Die Transkranielle Pulsstimulation (TPS) wird als neue, scheinbar „bahnbrechende“ kostenpflichtige Therapiemethode angepriesen. Das erscheint Experten zu verfrüht.
Die Alzheimer-Krankheit ist trotz intensiver Forschung bislang unheilbar. Sie zählt wie Parkinson oder Multiple Sklerose zu den neurodegenerativen Erkrankungen und zeichnet sich durch einen fortschreitenden Verlust von Nervenzellen aus. Dies führt zu einer Beeinträchtigung bestimmter Hirnfunktionen wie zunehmendem Gedächtnisverlust, Sprach- oder Bewegungsstörungen.
Forscher der Universitätsklinik für Neurologie in Wien haben gemeinsam mit der Storz Medical AG die Transkranielle Pulsstimulation (TPS) entwickelt. Die neue Therapie, die bereits umfangreich öffentlich beworben wird, soll die Regeneration des Gehirns stimulieren. Laut Aussage der Studienautoren ist es damit „weltweit erstmalig möglich, mit einem Ultraschall-Puls direkt am Schädelknochen, nicht invasiv, schmerzfrei und bei vollem Bewusstsein in alle Bereiche des Gehirns vorzudringen und dort ganz gezielt Hirnareale anzusteuern und diese zu aktivieren“. Auf der Website der „Ärztlichen Interessensgemeinschaft Alzheimer-Demenz-Therapie“ und in einigen überregionalen Medienberichten in Deutschland wird die Methode als „wirksam und sicher“ sowie „bahnbrechend“ bezeichnet. Im deutschsprachigen Raum gibt es bereits mehr als 42 Behandlungsstandorte, 33 davon in Deutschland.
Die Transkranielle Pulsstimulation (TPS) ist eine gepulste ultraschallbasierte Methode zur nicht invasiven Stimulation des Gehirns. Eine spezielle Ultraschallsonde emittiert sehr kurze (30 µs) Ultraschallpulse mit einer typischen Frequenz von 5 Hz. Dem TPS-Konzept liegt eine mehr als zehnjährige Forschungstätigkeit der Arbeitsgruppe um Prof. Roland Beisteiner von der Universitätsklinik für Neurologie und Psychiatrie der Medizinischen Universität Wien zugrunde. Seit 2019 wurden die Forschungsdaten zur TPS in sechs wissenschaftlichen Publikationen veröffentlicht.
Vier der Studien beruhen auf Untersuchungen an ein und derselben kleinen Kohorte aus 35 Probanden mit wahrscheinlicher Alzheimer-Erkrankung. Diesen wurde die TPS über 2–4 Wochen (3 Sitzungen pro Woche, 6000 Pulse/Sitzung, Stimulation von individuell festgelegten Regionen des „Alzheimer-Netzwerks“ inklusive des dorsolateralen präfrontalen Kortex und des Default Mode Netzwerks) appliziert. Darüber hinaus konnten die Wissenschaftler signifikante positive Wirkungen auf neurokognitive Leistungen beobachten, die über 3 Wochen stabil anhielten. Gemessen wurden diese mit einer standardisierten neuropsychologischen Testbatterie zur Erfassung kognitiver Defizite bei Alzheimer-Patienten (CERAD, Consortium to Establish a Registry for Alzheimer’s Disease, korrigierter Gesamtscore). Allerdings wurden neben positiven Effekten in den kognitiven Domänen „Gedächtnis“ und „verbale Funktionen“ auch negative Effekte auf visuo-konstruktive Leistungen beobachtet. Drei weitere Publikationen der Arbeitsgruppe beziehen sich auf Sekundäranalysen von Daten dieser Primärstudie (hier und hier).
Trotz interessanter Ergebnisse: Zahlreiche Kritiker, darunter die Selbsthilfeorganisation Deutsche Alzheimer Gesellschaft und Wissenschaftler unterschiedlicher Universitäten, zweifeln an der Aussagekraft der Studien und an der (Langzeit-)Wirkung der neuen Therapie. Auch die DGKN sieht die neue Methode auf Basis der aktuellen Datenlage kritisch:
Prof. Ziemann fasst das Fazit und die Bewertung der DGKN wie folgt zusammen: „Sieht man sich die publizierten Studien im Detail an, so gibt es derzeit definitiv noch keine ausreichende Evidenz für die Wirksamkeit der neuen Methode. Für einen Wirksamkeitsnachweis der neuen Therapie sind placebokontrollierte, randomisierte verblindete Studien mit höherer Patientenzahl und längerer Nachbeobachtungszeit erforderlich. Es ist daher aktuell nicht gerechtfertigt, TPS als neue effektive Therapieform der Alzheimer-Erkrankung oder anderer Erkrankungen des Gehirns anzusehen und zu bewerben.“
Der Beitrag basiert auf einer Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und Funktionelle Bildgebung (DGKN).
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