Nach einem Schlaganfall ist die Sekundärprophylaxe besonders wichtig. Das neue orale Antikoagulans Asundexian soll hierbei mit geringerem Blutungsrisiko als die bekannten Gerinnungshemmer einhergehen. Doch der Nutzen scheint kaum Vorhanden.
Nach Schlaganfällen besteht ein hohes Rezidivrisiko. Daher ist die Sekundärprävention mit gerinnungshemmenden Medikamenten wichtig; z. B. mit Thrombozyten-Aggregationshemmern wie ASS (Acetylsalicylsäure), die jedoch das allgemeine Blutungsrisiko erhöhen können. Die neue Substanz Asundexian inhibiert den Gerinnungsfaktor XIa, ohne das Blutungsrisiko signifikant zu erhöhen, und wurde daher in einer Schlaganfallstudie additiv zur Thrombozyten-Aggregationshemmung evaluiert. Das Sicherheitsprofil bestätigte sich zwar, das Schlaganfallrisiko sank jedoch nicht weiter ab als mit Thrombozyten-Aggregationshemmern alleine.
Nach einem ischämischen Schlaganfall besteht ein hohes Rezidivrisiko – besonders in den ersten Tagen und Wochen. Daher muss sobald wie möglich eine Sekundärprävention mit oralen gerinnungshemmenden (antithrombotischen) Medikamenten begonnen werden. Es gibt hierfür zwei Möglichkeiten: Thrombozyten-Aggregationshemmer, die die Blutplättchenfunktion hemmen (z. B. Acetylsalizylsäure /ASS, Clopidogrel, Ticagrelor), und sogenannte Antikoagulanzien, die bestimmte Gerinnungsfaktoren im Blut blockieren. Antikoagulantien werden gegeben, wenn der Schlaganfall durch eine Embolie aus dem Herzen, z.B. bei Vorhofflimmern, bedingt war.
Es ist durch Studien gesichert, dass ASS das Schlaganfall-Rezidivrisiko signifikant reduziert. Der größte Nutzen besteht dabei in den ersten Wochen nach dem Initialereignis. Bei vertretbarem Blutungsrisiko ist die frühe und kurzzeitige doppelte Thrombozytenaggregationshemmung mit ASS und Clopidogrel für 10-21 Tage oder alternativ ASS und Ticagrelor für 30 Tage möglich. Mit einer effektiven Gerinnungshemmung geht bei diesen Medikamenten jedoch ein geringer Anstieg des allgemeinen Blutungsrisikos einher, was zwar selten ist, aber gefährlich sein kann. Daher wird die Behandlung nach der Nutzen-Risiko-Abwägung immer an die individuelle Situation angepasst.
Klinisch besteht ein großes Interesse an neuen risikoärmeren Medikamenten wie beispielsweise das neue orale Antikoagulans Asundexian (ein sogenanntes „small molecule“), das den Gerinnungsfaktor XIa effektiv hemmt und nur sehr geringe Effekte auf das Blutungsrisiko hat. Menschen mit angeborenem Faktor XI-Mangel haben ein geringes Risiko für Schlaganfälle und Herzinfarkte.
Die PACIFIC-Stroke-Studie ist die erste randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Studie, die bei Betroffenen nach einem ersten nicht-kardioembolischen ischämischen Schlaganfall den Nutzen von Asundexian zusätzlich zur Behandlung mit Thrombozytenaggregationshemmern untersuchte. Die internationale Phase-2b-Dosisfindungsstudie schloss 1.808 Patienten aus 196 Kliniken in 23 Ländern ein (mittleres Alter 67 Jahre, 66% Männer), die in vier gleichgroße Gruppen randomisiert wurden. Der mediane Schlaganfall-Schweregrad (NIHSS-Score) lag bei 2,0 (IQR 1,0-4,0); die mittlere Zeit vom Schlaganfall bis zur Randomisierung betrug 36±10 Stunden. Die Teilnehmer wurden entsprechend der Thrombozytenaggregationshemmung (43% duale Therapie, 57% Monotherapie) stratifiziert; zusätzlich erhielten sie einmal täglich oral entweder 10 mg Asundexian (n=455), 20 mg (n=450), 50 mg (n=447) oder Placebo (n=456). Das Follow-up betrug 26-52 Wochen.
Zerebrale MRT-Untersuchungen erfolgten initial und nach 26 Wochen. Das primäre Outcome war die dosisabhängige Effektivität auf den kombinierten Endpunkt, der zwei mögliche Ereignisse beinhaltete: symptomatische Schlaganfall-Rezidive und/oder neue symptomlose, im MRT aber erkennbare kleine Hirninfarkte. Primäre Sicherheitsendpunkte waren große bzw. klinisch relevante Blutungen, definiert nach den ISTH-Kriterien („International Society on Thrombosis and Haemostasis“).
Im Ergebnis zeigte sich nach 26 Wochen für die additive Gabe von Asundexian (gegenüber der Placebo-Gruppe mit alleiniger Thrombozytenaggregationshemmung) keine weitere Reduktion des primären Endpunktes. In allen vier Gruppen trat der primäre Endpunkt bei ca. 20 % der Teilnehmer ein (87/456 = 19 % mit Placebo vs. 86/455 = 19 % mit 10 mg Asundexian, 99/450 = 22 % mit 20 mg und 90/447 = 20 % mit 50 mg; p = 0,8). Das Sicherheitsprofil war ebenfalls in allen Gruppen vergleichbar: der primäre Sicherheitsendpunkt (Blutungen) wurde von 2 % in der Placebogruppe und dosisunabhängig von 3–4 % in den Asundexian-Gruppen erreicht (HR 1,57).
Eine Post-hoc-Analyse zeigte jedoch einen gewissen Asundexian-Nutzen für eine Subgruppe mit deutlicher Atherosklerose zerebraler Arterien. Dies sollte nun nach Ansicht der Studiengruppe in einer weiteren Studie untersucht werden.
Professor Hans-Christoph Diener, Pressesprecher der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) steht dem Vorhaben etwas verhaltener gegenüber, wie er auch in einem ebenfalls in The Lancet publizierten Kommentar ausführt: „Wir haben in der Vergangenheit immer wieder gesehen, dass Studien keinen Vorteil zeigen konnten, aber bestimmte Subgruppen scheinbar profitierten. Wurden dann größere Studien in diesen Subgruppen durchgeführt, zeigte sich dennoch kein Vorteil. Aber natürlich ist insgesamt weitere Forschung erforderlich, um die antithrombotische Therapie für die sekundäre Schlaganfallprävention weiter zu optimieren.“ Der Experte verweist außerdem auf die Bedeutung der anderen Säulen der Sekundärprävention: Die Therapie von Hypertonie, Hyperlipidämie und Diabetes mellitus. „Unverzichtbar ist darüber hinaus die Mitwirkung der Betroffenen im Hinblick auf ihren Lebensstil: Nikotinverzicht, Limitierung des Alkoholkonsums, Reduktion von Übergewicht – und regelmäßige Bewegung.“
Dieser Beitrag basiert auf einer Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie.
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