Bei welchem meiner Patienten mit Depression verspricht eine Verhaltenstherapie den gewünschten Erfolg? Ein Rechenmodell könnte diese Frage in Zukunft beantworten.
Jährlich sind weltweit mehr als 300 Millionen Menschen von Depressionen betroffen. Folglich gibt es großes Interesse an Geräten, welche die psychische Gesundheit, z.B. durch die Messung von Markern wie Aktivitätsniveau, Schlaf und Herzfrequenz, überwachen.
Ein Forscherteam der Washington University in St. Louis und der University of Illinois Chicago, USA, nutzte Daten tragbarer Geräte, um Vorhersagen über die Behandlungsergebnisse bei Personen mit Depressionen zu treffen. Die Forschungsergebnisse wurden in Proceedings of the ACM on Interactive, Model, Wearable and Ubiquitous Technologies veröffentlicht.
Die Forscher entwickelten ein Modell für maschinelles Lernen, das die Daten von zwei Patienten-Gruppen analysiert: denjenigen, die nach dem Zufallsprinzip für eine Behandlung ausgewählt wurden und denjenigen, die keine Behandlung erhielten. Das vereinheitlichte Modell ist ein Schritt in Richtung personalisierte Medizin, bei der Ärzte einen auf die Bedürfnisse jedes Patienten zugeschnittenen Behandlungsplan erstellen und die Ergebnisse auf der Grundlage der individuellen Daten vorhersagen können.
Chenyang Lu, Professor an der McKelvey School of Engineering, leitete ein Team, welches das Modell anhand von Daten aus einer randomisierten klinischen Studie entwickelte, an der etwa 100 Erwachsene mit Depressionen und Fettleibigkeit teilnahmen.
„Eine integrierte Verhaltenstherapie kann teuer und zeitaufwändig sein“, so Lu. „Wenn wir personalisierte Vorhersagen darüber treffen können, ob ein Patient wahrscheinlich auf eine bestimmte Behandlung anspricht, können die Patienten die Behandlung nur dann fortsetzen, wenn das Modell vorhersagt, dass sich ihr Zustand mit der Behandlung wahrscheinlich verbessert, aber ohne Behandlung weniger wahrscheinlich ist. Solche personalisierten Vorhersagen über das Ansprechen auf eine Behandlung werden eine gezieltere und kostengünstigere Therapie ermöglichen.“
In der Studie wurden den Patienten Fitbit-Armbänder angelegt und psychologische Tests durchgeführt. Etwa zwei Drittel der Patienten erhielten eine Verhaltenstherapie, die übrigen nicht. Die Patienten beider Gruppen waren zu Beginn der Studie statistisch gesehen ähnlich, so dass die Forscher auf der Grundlage der individuellen Daten feststellen konnten, ob die Behandlung zu besseren Ergebnissen führt.
Klinische Studien zu Verhaltenstherapien umfassen aufgrund der Kosten und der Dauer solcher Interventionen häufig relativ kleine Kohorten. Die geringe Anzahl von Patienten stellte eine Herausforderung für ein maschinelles Lernmodell dar, das in der Regel mit einer größeren Anzahl von Daten bessere Ergebnisse erzielt. Durch die Kombination der Daten der beiden Gruppen konnte das Modell jedoch aus einem größeren Datensatz lernen, der die Unterschiede zwischen denjenigen, die sich einer Behandlung unterzogen hatten, und denjenigen, die dies nicht taten, erfasste. Sie fanden heraus, dass ihr Multitasking-Modell die Depressionsergebnisse besser vorhersagte als ein Modell, das jede der beiden Gruppen separat betrachtete.
„Wir leisteten Pionierarbeit bei der Entwicklung eines Multitasking-Modells, das die Interventionsgruppe und die Kontrollgruppe in einer randomisierten Kontrollstudie kombiniert, um gemeinsam ein einheitliches Modell zu trainieren, das die personalisierten Ergebnisse einer Person mit und ohne Behandlung vorhersagt“, so Ruixuan Dai, der als Doktorand in Lus Labor arbeitete und jetzt Software-Ingenieur ist. „Das Modell integriert die klinischen Merkmale und die Daten in eine mehrschichtige Architektur. Dieser Ansatz vermeidet die Aufteilung der Studienkohorten in kleinere Gruppen und ermöglicht einen dynamischen Wissenstransfer zwischen den Gruppen, um die Vorhersageleistung sowohl für Patienten mit als auch ohne Behandlung zu optimieren.“
„Die Implikationen dieses datengesteuerten Ansatzes reichen über randomisierte klinische Studien hinaus – bis hin zur Umsetzung in der klinischen Versorgung, wo die Fähigkeit, eine personalisierte Vorhersage der Patientenergebnisse in Abhängigkeit von der erhaltenen Behandlung zu treffen – und zwar frühzeitig im Behandlungsverlauf – die gemeinsame Entscheidungsfindung von Patient und behandelndem Arzt sinnvoll unterstützen könnte, um den Behandlungsplan für diesen Patienten anzupassen“, erklärt der Mediziner Jun Ma, Professor an der University of Illinois Chicago (UIC).
Der Ansatz des maschinellen Lernens ist ein vielversprechendes Instrument zur Erstellung personalisierter Vorhersagemodelle auf der Grundlage von Daten aus randomisierten kontrollierten Studien. Für die Zukunft plant das Team, den Ansatz des maschinellen Lernens in einer neuen randomisierten kontrollierten Studie zu telemedizinischen Verhaltensinterventionen unter Verwendung von Fitbit-Armbändern und Gewichtswaagen bei Patienten im Rahmen einer Studie zur Gewichtsreduktion einzusetzen.
Dieser Beitrag basiert auf einer Pressemitteilung der Washington University in St. Louis. Die Publikation haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Eutah Mizushima, unsplash