Die Kinderdemenz kann bisher nur symptomatisch behandelt werden. Medikamente, die den Verlauf verlangsamen können, gibt es nicht – doch das könnte sich jetzt ändern.
Mit Demenz verbindet man langläufig den alten Patienten. Eine Demenzerkrankung kann in seltenen Fällen jedoch bereits im Kindesalter auftreten. Die Häufigkeit liegt in Deutschland bei etwa 2:100.000. Die Ursache ist eine Anhäufung von Aggregaten in den Lysosomen.
Der Begriff neuronale Ceroid-Lipofuszinosen (NCL) bezieht sich auf eine Gruppe von autosomal-rezessiven neurodegenerativen Erkrankungen, die sich durch myoklonische Epilepsie, psychomotorische Verzögerung, fortschreitenden Sehverlust und frühen Tod äußern. NCL ist die häufigste Ursache für Demenz im Kindesalter. In Deutschland gibt es rund 700, weltweit ca. 70.000 betroffene Kinder mit NCL, so die NCL-Stiftung.
NCL werden derzeit unter zwei Hauptnamen gruppiert, der Batten-Krankheit und der Kufs-Krankheit. Die Batten-Krankheit, auch als Spielmeyer-Vogt-Syndrom bezeichnet, bezieht sich auf NCL im Kindesalter, unabhängig vom Alter des Ausbruchs. Bei der Kufs-Krankheit treten Symptome der NCL im Erwachsenenalter auf.
Als eine der häufigsten Formen tritt der Subtyp CLN2 auf, bei dem das Enzym Tripeptidyl-Peptidase-1 (TPP1) nicht oder nicht ausreichend gebildet wird. Alle Patienten mit NCL, außer die mit der kongenitalen Form (neuronale Ceroid-Lipofuszinose Typ 10 (CLN10)), haben eine normale psychomotorische Entwicklung vor dem Einsetzen der ersten Symptome. Bei den meisten Patienten liegt der Zeitpunkt des Auftretens der ersten erkennbaren Symptome der Krankheit in der Kindheit. NCL ist eine Sammlung unterschiedlicher Subtypen, aber typische klinische Manifestationen von NCL umfassen:
Der kognitive Rückgang bei Kleinkindern tritt rasch auf, während Jugendliche und Erwachsene einen viel langsameren Verlauf zeigen, was ein normales Leben und eine normale Bildung ermöglicht. Der kognitive Rückgang tritt zweiphasig auf.
Zu Beginn der Krankheit verlangsamt sich die kognitive Entwicklung der Kinder; sie lernen langsamer als ihre Altersgenossen, bleiben aber oft für einige Zeit im normalen Bereich. Sie erreichen ein Plateau und beginnen dann, die kognitiven Kompetenzen zu verlieren, die sie in den ersten Monaten und/oder Jahren ihres Lebens erworben haben.
Bei der CLN2-Erkrankung zeigen jedoch viele Kinder in einem sehr frühen Stadium einen verzögerten Erwerb kognitiver Fähigkeiten; ihre Profile sind uneinheitlich, wobei Verzögerungen im Bereich der expressiven Sprache deutlicher sind als bei den motorischen Fähigkeiten. Bei CLN3 ist die Krankheitsprogression im Allgemeinen langsam und Kinder können, mit Unterstützung für die intellektuellen und visuellen Anforderungen, die Schule besuchen, so eine aktuelle Übersicht.
Typische neurologische Manifestationen von NCL sind neben Epilepsie auch motorische Symptome wie Ataxie, Dysphagie, Myoklonus, Chorea, Tremor und Dystonie. Diese treten insbesondere bei den klassischen und spätinfantilen Phänotypen auf. Darüber hinaus kann auch Parkinsonismus auftreten, insbesondere bei juveniler CLN3-Erkrankung. Viele bekannte neurodegenerative Erkrankungen im Kindesalter haben ähnliche Symptome, sodass die verspätete Diagnose von NCL leider häufig ist. Das diagnostische Standard-Tool für NCL sind Gentests, um das Vorhandensein des mutierten Gens nachzuweisen.
Maßgeblich verantwortlich für die NCL-Pathologie sind die toxischen Konzentrationen von Proteinaggregaten im Zentralnervensystem, nämlich Aggregate von Lipopigmenten (Lipofuszin) innerhalb von Lysosomen. Aggregiertes lysosomales Lipofuszin beeinflusst das neuronale Zytoskelett und den Zelltransport, was zu neuronalem Verlust und pathologischer Gliaproliferation und -aktivierung führt. Bei allen Formen von NCL reichert sich Lipopigment-Speichermaterial in Makrophagen, Neuronen und einigen somatischen Geweben an, einschließlich vaskulärer Endothelzellen und glatter Muskelzellen.
Der neuronale Verlust ist bei den meisten Patienten mit NCL umfangreich, was zu einer Atrophie der kortikalen grauen Substanz, einer Kleinhirnatrophie und einer sekundären ventrikulären Vergrößerung führt, die alle im Verlauf der Krankheit fortschreiten. Der Grad der Atrophie und ventrikulären Erweiterung variiert mit der Form der NCL. Ein konstantes charakteristisches Zeichen bei NCL ist eine zerebrale und zerebelläre Atrophie, die gleichzeitig mit einer Vergrößerung der lateralen Ventrikel im Gehirn auftritt.
Studien an Mausmodellen haben gezeigt, dass Thalamus und Kleinhirn besonders gefährdete Regionen bei verschiedenen NCL-Formen sind und somatosensorische Regionen des Cortex früher und stärker betroffen sind, als motorische Regionen. Patienten mit NCL leiden häufig an sensorischen und motorischen Defiziten. Eine Beteiligung des Rückenmarks kann dafür verantwortlich sein. Eine Studie in Tiermodellen sowie Autopsiestudien am Menschen legen nahe, dass Rückenmarkspathologien bei vielen Arten von NCL mit hoher Häufigkeit auftreten.
Die meisten NCL-Patienten leiden unter fortschreitendem Sehverlust. Dies erforderte eine detaillierte Untersuchung der Sehbahn. Bei vielen Formen von NCL wird eine ausgeprägte Netzhautdegeneration auch häufig von einer Sehnervdegeneration begleitet. Da die meisten Proteine im NCL in verschiedenen Geweben und Zelltypen weit verbreitet sind, kann der Mangel auch andere Organsysteme im Körper betreffen. Es kann zu Herz- und Darmproblemen kommen.
Für Erwachsene stehen bei Demenz wie Morbus Alzheimer zahlreiche Medikamente zur Verfügung, die den Verlauf verlangsamen können. Bei der NCL erfolgt die Therapie rein symptomatisch.
Gegen die spätinfantile neuronale Ceroid-Lipofuszinose Typ2 (NCL2) ist seit 2017 der Wirkstoff Cerliponase alfa zugelassen, der den Verlauf der Erkrankung verlangsamen soll. Cerliponase alfa ist eine rekombinante Form der humanen TPP1. Dank der Enzymersatztherapie können die CLN2-auslösenden Speicherstoffe abgebaut werden. Das Pharmakon verzögert neurologische Anzeichen und verlängert die Lebensdauer des Patienten – es hat jedoch keinen Einfluss auf die Sehfunktion.
Gemäß der Zulassung wird Cerliponase alfa jede 2. Woche 1-mal durch intracerebroventrikuläre Infusion verabreicht. Das bedeutet, dass das Pharmakon direkt in das Hirn appliziert werden muss, um die Blut-Hirn-Schranke zu umgehen. Die Enzymkopie verhindert die Bildung von Ceroid-Lipofuszinen, die zum Absterben der Zellen führen können. Die Datenlage ist derzeit noch nicht sehr umfangreich. In einer Studie an acht Kleinkindern wurde über das Aufhalten der neurologischen Symptome berichtet. Die Entwicklung macht aber Hoffnung, auch für andere Formen der NCL Fortschritte zu erzielen.
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