Transvenöse implantierbare Kardioverter-Defibrillatoren (ICD) waren gestern. Der neueste Schrei sind innovative extravaskuläre ICD-Systeme. Ob sie der neue Standard werden und wie praxistauglich sie sind, erfahrt ihr hier.
Implantierbare Kardioverter-Defibrillatoren (ICD) sind zum Schutz vor plötzlichem Herztod bei Patienten mit primär- oder sekundärprophylaktischer Indikation etabliert. ICDs können Leben retten.
Allerdings kann es bei transvenösen ICD-Systemen, bei denen die Elektrode über eine Vene ins Herz vorgeschobenen wird, zu Probleme kommen. Dazu zählen Infektionen oder mechanische Komplikationen wie eine Perforation. Um solche unerwünschten, teils lebensbedrohliche Ereignisse zu minimieren, ist der subkutane ICD entwickelt worden. Er kommt gänzlich ohne transvenöse Elektroden aus.
Nachteile dieser Methode sind allerdings, dass eine antibradykarde Stimulation nur sehr eingeschränkt und ein antitachykardes Pacing (ATP) gar nicht möglich sind. Mit der Entwicklung des Extravascular Implantable Cardioverter Defibrillator (EV-ICD) wurde versucht, ohne transvenöse Elektroden auszukommen und trotzdem die Möglichkeit einer antibradykarden Stimulation und eines ATPs zu haben.
Beim EV-ICD wird die Elektrode nicht transvenös, sondern extravaskulär unter dem Brustbein nahe am Herzen implantiert. Die Implantation des ICD-Aggregates erfolgt lateral im midaxillären Bereich. Beim ESC-Kongress 2022 in Barcelona wurden die Ergebnisse der ersten größeren, an 46 Zentren in 17 Ländern durchgeführten Studie (Extravascular ICD Pivotal Study) zur Wirksamkeit und Sicherheit des EV-ICD-Systems bei Patienten mit Indikation für eine primär- oder sekundärpräventive ICD-Implantation vorgestellt. Die Studie wurde im New England Journal of Medicine publiziert.
Es wurden 356 Patienten mit einer Klasse I- oder IIa-Indikation für einen ICD in die Studie aufgenommen. Bei 316 Patienten wurde dann eine Implantation vorgenommen. Bei 302 Patienten, bei denen während der Implantation ventrikuläre Herzrhythmusstörungen auslösbar waren und die das komplette Testprotokoll der Defibrillation durchliefen, war die Defibrillation in 98,7 Prozent der Fälle erfolgreich (p<0,001 für den Vergleich der unteren Grenze des Konfidenzintervalls mit dem definierten Performance-Ziel von 88 Prozent). Es kam zu keinen schweren intraprozeduralen Komplikationen. Von den 316 Patienten konnten 299 (94,6 Prozent) mit einem funktionierenden ICD-System entlassen werden.
Nach sechs Monaten waren in dieser Gruppe 92,6 Prozent (p<0,001 für den Vergleich der unteren Grenze des Konfidenzintervalls mit dem definierten Performance-Ziel von 79 Prozent) frei von schweren system- oder prozedurbezogenen Komplikationen. Sowohl beim Effektivitäts- als auch beim Sicherheitsendpunkt der Studie konnte mit diesen Ergebnissen die gesteckten Ziele erreicht werden.
In einem mittleren Follow-up von 10,6 Monaten mussten insgesamt acht EV-ICD-Systeme wieder explantiert werden, davon vier (1,3 Prozent) aufgrund aufgetretener Infektionen. Fälle von Mediastinitis, Sepsis oder Endokarditis, die im möglichen Zusammenhang mit dem extravaskulären ICD standen, konnten nicht dokumentiert werden. Nach 6 Monaten konnten bei 23 von 316 Studienteilnehmern (7,3 Prozent) insgesamt 25 Komplikationen verzeichnet werden. Am häufigsten kam es zu Dislokationen von Elektroden (zehn Ereignisse bei neun Patienten).
Bei 29 Patienten konnten im Zusammenhang mit 81 aufgezeichneten Arrhythmie-Ereignissen insgesamt 118 inadäquate Schocks detektiert werden. Ursächlich hierfür war in den meisten Fällen ein T-Wellen-Oversensing (bei 34 von 81 Episoden; 42 Prozent). Die Rate von 8,5 Prozent für inadäquate Schocks nach sechs Monaten sei zwar höher als die von derzeit genutzten transvenösen ICD-Systemen, jedoch vergleichbar mit den Raten von transvenösen und subkutanen Systemen der frühen Generation. Die Autoren der Studie berichten, dass neue Algorithmen zur Vermeidung inadäquater Schocks durch den EV-ICD entwickelt worden seien. Eine klinische Prüfung stehe aber noch aus.
Eine Limitierung der Studie ist das einarmige Design durch das Fehlen einer Vergleichsgruppe mit implantierten transvenösen oder subkutanen ICD-Systemen. Bezüglich der Generalisierbarkeit der Ergebnisse räumen die Autoren ein, dass angesichts des relativ jungen Alters der Studienteilnehmer (im Mittel 53 Jahre) unklar sei, ob sich die Ergebnisse auch auf ältere und kränkere Patienten mit ICD-Indikation übertragen ließen.
In der ersten prospektiven Multicenter-Studie konnte gezeigt werden, dass das neue, innovative extravaskuläre ICD-System, bei dem die Elektrode unter dem Brustbein implantiert wird, ventrikuläre Tachykardien erfolgreich entdeckt und terminiert. Die Rate der inadäquaten Schockabgaben lag jedoch nach 6 Monaten höher als bei derzeit genutzten transvenösen ICDs. Zur weiteren Überprüfung der Sicherheit und Effektivität des extravaskulären ICDs werden weitere Studie benötigt.
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