In freier Wildbahn oder im Dienst des Menschen – Wann haben Pferde am meisten Stress und wo fühlen sie sich am wohlsten? Ein Forscherteam hat Haarproben von Tieren mit unterschiedlichen Lebensstilen ausgewertet und erstaunliches festgestellt.
Tiere fühlen sich in freier Wildbahn am wohlsten – so die landläufige Meinung vieler Menschen. Doch ist das wirklich wahr? Ein Forscherteam wollte es genauer wissen und untersuchte das Stresslevel von Pferden aus verschiedenen Haltungs- und Lebensformen.
Die Wissenschaftler analysierten dazu den Cortisolspiegel in Haarproben von Pferden mit unterschiedlichen Lebensstilen. „Cortisol wird in der wissenschaftlichen Literatur als gültiger Indikator für Stress angesehen. Die Konzentration im Pferdehaar kann also ein Archiv sein, an dem man das chronische Wohlbefinden des Tieres ablesen kann“, so Erstautor Dr. Francesco Cerasoli. Die Probanden wurden in drei verschiedene Gruppen unterteilt: Es wurden Polizeipferde die ein regelmäßiges Training absolvierten bzw. Feldarbeit leisteten sowie Pferde der Staatspolizei, die in der Öffentlichkeit eingesetzt wurden mit Wildpferden aus freier Wildbahn verglichen. Zuvor wurden akute und chronische Krankheiten ausgeschlossen.
Die Tests, die nach einem standardisierten Verfahren und mit einer erstmals für diesen Zweck eingesetzten Analysemethode durchgeführt wurden, führten zu unerwarteten Ergebnissen: Das Wohlbefinden von Pferden in freier Wildbahn ist geringer, als das von Pferden, die im Stall leben und einer Arbeit nachgehen. „Wir haben herausgefunden, dass der Cortisolspiegel in der Gruppe der in freier Wildbahn lebenden Pferde höher war, als in den beiden Gruppen, die im Stall gehalten wurden und intensive Arbeitstätigkeiten verrichteten. Dies widerspricht der Meinung, dass ein freilebendes Tier ein höheres Wohlbefinden hat, als ein von Menschen artgerecht gehaltenes Arbeitstier“, so Cerasoli. Mit anderen Worten, die Stressfaktoren, die durch eine artgerechte Haltung ausgelöst werden, wirken sich weniger stark aus, als Stressquellen in der freien Wildbahn – wie etwa Fressfeinde und die Suche nach Nahrung und Wasser.
„Unsere Studie zeigt, dass die von der Staatspolizei verwalteten Tiere, obwohl sie einer Arbeit oder dem Dienst an der öffentlichen Ordnung unterworfen sind – einer Tätigkeit, die vermutlich reich an Stressfaktoren ist – niedrigere Cortisolwerte aufweisen. Wir kommen zu dem Schluss, dass eine ordnungsgemäße Haltung durch den Menschen dem Wohlbefinden der Pferde eher zuträglich ist, als eine reine Naturhaltung“. Die Wissenschaftler hoffen nun, dass die Untersuchungstechnik auch auf andere Tierarten angewendet wird und das Wohlergehen von domestizierten Tieren weiter in den Fokus der Forschung gerückt wird.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung des Istituto Zooprofilattico Sperimentale dell'Abruzzo e del Molise. Hier findet ihr die Originalpublikation.
Bildquelle: Marylou Fortier, unsplash.