Das Gehirn ist nicht genau spiegelbildlich aufgeteilt. Doch eine schlechte Funktionsverteilung kann zu psychischen Erkrankungen führen. Wissenschaftler untersuchten nun, ob die Asymmetrie genetisch bedingt ist.
Auf den ersten Blick sieht der menschliche Körper symmetrisch aus. So auch das Gehirn: Es ist in zwei gleich große Hälften geteilt. Dennoch sind beide Hemisphären auf unterschiedliche Funktionen spezialisiert. So wird beispielsweise die Aufmerksamkeit überwiegend in der rechten Hemisphäre verarbeitet, die Sprache überwiegend in der linken. Diese Lateralisation – also die Tendenz, Funktionen in einer bestimmten Hirnhälfte zu verarbeiten – ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich ausgeprägt.
Dies kann Auswirkungen auf Fähigkeiten haben – Wissenschaftler vermuten z. B. einen Zusammenhang zwischen einer schwachen Aufgabenteilung beider Hirnhälften und Krankheiten wie Schizophrenie und Autismus-Spektrum-Störungen. Bislang war jedoch unklar, welche Unterschiede in der Hirnasymmetrie vererbbar sind und welche Unterschiede sich im Laufe der Entwicklung von allein bilden.
Wissenschaftler untersuchten daher, wie sich Asymmetrien entlang von Achsen in der Großhirnrinde – an der sich die Hirnfunktionen anordnen – entwickeln. Dazu verglichen sie Hirnscans von Menschen, vornehmlich Zwillingen, und Makaken, um evolutionsbedingte Veränderungen festzustellen. Das Ergebnis: Tatsächlich gab es feine Unterschiede, wie Hirnregionen unterschiedliche Funktionen auf der linken und rechten Seite aufreihen.
Auf der linken Seite sind es die Regionen zur Sprachverarbeitung, die am weitesten entfernt von denen für Sehen und Wahrnehmung liegen. Auf der rechten Seite befindet sich hingegen das Netzwerk für Aufmerksamkeit und Arbeitsgedächtnis am weitesten entfernt von den sensorischen Regionen. Zudem zeigte sich: Die individuellen Unterschiede in dieser Anordnung sind zum Teil genetisch bedingt und somit vererbbar.
Ein Großteil dieser Asymmetrie im menschlichen Gehirn lässt sich hingegen nicht durch genetische Faktoren erklären. „Vermutlich ergibt sich die Asymmetrie unseres Gehirns aus genetischen Faktoren und persönlichen Erfahrungen“, erklärt Studienautor Bin Wan. „Wenn wir verstehen, wie Asymmetrie vererbt wird, lässt sich auch besser einschätzen, welche Bedeutung genetische und umweltbedingte Faktoren generell haben“, fährt Hirnforscherin Sofie Valk fort.
Das Forscherteam plant nun weitere Untersuchungen, um die funktionsbedingten Störungen in den Hirnregionen zu verstehen. „Vielleicht können wir nun herausfinden, wo etwas schiefläuft, wenn genau dieser Unterschied zwischen links und rechts gestört ist“, so Valk.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften. Die Originalpublikation findet ihr hier.
Bildquelle: Nikolai Chernichenko, unsplash