSA am größten ist.
Zu den Stärken der Studie gehört, dass die Teilnehmer über einen Zeitraum von fünf Jahren beobachtet wurden. Außerdem wurde die Bewertung der OSA mit dem Goldstandard der Polysomnographie durchgeführt wurde und dass mehrere Tests zur Bewertung einer Reihe von kognitiven Prozessen eingesetzt wurden. Zu den Einschränkungen gehört, dass die Teilnehmer relativ gesund waren, keine schwere kognitive Beeinträchtigung oder Demenz aufwiesen und dass die OSA nur zu Beginn der Studie untersucht wurde.
Eine dritte Studie, die von Prof. Wojciech Trzepizur vom Universitätskrankenhaus Angers vorgestellt wurde, zeigte, dass Patienten mit schwerer OSA mit größerer Wahrscheinlichkeit venöse Thromboembolien (VTE) entwickeln. Von den 7.355 Patienten, die über mehr als sechs Jahre beobachtet wurden, entwickelten 104 eine VTE.
„Wir fanden heraus, dass diejenigen, die mehr als 6 % ihrer Nacht mit einem Blut-Sauerstoffgehalt von unter 90 % des Normalwerts verbrachten, ein fast doppelt so hohes Risiko für die Entwicklung von VTEs hatten, verglichen mit Patienten ohne Sauerstoffmangel“, sagte Trzepizur. „Weitere Studien sind erforderlich, um festzustellen, ob eine angemessene Behandlung der OSA, beispielsweise mit CPAP, das VTE-Risiko bei Patienten mit ausgeprägtem nächtlichen Sauerstoffmangel verringern könnte.“
Dieser Artikel beruht auf einer Pressemitteilung der European Respiratory Society. Die Originalpublikationen haben wir euch im Text verlinkt.
Bildquelle: Maria Teneva, Unsplash