AFFENPOCKEN-KLARTEXT | In der Praxis kann sich die Symptomatik aller drei Erkrankungen ähneln. Wie ihr die Affenpocken sicher erkennt und was ihr sonst noch wissen solltet, lest ihr in unserer Sprechstunde.
In der aktuellen Sprechstunde von DocCheck Experts ging es um das Thema Affenpocken. Unsere Sprechstunde mit dem Experten fand auch diesmal wieder als Live-Stream via Zoom statt. Mertcan Usluer hat das Ganze moderiert und eure Fragen an unsere Expertin Dr. Nazifa Qurishi gestellt. Den ersten Teil unserer Reihe, in dem es um die Übertragung und Symptome geht, könnt ihr hier nachlesen – oder euch als Video anschauen.
Von Pocken hat jeder schon mal gehört. Aber es gibt Menschen, die gar nicht mehr gegen Pocken in Deutschland oder überhaupt weltweit geimpft sind, weil das eine ausgerottete Krankheit ist. Wohingegen Affenpocken im Prinzip eine milde Form der Krankheit ist, die – deshalb heißt es auch Affenpocken – eben von Tier auf Mensch übertragen wurde. Affen sind dafür Fehlwirte und der Hauptursprungsort ist Westafrika und Zentralafrika.
Anfang Mai kamen die ersten Pockenfälle in Europa auf und schon kamen tatsächlich die ersten Fälle zu uns in die Praxis. Ich musste mich auch ein bisschen in die Materie einarbeiten, denn ich hatte bis Mai 2022 von den Fällen oder der Affenpockenkrankheit nichts gehört. Epidemiologisch muss man dazu sagen, dass der Ursprung Westafrika und Zentralafrika ist, da gab es das schon vorher. 2003 gab es erstmals Fälle, die außerhalb von Afrika nachgewiesen wurden und zwar durch Import von Nagetieren aus Afrika in die USA. Da hatten sich diese Tierhalter daran infiziert. Aber insgesamt ist das mild verlaufen und keiner ist daran gestorben. Und jetzt haben wir seit Mai 2022 insgesamt weltweit 11.000 Fälle. Und hier in Deutschland? Ich habe heute mal geguckt, auf der Seite vom Robert Koch-Institut – 3.615 Fälle, die jetzt in Deutschland registriert sind. Es ist eine meldepflichtige Krankheit, aber ich denke, wir können damit ganz gut umgehen inzwischen.
Die Gattung von Orthopoxviren wurde das erste Mal bei den Affen nachgewiesen. Dann gab es die Übertragung auf den Menschen und inzwischen haben wir Übertragungen von Mensch zu Mensch durch engen Kontakt. Zum Glück ist allerdings die Krankheit im Gegensatz zu Pocken selbst oder der Verlauf deutlich milder. Das heißt, es ist eine symptomatische Therapie bei milder Form indiziert und in der Regel heilt das fast immer mit Narben aus. Aber es ist tatsächlich eine heilbare Krankheit.
Klassisches Symptombild ist der Hautausschlag. Doch es gibt auch Menschen, die den Hautausschlag, aber nicht die allgemeine Symptomatik haben, also zum Beispiel Fieber, Lymphknotenschwellung, Abgeschlagenheit, Gliederschmerzen, Kopfschmerzen. Das könnte auch eine Corona-Infektion sein, aber meistens fehlen die Symptome der oberen Atemwege. Der Hautausschlag kann ein Fleck sein, langsam erhaben sein und es kann dann zu Schorfbildung und Krusten kommen. Dann heilt das Ganze ab. Von Anfang an sind diese Knötchen oder diese Veränderungen auf der Haut infektiös, gerade durch die Flüssigkeit darin bis zu dem Schorf, der sich oben drauf bildet. Alles ist hochinfektiös und daher infizieren sich die Leute dann auch sehr schnell mit dem Virus. Was an dieser Stelle sehr wichtig ist: Gerade im Mund und an den Mundschleimhäuten sieht man diese Veränderungen natürlich nicht, die man auf der Haut sieht. Und da kann es dann unwissentlich auch zu Übertragungen kommen.
Die Übertragung erfolgt durch ganz engen Kontakt von Mensch zu Mensch, das heißt durch sexuellen Kontakt, aber zum Beispiel auch in der Familie: Der Vater ist krank, hat das Kind im Arm, dann überträgt es sich auch über die Veränderungen auf der Haut. Da reichen schon ganz kleine Bagatellverletzungen am Körper des gesunden Menschen aus, um das Virus zu bekommen.
In 98 % aller Fälle, die in Deutschland im Moment registriert sind, war die Ansteckung bei sexuellem Kontakt zwischen Menschen, vor allem bei Männern, die Sex mit Männern haben. Es ist aber auch bei 18 Frauen und zwei Kindern nachgewiesen. Das heißt: ganz enger Kontakt, sei es jetzt Mann mit Mann, Mann mit Frau, Mutter zu Kind, Vater zu Kind und so weiter. Das ist dieser enge Kontakt mit den Pusteln, mit den Veränderungen auf der Haut oder über die Schleimhäute.
Nein, zum Glück ist das genauso wie bei den Pocken. Man ist dagegen immun und benötigt erstmal keine weiteren Impfungen oder Schutz-Prophylaxe.
Das ist wie bei jeder anderen Viruserkrankung. Schwere Verläufe sehen wir natürlich bei Menschen mit Immundefekt, bei älteren Menschen, bei Kindern und zum Teil gibt es auch einzelne Todesfälle, auch inzwischen aus Europa. Gerade diese Menschen mit schwachem Immunsystem, älteren Menschen, da wird auf jeden Fall schon mal eine entsprechende Prophylaxe empfohlen.
Die meisten kommen mit unspezifischen Symptomen. Wenn Veränderungen auf der Haut vorhanden sind, gibt es die Möglichkeit eines Abstriches – sowohl von der kleinen Blase, die sich gebildet hat, als auch vom Schorf. Den Abstrich schicken wir dann ins Labor und es wird mittels PCR die Diagnose im Labor gestellt. Das sind spezialisierte Labore. Man benötigt aufgrund der hohen Kontagiosität ein S3-Labor.
Man kann eine Reiseanamnese erheben oder aber auch eine Anamnese darüber, ob in den letzten Tagen bzw. Wochen Kontakt zu jemandem stattgefunden hat, der eventuell erkrankt war, der vielleicht ähnliche Symptome hatte, wie Hautausschlag. Die Inkubationszeit ist ja sehr unterschiedlich. Es gibt sogar bei ca. 10–17 % der Fälle eine Inkubationszeit von lediglich 1 bis 2 Tagen. Da kamen die Symptome also relativ rasch zum Vorschein. Aber bis zu zwei Wochen kann die Inkubationszeit auch dauern. Das bedeutet, man muss in dieser Zeitspanne gucken: Gab es da Kontakte, die eventuell für die Stellung der Verdachtsdiagnose hilfreich sein können?
Ja, sowohl das Labor meldet das beim zuständigen Gesundheitsamt als auch wir Behandler. Das Gesundheitsamt wiederum meldet das dann weiter, sodass dann die Fälle beim Robert-Koch-Institut ankommen und epidemiologische Daten erhoben werden können.
Vor der Therapie muss man dem Patienten sagen, dass wir eine Verdachtsdiagnose haben und dass der Patient sich in Isolation begeben muss. Isolation ist tatsächlich nicht nur eine Woche oder zehn Tage, sondern 21 Tage. Auch sämtliche Kontaktpersonen werden abgefragt und kontaktiert bzw. der Patient macht das selber. Und weil die meisten eher einen milden Verlauf haben, wird eine symptomatische Therapie durchgeführt. Man muss auch die Hygiene beachten, damit sich gerade diese kleinen offenen Stellen nicht bakteriell superinfizieren, weil dann muss man vielleicht ein Antibiotikum geben.
Die Veränderungen auf der Haut sind schmerzhaft und sehr unangenehm. Umso wichtiger ist die Behandlung. Man kennt das von Herpes, da macht man mit Zinksalbe gute Erfahrungen. Damit trocknen die Bläschen sehr schnell ab. Die heilen zwar immer mit Narben ab, aber die Veränderungen heilen immer gut ab. Und das ist zum Glück der Normalfall: jemand, der leichte Beschwerden hat und eben nicht schwer erkrankt ist.
Wir machen natürlich alles individuell. Man macht nicht einfach eine pauschale Therapie, das kann auch mal eine Gürtelrose sein, sondern für mich ist einfach bei jeder Verdachtsdiagnose der Abstrich gefragt. Das heißt, wir machen immer einen Abstrich, schicken den Patienten erstmal nach Hause und das Material ins Labor. Nach zwei Tagen ist im Idealfall das Ergebnis da und wir können dann den Patienten sofort telefonisch informieren. Sollte dann der Befund tatsächlich auch positiv sein, dann besprechen wir mit dem Patienten, was zu tun ist.
Isolation für drei Wochen wird vorgeschrieben ab Symptombeginn. Und bei denen, die keine Symptome haben und wir machen trotzdem einen Abstrich, z. B. bei Kontaktpersonen, dann eben vom Tag des Abstrichs. Wir haben auch einen sehr guten Impfstoff, den wir fleißig verabreichen als Postexpositionsprophylaxe. Und das funktioniert ganz gut. Das heißt, diese Leute kommen von sich aus in die Praxis und sagen, dass sie Kontakt zu dieser infizierten Person hatten, die im Moment positiv getestet ist. Diese Leute bekommen dann die Impfung, damit es gar nicht erst zu Symptomen kommt.
Im Worst Case gibt es für diese Leute eine antivirale Therapie. Die Therapiedauer ist insgesamt 14 Tage. Das ist das Mittel Tecovirimat, das in Europa zugelassen ist. Ich habe mitbekommen, dass das ein bisschen schwer zu beziehen ist, aber es ist auf jeden Fall möglich, das Präparat Menschen zu geben, die schwerwiegende Symptome haben. Und das sind meist Menschen mit Immundefekt oder schwachem Immunsystem und auch für Kinder ist das möglich. Das Präparat ist bei einem Gewicht über 13 Kilo zugelassen und beziehbar über die Apotheke.
Nochmal ganz wichtig ist der Hautausschlag, gerade wenn er nodulär ist. Darin befinden sich hochvirulente Viren. Wenn der Patient damit irgendwo in Kontakt kommt, muss natürlich eine Flächendesinfektion stattfinden, zum Beispiel mit der Liege in der Praxis. Dann muss man eben aufpassen und entsprechend eine anschließende Wischdesinfektion durchführen. Wir machen in der Praxis die Abstriche tatsächlich nicht in jedem Raum. Da passen wir natürlich auf, dass es in einem bestimmten Raum stattfindet, damit es auch keine Übertragung auf andere Patienten gibt. Und das Gleiche muss man auch zu Hause machen.