Patienten mit Brugada-Syndrom können lange asymptomatisch sein und dann ganz plötzlich Synkopen oder Kammerflimmern bekommen. Wie du die seltene genetische Erkrankung erkennst, erfährst du hier.
Die Brüder Josep und Pedro Brugada beschrieben 1992 Rhythmusstörungen, die scheinbar von einem gesunden Herzen ausgehen und über Synkope bis hin zum Tod führen können. Heute weiß man, dass diese seltene Erkrankung diverse genetische Ursachen hat. 5 von 10.000 Menschen sind von dieser seltenen Rhythmusstörung betroffen – und jeder 5. plötzliche Herztod hat genetische Ursachen, so das Ergebnis einer Studie von Guo et al. Ein Grund, häufiger eine „genetische Autopsie“ durchzuführen. In der Studie wurde auch das Brugada-Syndrom (BrS) als eine der Todesursachen identifiziert.
Das Brugada-Syndrom ist eine erbliche Arrhythmie, die Patienten dazu prädisponiert, ventrikuläre Arrhythmien und plötzlichen Herztod zu entwickeln.
Beim Brugada-Syndrom handelt es sich klassischerweise um eine Kanalopathie, d. h. defekte Ionenkanäle führen zu einer Fehlsteuerung von Nerven- und Muskelzellen. Auch Migräne und Epilepsie sind Kanalopathien. 1996 prägten japanische Forscher den Begriff Brugada-Syndrom (BrS).
Zwei Jahre später wurde die erste genetische Veränderung, die diesen Zustand verursachte, in SCN5A nach einem autosomal dominanten Vererbungsmuster berichtet. Dieses Gen codiert die α-Untereinheit des kardialen Natriumkanalproteins (Nav1.5), die für den anfänglichen Anstieg des Aktionspotentials verantwortlich ist. Auch andere Ionenkanäle sind vermutlich an der Erkrankung beteiligt. Kalium-, Chlorid- und Calciumionenkanäle, die am kardialen Depolarisations- und Repolarisationsprozess beteiligt sind, werden mit Kanalopathien in Verbindung gebracht und durch die Dysfunktion regulatorischer Proteine verursacht. Beispielsweise kann ein übermäßiger Kaliumabfluss während der frühen Repolarisation oder ein reduzierter Einwärtsstrom über Kalziumkanäle zur Brugada-Syndrom-Pathophysiologie beitragen.
Eine kürzlich durchgeführte Studie identifizierte Autoantikörper im Myokard von betroffenen Patienten gegen Herzproteine (α-Aktin, skelettales α-Aktin, Connexin-43, Keratin) und beobachtete eine abnormale Expression von Nav1.5-Proteinen der α-Untereinheit. Obwohl 23 Gene mit der Erkrankung in Verbindung gebracht wurden, ist nur SCN5A, das den kardialen Natriumkanal codiert, krankheitsverursachend.
Viele Brugada-Erkrankungen verlaufen asymptomatisch, es kann aber auch zu folgenden Symptomen kommen:
Kammerflimmern tritt bei Patienten typischerweise nachts oder in Ruhephasen während eines erhöhten Vagotonus auf. Um die Diagnose Brugada-Syndrom (BrS) zu stellen, reicht theoretisch ein Typ-1-EKG mit nach oben konvexer ST-Streckenhebung um mehr als 2 mm in mindestens einer rechtspräkordialen Ableitung in Ruhe aus. Die ST-Morphologien von Brugada-Patienten weisen jedoch von Tag zu Tag Variationen auf. Daher bleibt die Diagnose mit einem 12-Kanal-EKG eine Herausforderung, da die tatsächliche Prävalenz des Syndroms in der Allgemeinbevölkerung schwer abzuschätzen ist.
BrS tritt normalerweise im dritten oder vierten Lebensjahrzehnt auf und etwa 63 % der Patienten sind bei der Diagnose asymptomatisch.
Zur Diagnose werden von der AHA-Konsensuskonferenz ein klassisches schulterförmiges Typ-1-EKG („coved type“) in mindestens zwei Ableitungen (V1–3) und ein klinisches Kriterium gefordert:
Synkopen oder schwere arrhythmische Ereignisse können jedoch in jedem Alter auftreten. Das Brugada-Syndrom wird auch mit dem plötzlichen Kindstod (SIDS) in Verbindung gebracht. Im Jahr 2017 stellte der Bericht der J-Wave-Syndrom-Konsensuskonferenz eine männliche Dominanz beim Brugada-Syndrom fest, möglicherweise aufgrund der Testosteronmodulation von Ionenströmen.
Ist das Ruhe-EKG verdächtig, jedoch nicht beweisend, kann ein Ajmalin-Test durchgeführt werden. Das Medikament wird dem Patienten bei kontinuierlichem EKG-Monitoring intravenös gespritzt. Ziel ist es, zu erkennen, inwieweit ein Typ 1-BRU-EKG entsteht – was diagnostisch beweisend wäre. Ist der Test negativ, ist ein BrS unwahrscheinlich.
Für Patienten mit BrS, die an COVID-19 erkranken, birgt die Entzündungsreaktion das Risiko, ventrikuläre Arrhythmien zu verursachen. Auch eine Hypothermie kann Auslöser für Notfälle im Zusammenhang mit dem Brugada-Syndrom sein.
Obwohl das Brugada-Syndrom genetisch terminiert ist, kann es, beispielsweise bei Transplantationen, übertragen werden. Power et al. berichten von einem „erworbenen“ Brugada-Syndrom, bei dem ein Kind das Herz von einem bis dato unbekannt vom Gendefekt betroffenen Patienten erhielt. Die elektrokardiographische Überwachung des Empfängers nach der Transplantation ergab einen anhaltenden Rechtsschenkelblock und eine fortschreitende, asymptomatische Sinusknotendysfunktion.
Eine Kasuistik berichtete über einen Notfall, der sich in den USA nach dem Einsatz einer elektrischen Waffe (Teaser) ergeben hat. Das anfängliche EKG zeigte ST-Segment- und T-Wellen-Veränderungen in den präkordialen Ableitungen, ähnlich denen, die beim Brugada-Syndrom gefunden wurden.
Eine aktuelle Liste kontraindizierter Medikamente sowie weitere Informationen zum Verhalten bei Fieber, Narkosen und rhythmologischen Notfällen erhält man auf der Homepage brugadadrugs.org
Gemäß den ESC-Richtlinien wird die Platzierung eines implantierbaren Kardioverter-Defibrillators (ICD) für die Behandlung von BrS-Patienten empfohlen. Die implantierbare Kardioverter-Defibrillator-Implantation ist eine wirksame Therapie zur Prävention von Rhythmusstörungen bei BrS-Patienten. „Es ist jedoch auch mit Komplikationen verbunden, weshalb der routinemäßige prophylaktische Einsatz von ICDs bei allen BrS-Patienten derzeit nicht empfohlen wird“, so eine Studie von Lee et al.
Ein relativ neuer und vielversprechender Ansatz zur Behandlung von BrS-Patienten ist die Katheterablation. Eine epikardiale Katheterablation des RVOT (rechtsventrikulärer Ausflusstrakt) kann bei Patienten mit wiederholten geeigneten ICD-Schocks erwogen werden.
Eine Pharmakotherapie mit Chinidin oder Isoproterenol sollte bei BrS-Patienten zur Behandlung von rezidivierenden Rhythmusstörungen wie VT/VF in Betracht gezogen werden. Chinidin kann auch eine alternative Behandlungsoption für supraventrikuläre Arrhythmien oder bei Patienten mit Kontraindikationen für die ICD-Platzierung sein. Antiarrhythmika wie Amiodaron oder Betablocker sind hinsichtlich der Prävention eines plötzlichen Todes bei symptomatischen oder asymptomatischen Patienten mit Brugada-Syndrom nicht wirksam.
Einen Lichtblick für die Zukunft bietet eine Gentherapie, die defekte Gensequenzen neu kodiert und die Funktion des defekten Ionenkanals wieder herstellt.
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