Mit Acetazolamid bekommt das Schleifendiuretikum Furosemid einen starken Partner an die Seite. Eine aktuelle Studie zeigt: Patienten sind mit der Kombi kürzer im Krankenhaus und haben weniger Rückfälle.
Kardiale Dekompensation ist sicher eine der häufigsten Diagnosen unserer Patienten in der Notaufnahme. Wie wir alle wissen, jedoch spätestens seit Aurelias Artikel, ist Furosemid nicht das eine Allheilmittel für alles mit dicken Beinen. Im Gegenteil. Aber was können wir tun, wenn die Patienten fertig diagnostiziert sind, einen verifizierten Volumenüberschuss haben und die Initialphase überstanden ist?
Häufig führt die initiale Gabe von Furosemid i. v. zu einer leichten Besserung und vor allen Dingen zu einer erhöhten Diurese. Genauso oft bleibt es aber dann bei einer persistierenden Überwässerung beziehungsweise es wird trotz Therapie nicht wirklich besser. Viele Patienten werden mit ähnlichem Ausgangsgewicht wieder aus dem Krankenhaus entlassen, eine sichere oder längerfristige Senkung des Gewichts ist oft nicht möglich. Eine Alternative ist die sequenzielle Nephronblockade, die relativ aggressiv eine forcierte Diurese ermöglicht. Die Kombination aus Furosemid und Xipamid ist der Klassiker, aber sicher etwas für die wirklich schweren Fälle. Eine Alternative dazu haben Kollegen aus Belgien ausprobiert und neben Furosemid das Ganze um Acetazolamid ergänzt.
Auf dem letzten Kongress der ESC wurde jetzt der ADVOR-Trial vorgestellt. Die Kollegen haben relativ pragmatisch ihre Patienten in eine Gruppe mit und ohne Acetazolamid (verblindet, randomisiert) eingeteilt und sich angeschaut, wie sich stationäre Aufenthaltsdauer, Entlassungsgewicht und ähnliche Endpunkte verhalten. Rund 500 Patienten wurden in 2 Gruppen randomisiert, begleitend hat man sie noch nach Pumpfunktion (EF >/< 40 %) stratifiziert.
Um das im Alltag aber umzusetzen und/oder die Ergebnisse einschätzen zu können, sollte das Studiendesign genauer unter die Lupe genommen werden: Es wurden Patienten mit gesicherter kardialer Dekompensation und Volumenüberladung eingeschlossen. Ausgeschlossen wurden Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz sowie verschiedenen Begleitmedikamenten – die Einnahme eines SGLT-2-Hemmers war nicht gestattet. Die basale Furosemid-Gabe bestand aus einer Einzeldosis am Randomisierungstag, gefolgt von zweimaliger Dosis an den Folgetagen. Je nach Randomisierung wurde dies um Acetazolamid 500 mg einmal täglich ergänzt. Eine weitere Stratifizierung erfolgte nach der Pumpfunktion, hier war der Cut-Off 40 %.
Wie wir schon öfter dargestellt haben, ist eine kardiale Dekompensation ohne Nachweis einer Volumenüberladung nicht sinnvoll durch Fusosemid mitzubehandeln, daher musste eine Volumenretention erst nachgewiesen werden. Puh, endlich eine Runde POCUS: Die Überwässerung wurde über Ultraschall – beziehungsweise die klinische Diagnose – festgestellt. Überwässerung galt als bewiesen bei Beinödemen, Pleuraerguss oder Aszites.
Dies wurde sogar quantitativ bewertet: Ödeme ergaben 4 Punkte, Pleuraerguss oder Aszites ergaben je 3 Punkte, sodass maximal 10 Punkte erreicht werden konnten. Primärer Endpunkt waren die Rekompensation im Sinne der Abwesenheit der vorher festgelegten Zeichen der Volumenüberladung, alternativ keine Notwendigkeit der Therapieeskalation. Sekundäre Endpunkte waren Tod oder Wiederaufnahme ins Krankenhaus innerhalb von 3 Monaten. Diagnosesicherung der Herzinsuffizienz erfolgte über die Bestimmung von BNP: BNP größer 250 oder NT proBNP größer 1000 *insert random Einheit here* galten als beweisend für eine Herzinsuffizienz.
In der Verum-Gruppe zeigte sich eine deutlich höhere Quote an Rekompensation: Acetazolamid 42,2 % vs. Placebo 30,5 %. Auch in der Quote der sekundären Endpunkte zeigt sich ein kleiner Vorteil für Acetazolamid (29,7 % gegenüber Placebo (27,8 %) – allerdings nicht statistisch signifikant.
Ein wichtiger, patientenorientierter Outcome ist die Dauer des Aufenthalts im Krankenhaus. Dieser konnte mit Acetazolamid um gut einen Tag gesenkt werden – von 9,9 Tagen in der Placebo Gruppe auf 8,8 Tage in der Interventionsgruppe. Ein weiteres Ergebnis war die erhöhte Urinproduktion in der Acetazolamid-Gruppe, aber das ist wohl eher ein Ergebnis für die Tribüne. Erstens ist zu erwarten, dass diese Patienten mehr ausscheiden, auf der anderen Seite wissen wir, dass die reine Urinproduktion per se hier sicher noch kein beweisender Hinweis für eine Verbesserung der Gesamtsituation ist.
In der Therapie der kardialen Dekompensation ist die Ergänzung von Acetazolamid sicher ein guter Ansatz für Patienten zwischen „wird mit Furosemid schon gut“ und der aggressiven, sequenziellen Nephron-Blockade.
Allerdings ist bei eingeschränkten Kriterien für die Auswahl der Patienten dies sicher nicht auf alle Menschen (schon) übertragbar. Hier müssen wir noch auf weitere Daten warten, insbesondere da viele unserer Patienten SGLT-2-Inhibitoren bekommen. Ein weiterer, berechtigter Kritikpunkt an der Studie ist, dass primär weiße/kaukasische Patienten eingeschlossen wurden. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass das Ergebnis in anderen Gegenden der Erde eventuell ein anderes gewesen wäre. Zuletzt ist die Dosierung des Furosemid auch angreifbar, hier wäre im normalen Alltag noch durchaus eine Eskalation denkbar gewesen.
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Bildquelle: Andrea Sánchez, unsplash.