Ähnlich wie die Impfstoffe gegen das Coronavirus könnten RNA-basierte Antibiotika die moderne Medizin deutlich verbessern. Forscher haben untersucht, welche Voraussetzungen solche Antibiotika erfüllen müssen, damit diese Strategie funktioniert.
Im Kampf gegen die Covid-19-Pandemie haben die mRNA-basierten Impfstoffe ihr Potenzial eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Mithilfe dieser Technologie konnten Wissenschaftler rasch Impfstoffe gegen SARS-CoV-2 entwickeln und auf den Markt bringen, die Millionen von Menschen wirksam vor schweren Krankheitsverläufen von COVID-19 oder gar dem Tod schützten.
Die RNA-basierte Medizin kann jedoch nicht nur zur Bekämpfung von Viren eingesetzt werden. Sie kommt unter anderem auch als Kandidat für eine neue Art von Antibiotika in Betracht, mit denen bakterielle Infektionen maßgeschneidert behandelt werden können. Welche Voraussetzungen diese Wirkstoffe erfüllen müssen und wie sie im Bakterium wirken, haben Forscher der Universität Würzburg (JMU) untersucht. Beteiligt waren Teams aus dem Institut für Molekulare Infektionsbiologie (IMIB) und dem Helmholtz-Institut für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI). Sie stellen die Ergebnisse ihrer Arbeit in der aktuellen Ausgabe von Nucleic Acids Research vor.
„Die Zahl der antibiotikaresistenten Bakterienstämme nimmt weltweit zu, die Behandlung mit herkömmlichen Wirkstoffen versagt immer häufiger. Wir brauchen daher dringend neue Medikamente, um diese Erreger gezielt und effektiv zu bekämpfen.“ So beschreibt Professor Jörg Vogel den Hintergrund der jetzt veröffentlichten Arbeit. Vogel ist Inhaber des Lehrstuhls für Molekulare Infektionsbiologie I an der JMU und Direktor des HIRI sowie Autor der Studie.
Programmierbare mRNA-Antibiotika könnten die Lösung für dieses Problem sein. Die Strategie ist einfach: „Wir schleusen kurze Basenketten in Bakterien ein, die genau zu bestimmten Genen passen“, erklärt Vogel. Wenn diese Fragmente an die entsprechende mRNA des gewünschten Gens binden, hemmen sie die Proteinproduktion und im Idealfall stirbt das Bakterium daraufhin ab.
In der Wissenschaft wird dieser Ansatz als ‚Antisense-Technologie‘ bezeichnet. Die Struktur dieser Wirkstoffe entspricht dem Spiegelbild eines Gens, so dass sie dieses effektiv blockieren können. Die ersten Medikamente, die nach diesem Prinzip funktionieren, sind bereits auf dem Markt, z. B. zur Behandlung der Folgen der spinalen Muskelatrophie oder der Hepatitis-C-Infektion. Bislang sind mRNA-Antibiotika jedoch auf das Labor beschränkt.
In ihrer Studie konzentrierten sich die Würzburger Wissenschaftler auf Bakterienstämme vom Typ uropathogene Escherichia coli (UPEC). In den allermeisten Fällen verursachen diese Bakterien bei etwa jeder zweiten Frau einmal im Leben eine Harnwegsinfektion. Der übermäßige Einsatz von Antibiotika in den letzten Jahrzehnten hat bei vielen dieser Bakterien zur Entwicklung von Resistenzen gegen gängige Therapeutika geführt, was insbesondere die Behandlung von häufig wiederkehrenden Harnwegsinfektionen erschwert.
Die beteiligten Forschungsteams hatten sich zum Ziel gesetzt, drei zentrale Fragen zu beantworten. Erstens: Sind die entwickelten Wirkstoffe (insbesondere Antisense-Peptidnukleinsäuren, die auf mRNAs essenzieller bakterieller Gene abzielen) spezifisch? Mit anderen Worten – blockieren sie tatsächlich nur ein bestimmtes bakterielles Gen? Oder wirken sie möglicherweise auch auf andere mRNAs? Die Antwort ist klar: „Unsere Ergebnisse zeigen, dass die eingesetzten Basenpaare nur das betreffende Gen blockieren“, sagt Vogel.
Zweitens: Wie reagiert das Bakterium auf die Verlagerung dieser RNA-Antibiotika in die Zelle? Die Antwort: Die Bakterien zeigen eine Stressreaktion, also leider nicht wie gewünscht. Das liegt vor allem daran, dass die Antisense-Peptid-Nukleinsäuren vergleichsweise groß sind. Der Stress tritt daher vor allem dann auf, wenn diese Biomoleküle die Bakterienmembran durchqueren.
Eine gute Nachricht gibt es jedoch in Bezug auf die Antwort auf Frage drei: Ist es möglich, diese ‚Basenpaar-Schnipsel‘ kleiner zu machen? Ja, das ist möglich. „Bisher sind Wissenschaftler davon ausgegangen, dass zwischen neun und 14 Basenpaare notwendig sind, um eine unspezifische Bindung an andere Gene zu verhindern“, erklärt Vogel. Die veröffentlichten Ergebnisse zeigen nun, dass neun Basenpaare ausreichen; die Schnipsel können also relativ klein gehalten werden.
Insgesamt, so die Autoren der Studie, zeigen die Ergebnisse, dass mRNA-basierte Antibiotika prinzipiell zur Bekämpfung von uropathogenen Stämmen von Escherichia coli geeignet sind. Allerdings müssen noch einige wichtige Fragen geklärt werden, bevor dieser Ansatz in der Klinik eingesetzt werden kann. Dennoch besteht ein dringender Bedarf: „Wenn wir nicht zusehen wollen, wie antibiotikaresistente Mikroben die Erfolge der modernen Medizin zunichte machen, brauchen wir neuartige Werkzeuge, die eine gezielte Behandlung von Krankheitserregern ermöglichen“, sagt Jörg Vogel. Herkömmliche Antibiotika sind dazu allerdings nicht in der Lage.
Dieser Beitrag basiert auf einer Pressemitteilung der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Die Originalpublikation findet ihr hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: CDC, unsplash