Die Muskelqualität und die Ernährung sind ausschlaggebend für die Lebenserwartung der Patienten mit fortgeschrittenem Magenkrebs, richtig? Falsch. Was wirklich zählt, sind die Entzündungsreaktionen im Blut.
Eine Forschergruppe der Universitätsmedizin Leipzig, unter der Leitung von Prof. Ulrich Hacker, hat zusammen mit Wissenschaftlern der Masaryk-Universität in Brünn (Tschechien) untersucht, was die Lebenserwartung von Patienten mit Magenkrebs in einem fortgeschrittenen Stadium beeinflusst.
Sie haben herausgefunden, dass die Entzündungsreaktion im Körper mit einer reduzierten Qualität der Muskulatur bei den Betroffenen einhergehen und letztlich den entscheidenden Faktor für die Prognose darstellen. In die Auswertung gingen Daten von über 500 Betroffenen ein, die vor einigen Jahren innerhalb einer klinischen Studie behandelt wurden. Die Ergebnisse wurden im Fachmagazin Annals of Oncology veröffentlicht.
Für die Analyse nutzten die Wissenschaftler bestimmte Laborwerte im Blut, die eine Entzündungsreaktion im Körper sowie Messwerte zur Muskelqualität anzeigen. „Aus unseren Befunden kann geschlussfolgert werden, dass bei aggressiven, fortgeschrittenen Tumorerkrankungen, wie am Beispiel des Magenkarzinoms, die Entzündungsreaktion im Blut der treibende Faktor für das Krankheitsgeschehen ist. Das hängt eng mit der Ausbildung einer Sarkopenie zusammen“, erklärt Prof. Hacker, Oberarzt am Universitätsklinikum Leipzig. Zudem fanden die Mediziner heraus, dass bei Patienten, die im Rahmen der Studie mit einer Chemotherapie behandelt wurden und bei denen die Erkrankung nicht weiter fortgeschritten ist, der gemessene Entzündungswert im Blut deutlich zurückgegangen ist.
In der wissenschaftlichen Diskussion wurde den Muskelparametern bisher ein großer Stellenwert mit Blick auf die Prognose zugeschrieben und daraus die Hypothese abgeleitet, dass Maßnahmen zur Verbesserung der Muskulatur die Lebenserwartung von Tumorpatienten verbessern könnten. Zumindest für fortgeschrittene Tumorerkrankungen zeigt sich nun, dass die Entzündungsreaktionen führend sind. „Wir weisen nach, dass die Entzündungswerte im Blut und die Sarkopenie eng zusammenhängen. Entgegen unserer Ergebnisse einer vorherigen Studie wissen wir nun, dass die Muskelqualität als Faktor nicht ausschlaggebend für die Lebenserwartung der Patienten mit fortgeschrittenem Magenkrebs ist“, fasst Hacker die Kernaussage der Forschung zusammen und fügt hinzu: „Die Beeinflussung der Entzündungsreaktion stellt sich als zentraler Angriffspunkt heraus, um sowohl die Prognose als auch die Sarkopenie zu verbessern.“
Körperliches Training und vor allem Maßnahmen zur Verbesserung der Ernährung werden oft von den Experten zur Behandlung einer Sarkopenie vorgeschlagen. „Es ist aber auch bekannt, dass Ernährungsmaßnahmen nicht gut anschlagen, wenn Entzündungswerte im Blut vorliegen. Die aktuellen Studiendaten weisen darauf hin, dass eine wirksame Tumortherapie die Entzündungsreaktionen reduziert und damit eine gute Grundlage für wirksame Maßnahmen im Ernährungsbereich legen könnte“, sagt Hacker.
In künftigen Studien müsse geklärt werden, ob die Befunde auf andere Tumorarten übertragbar seien und wie sich unterschiedliche Tumortherapien oder andere Behandlungen auf die Entzündungsreaktionen im Blut auswirken.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung der Universität Leipzig. Die Originalpublikation haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Garo Uzunyan, unsplash