Ein 83-Jähriger Mann klagt über starke Nackenschmerzen, die plötzlich begonnen hatten. Im Krankenhaus ergeben sich schnell einige Hinweise, die ein entzündliches Geschehen vermuten lassen. Doch dieses liegt am Ende an einem seltenen Ort.
Ein 83-jähriger Mann stellt sich mit plötzlich und neu aufgetretenen Nackenschmerzen im Krankenhaus vor. Die Schmerzen sind so quälend, dass er weder den Kopf drehen, noch nach hinten beugen kann. Kopfschmerzen, Bewusstseinsveränderungen oder Schluckbeschwerden verneint der Mann allerdings.
Die Ärzte untersuchen den 83-Jährigen zunächst und nehmen Blut ab. Dies liefert auch prompt den ersten auffälligen Befund: Der CRP-Wert des Mannes ist deutlich erhöht. Könnte also eine Entzündung die Ursache für die Nackenschmerzen sein?
Um dieser Frage nun auf den Grund zu gehen, lassen die Ärzte MRT-Aufnahmen der Halswirbelsäule anfertigen. In der STIR-Sequenz zeigen diese eine deutliche Signalanhebung und Schwellung, welche sich im Bereich des Musculus longus colli lokalisieren lässt.
Hinweis auf eine Halswirbel- oder Bandscheibenentzündung können die Ärzte glücklicherweise nicht feststellen. Auch einen retropharyngealen Abszess als Ursache für die Beschwerden können sie per Endoskopie ausschließen.
Unterm Strich können die Ärzte anhand dieser Befunde bereits eine Diagnose stellen: Der 83-Jährige leidet an einer akuten Tendinitis des Musculus longus colli. Sie verschreiben ihm Loxoprofen, worunter sich die Schmerzen rasch bessern. Schon bald sind für den Mann wieder Rotationsbewegungen der Halswirbelsäule und auch eine Rückwärtsbeugung möglich. Im Einklang mit dieser subjektiven Beschwerdebesserung zeigt auch eine erneute MRT eine Woche nach Behandlungsbeginn eine deutliche Rückläufigkeit der Hyperintensität im Bereich des M. longus colli.
Die akute Longus-colli-Tendinitis, auch retropharyngeale Tendinitis genannt, ist eine entzündliche Erkrankung, die durch eher unspezifische Symptome gekennzeichnet ist. Dazu zählen - wie im vorliegenden Fall - akute Nackenschmerzen (94 %) sowie eine eingeschränkte Beweglichkeit (45 %) aber auch Odynophagie (45 %). Insgesamt ist die akute Longus-colli-Tendinitis relativ selten und wird daher unterdiagnostiziert. Eine präzise Diagnosenstellung ist jedoch unabdingbar, denn eine Fehldiagnose kann unnötige chirurgische Eingriffe, Punktionen und Antibiotika-Gaben nach sich ziehen. Verursacht wird die retropharyngeale Tendinitis durch Ablagerung von Hydroxyapatit in den oberen Zügeln des M. longus colli. Typischerweise lässt sich diese Form der Tendinitis effektiv mit nichtsteroidalen Antirheumatika behandeln.
Zu den Differentialdiagnosen zählen der retropharyngeale Abszess, die akute Schilddrüsenentzündung, das Trauma, die Spondylitis und die Meningitis. Zur Abgrenzung dieser Diagnosen ist eine zielgerichtete bildgebende Diagnostik umso wichtiger. Bei der Kombination aus diffuser Entzündung im CT/MRT und akut auftretenden Nackenschmerzen, sollte jedoch immer eine Longus-colli-Tendinitis in Betracht gezogen werden.
Text- und Bildquelle: Hort et al. / Oxford Medical Case Reports | Mair et al. / Der Unfallchirurg
Titelbild: Unsplash / Alan Calvert