GYN-KLARTEXT | Was tun bei Zwillingen in Beckenendlage? Und ist die Entnahme von Nabelschnurgewebe nach der Geburt reine Abzocke? Ihr habt gefragt, hier gibt’s die Antworten.
In der aktuellen Sprechstunde von DocCheck Experts ging es rund um das Thema Geburt. Unsere Sprechstunde mit dem Experten fand auch diesmal wieder als Live-Stream via Zoom statt. Unser Medical Content Manager Mats Klas hat das Ganze moderiert und eure Fragen an unseren Experten Frank Scheulen gestellt. Den zweiten Teil unserer Reihe, in dem es um Geburtseinleitung und Mehrlingsgeburten geht, könnt ihr hier nachlesen – oder euch als Video anschauen.
Schwierig zu sagen, weil natürlich das Klientel in allen Kliniken sehr unterschiedlich ist und alle Kliniken unterschiedlich damit umgehen. Wenn man jemanden hat, der Leitlinien als Befehl nimmt und nicht als Leitlinien, dann habe ich viel mehr Einleitungen. Leitlinie heißt, dass ich die Frau aufklären muss – über die Risiken, Möglichkeiten und Optionen, die wir haben. Aber mein Job ist, die Frau so aufzuklären, dass sie selber entscheiden kann, was sie will und dann wird es dokumentiert. Dann muss ich deutlich weniger einleiten, als wenn ich mich nicht an Leitlinien halte, die mehr Optionen bieten. Über Zahlen kann ich da gar nichts sagen, weil es wirklich so unterschiedlich ist. In einer Uniklinik gibt es deutlich mehr Einleitungen als bei einer kleinen peripheren Klinik mit 800 Geburten. Weil einfach das Risiko-Klientel nicht so da ist.
Gut eingestellter diätetischer Gestationsdiabetes ist heute keine Einleitungs-Indikation mehr. Da kann man einfach abwarten – bis eine Woche über den Termin. Eine Woche über ET ist ja prinzipiell mittlerweile der Punkt, an dem man zumindest über die Möglichkeit der Einleitung sprechen muss. Ich empfehle dann nicht zwingend eine Einleitung, ich sage nur, dass die Möglichkeit besteht. Beim Insulinpflichtigen Diabetes hat man – selbst wenn der gut eingestellt ist – bei einer Übertragung deutlich höhere Raten an versterbenden Kindern. Der Insulinpflichtige Diabetes ist eine der häufigsten Ursachen für den intrauterinen fetalen Tod. Deshalb sind da alle viel vorsichtiger. Wenn das Risiko den Nutzen deutlich übersteigt, dann bin ich auch dafür, einzuleiten. Aber wichtig ist: Aufklären, Entscheidungen treffen und dokumentieren. Man muss die Entscheidungsfindung gemeinsam herbeiführen. Wenn die Schwangere sich gegen meine Empfehlung entscheidet, dann sage ich nicht „Machen wir aber trotzdem“.
Überstimulation war ein Thema als mit Cytotec und mit dem offiziellen Nachfolger eingeleitet wurde. Ich halte das für ein hervorragendes Medikament, wenn man es richtig anwendet. Ich selbst habe einige Jahre damit gearbeitet. Wir haben das deutlich unterdosiert, im Vergleich zu allen anderen, und haben damit sehr erfolgreich gearbeitet. Wir hatten wenig Überstimulation. Der große Vorteil ist, dass man bei der oralen Gabe nach vorzeitigem Blasensprung keine bzw. weniger Infekte hat. Prostaglandin-Gele sind nicht so hoch dosiert. Und je nachdem, wo und wie man sie positioniert, hat man deutlich seltener eine Überstimulation, sodass man besser damit klarkommt. Häufig braucht man aber länger und man braucht auch mehr davon. Man muss den Frauen erklären, dass es kein Medikament gibt, das eine halbe Stunde später Wehen auslöst. Es kann auch Tage dauern.
Der Umgang mit der Austreibungsperiode, dieser relativ schnellen Phase, ist vor allem: Anleiten, Atmen und bewegen lassen – die Frauen nicht in Positionen zwingen. Das geht gar nicht.
Nicht sichtbare Geburtsverletzungen sind leider nicht sichtbare Geburtsverletzungen. Wenn die Frau das Gefühl hat, da kommt noch ein Kind, dann hat sie ein Hämatom. Risse der Beckenmuskulatur unter der Haut heilen in der Regel ganz gut wieder. Dammrisse und okkulte Dammrisse sind extrem selten. Die klassischen Geburtsverletzungen sind dann die, die man später über die Beckenbodenschwächen in der Inkontinenz sieht.
Es sind eigentlich alles Prostaglandine in der einen oder anderen Form. Es gab das Cytotec, das oral gegeben wurde und den Vorteil hatte, dass man weniger vaginal untersuchen muss und keine Infektionen verursacht. Der Nachteil war, dass es vielerorts wesentlich leichtfertiger gegeben wurde. Prostaglandine gibt es auch als Depot-Medikament, das man in die Scheide einführt. Das führt häufig zu einer kräftigen Stimulation. Das Elegante ist, dass, wenn echte Geburtswehen einsetzen, man das Medikament entfernen kann. Die Prostaglandin-Gele gibt es in verschiedenen Varianten: als Vaginal-Gel und als Gel, das man nah am Muttermund aufträgt. Das kann man auch intrazervikal, das ist natürlich wesentlich effizienter, als es nur in die Scheide zu geben.
Man muss sich auch die Frage stellen, wie dringend die Einleitungsindikation ist: Muss das Kind schnell raus, oder ist es eine Indikation, bei der die Mutter nicht mehr will? Dann kann man mit einer Einleitung anfangen – aber man ist nicht gezwungen, aus medizinischen Gründen zügig ans Kind zu kommen. Dann gibt es noch mechanische Varianten, wie z.B. einen Ballon, den man in die Zervix einführt und aufbläst. Damit setzt man die eigene Prostaglandin-Freisetzung in Gang. Noch eine Methode ist die Eipollösung, wenn der Muttermund – oft auch ohne Wehen – schon ein paar Zentimeter geöffnet ist. Dabei wird die Eihaut per Hand vom Gebärmutterhals gelöst, was auch die Prostaglandin-Freisetzung stimuliert. Das sind alles Option, die auf Medikamente zu verzichten.
Mehrlingsgeburten sind immer spannend und immer beeindruckend. Was man beachten muss: Motivation. Die Frau muss das wollen, dann kann man es auch machen. Zwillinge, die sich eine Fruchtblase und eine Plazenta teilen, also monochorial und monoamniotisch sind, sind zwar extrem selten, aber sie sollten nicht vaginal geboren werden, weil das Risiko einfach zu hoch ist. Außerdem sollte der zweite Zwilling nicht wesentlich größer sein, als der Erste. Ansonsten ist die Lage – wenn man Beckengeburten beherrscht – des führenden Kindes eigentlich egal; der Führende muss nur mit Po oder Kopf voran geboren werden. Es ist wichtig, dass das zweite Kind in einer Länglage kommt, das heißt Kopf oder Po und auch die Füße voran und Wehen einsetzen. Man braucht ebenfalls ein Setting, bei dem die Beteiligten Erfahrungen mit Zwillingsgeburten haben und man muss die Frauen aufklären. Ich kläre sie darüber auf, dass ich nach der Geburt des ersten Kindes untersuche. Das heißt, wir nadeln relativ bald ab: Die Begleitperson übernimmt das Kind und die Mama konzentriert sich auf das zweite Kind. Wenn wir keine Längslage haben, mache ich die Blase am zweiten Kind auf und bringe es in eine Längslage. Mein Oberarzt hat immer gesagt: „Nimm es am Fuß, dann hast du den Griff dran.“ Denn wenn der Kopf in Führung geht und der Muttermund ganz auf ist, dann dockt der Kopf wieder fest an, die Nabelschnur kann nicht vorfallen, alle kleinen Teile sind aus dem Weg und wir können in Ruhe auf die nächste Wehe warten.
Eher selten ist das Fetofatale-Transfusionssyndrom. Wenn die Kinder gemeinsam eine Plazenta haben und ein Kind deutlich besser versorgt ist, dann haben wir ein Riesen-Kind und ein Mini-Kind. Dabei ist das große Kind das Gefährdete, weil es zu viel Blut bekommt, Hochdruck und somit eine Herzinsuffizient bzw. eine Herzmuskelschwäche über die Polyglobulie entwickelt. Die Kleinen darf man auch nicht verpassen, man sollte sie rechtzeitig rausholen. Denn die Kleinen nehmen draußen an Gewicht zu. Es gibt bei extremen Fällen Möglichkeiten, wenn es sehr früh passiert, per Laser die gemeinsamen Gefäße zu veröden.
Es kann aber immer zu Versorgungsproblemen kommen, dass ein Kind deutlich besser versorgt ist als das andere. Mehrlingsschwangerschaften haben auch ein höheres Risiko für vorzeitige Wehen und Blasensprung, weil der Druck im Bauch einfach höher ist.
Beckenbodenverletzungen gibt es bei Kaiserschnitt nicht. Und Organverletzungen im Bauch gibt es bei vaginalen Geburten nicht. Zystozele, Rektozele: Das Risiko ist deutlich erhöht durch die Anzahl der Geburten und durch die Größe des Kindes, aber auch durch die Schwangerschaften selber, weil der Druck auf den Beckenboden, unabhängig vom Geburtsmodus, während der gesamten Schwangerschaft – vor allem im letzten Trimeon – besteht. Das Atonierisiko ist bei beiden ähnlich. Das Risiko für Organverletzungen- und Infektionen ist deutlich höher beim Kaiserschnitt. Der Kaiserschnitt ist auch mit einem erhöhten Thrombosen- und Embolierisiko verbunden. Die Haupt-Todesursachen, sowohl bei einer Sectio als auch bei der vaginalen Geburt, sind Atonien und Embolien. Im Outcome bei gesunden Kindern gibt es aber keinen direkten Unterschied – lediglich im Teenageralter haben Kinder, die per Kaiserschnitt zur Welt gekommen sind, häufiger allergische und asthmatische Erkrankungen.
Ich bin kein Fan von Opiaten im Kreißsaal, weil sie das Bewusstsein der Mutter trüben und sie bei den Kindern eine relevante Atemdepression verursachen können. Periphere Schmerzmittel, Paracetamol und Co. wirken unter der Geburt nur sehr eingeschränkt. Ich bin hingegen ein großer Freund der Wanne im Verlauf der Eröffnungsphase, auch zur Geburt. Denn insbesondere in der Eröffnung haben Frauen, die in der Wanne sitzen, eine signifikant geringere Schmerzwahrnehmung sowie einen geringeren Bedarf an Schmerzmitteln.
Frauen zögern den Punkt, an dem sie eine PDA wollen, häufig lange heraus. Wenn die Frau es möchte, dann ist auch der geeigneter Zeitpunkt dafür. Eine PDA ist nicht sinnvoll bei der Einleitung und typischen Wehenschmerz bzw. bei stehendem Gebärmutterhals, wenn der Muttermund noch geschlossen ist. Wenn der Kopf des Kindes sich nicht gut einstellt, kann die PDA die Rettung sein und durch die Entspannung des Beckens dazu führen, dass man das Kind noch vaginal bekommen kann. Zwar ist eine PDA eine gute Option der Schmerzbehandlung unter Wehen, doch sie führt auch manchmal zu einem Nachlassen der Wehentätigkeit, sodass man häufiger am Ende mit einem Wehentropf arbeiten muss. Ohne PDA: Jede halbe Stunde reicht eine CTG, dann zwei Stunden CTG-Pause, bis der Muttermund auf ist. Mit PDA braucht man dann eine dauerhafte CTG-Ableitung, da dadurch der mütterliche und somit der kindliche Blutdruck abfallen kann – und damit auch die Herzfrequenz.
Nein, es ist keine strenge Kontraindikation. Man muss den Kaiserschnitt aber anbieten und darüber sprechen.
Es gibt Firmen, die das anbieten – und es grenzt an Betrug. Es gibt keine für das eigene Kind eingelagerten Entnahmen, die bis jetzt genutzt wurden und auch keine Erkrankungen, für die man es aktuell nutzen kann. Es ist viel Geld, das man dafür ausgibt. Es gibt zwar Erkrankungen, für die man hofft, das perspektivisch nutzen zu können. Aber dann sind diese Erkrankungen in den Stammzellen schon angelegt.
Progesteron in der Frühschwangerschaft wird bei Fehlgeburtsrisiko häufig gegeben, es gibt aber keine validen Zahlen aus guten Studien. Schadet nicht, hilft aber vermutlich auch nicht.