Zu viel Zucker schadet den Zähnen, macht dick und erhöht das Risiko für Diabetes. Jedes Kind sollte das wissen. Doch wie bringt man ihnen das am besten bei?
Die Verführung ist allgegenwärtig: Nach Angaben der Industrie lag das Angebot der in Deutschland hergestellten und nach Deutschland eingeführten Süßwaren und Knabberartikel im letzten Jahr 2021 bei knapp 2,7 Millionen Tonnen, der Umsatz stieg sogar um 2,1 Prozent deutlich an und betrug 9,2 Milliarden Euro. Zum letzten Weihnachten wurden 103 Millionen Schoko-Weihnachtsmänner verkauft, das diesjährige Osterfest haben sich die Deutschen mit 119 Millionen Schoko-Osterhasen versüßt.
Die Corona-Pandemie bescherte vielen Familien gleich zwei zusätzliche Probleme, berichtet die Stiftung Kindergesundheit. Zum einen verbrachte jedes dritte Kind pro Tag vier Stunden und mehr vor einem Bildschirm oder Display. Zum anderen gab jedes fünfte Kind an, etwas bis viel mehr Süßigkeiten als vor der COVID-19-Pandemie genascht zu haben.
Generell gilt: Je höher der tägliche Zuckerkonsum, umso größer die nachteiligen Auswirkungen auf die Gesundheit, auf die Zähne und auf das Gewicht. Die WHO empfiehlt, maximal zehn Prozent der täglichen Energieaufnahme aus Süßigkeiten, Knabberartikeln und Süßgetränken, ideal sogar nur fünf Prozent. „Das ist aber viel weniger, als die meisten Eltern glauben und viele Kinder tatsächlich konsumieren“, sagt Kinder- und Jugendarzt Prof. Berthold Koletzko, Vorsitzender der Stiftung Kindergesundheit. „Bei einem vier bis sechsjährigen Kind ist die empfohlene Höchstmenge schon mit einer einzigen Kugel Eis und zwei Butterkeksen erreicht.“
In Deutschland nehmen Kinder und Jugendliche im Alter von 3 bis 18 Jahren 16,3 Prozent ihrer Energiezufuhr aus freien Zuckern auf. Die Folgen zeigen sich auf der Waage: 15 Prozent der Kinder sind übergewichtig, 6,3 Prozent gelten bereits als fettleibig.
„Die Vorliebe aller Menschen für Süßes besteht von der Geburt an“, berichtet Koletzko: „Sie wird schon durch den leicht süßen Geschmack der Muttermilch oder der Babynahrung geprägt.“ Seit je gilt in aller Welt der Begriff „süß“ auch für „lieb“ und „geliebt“. Kinder lieben also Süßes, zu viel ist aber ungesund – damit ist der Konflikt programmiert, egal, wie sich Eltern verhalten. Ob sie ihren Kindern Süßigkeiten geben oder sie ihnen vorenthalten, immer haben sie ein schlechtes Gefühl dabei. Wie findet man den Weg aus diesem Dilemma?
Genauso wie Kinder lernen müssen, dass man vor dem Überqueren der Straße erst nach links und rechts schaut, sollte man ihnen schon früh erklären, dass zu viel Süßes ihren Zähnen schaden kann. Karies ist keine harmlose Erkrankung, betont die Stiftung Kindergesundheit. Er verursacht Schmerzen und kann bei Kindern zu Appetitverlust, Schlaflosigkeit und sogar Konzentrationsstörungen führen. Er ist jedoch vermeidbar.
Die Kosten sind immens. Die direkten und indirekten Kosten der durch übermäßigen Zuckerkonsum verursachten Zahnerkrankungen beliefen sich im Jahr 2010 weltweit auf 172 Milliarden US-Dollar. Für Deutschland wurden dabei pro Jahr und Person 210 Euro an Zahnbehandlungskosten errechnet.
Dabei kommt es für die Zähne nicht darauf an, wie viel Süßigkeiten ein Kind isst, sondern vor allem darauf, wie oft ein Kind am Tag Süßes zu sich nimmt. Kauen regt den Speichelfluss an, Speichel wiederum schützt den Zahnschmelz. Deshalb ist ein süßer Nachtisch nach einer Hauptmahlzeit, bei der kräftig gekaut wurde, weniger schädlich als eine Süßigkeit zwischendurch. Wirklich gefährlich ist leider ausgerechnet das, was die Kinder besonders mögen: Bonbons zum Lutschen, Gummibärchen oder süße Kaugummis zum Kauen. Süßigkeiten also, die nicht zu einer Hauptmahlzeit gegessen werden, sondern zwischendurch und die längere Zeit im Mund bleiben.
Verwandte und Bekannte, Großeltern und Tanten sollten in die Zuckerkontrolle mit einbezogen werden, unterstreicht die Stiftung Kindergesundheit. Sie sollten die häuslichen Regeln kennen. Süßigkeiten, die sie den Kindern schenken, sollten zusammen mit den anderen Vorräten des Kindes in einer besonderen Schublade aufbewahrt werden. Außerdem sollte man anregen, auf alternative Mitbringsel (z. B. Obst, Stifte, kleine Spiele, Kinderzeitschriften, Notizblöcke usw.) auszuweichen. Das gilt auch für den Inhalt der Schultüte.
In vielen abgepackten Lebensmitteln ist Zucker enthalten, oft sogar in großen Mengen –zu erkennen an der Endung „ose“. Tomatenketchup besteht zu 50 Prozent, Currysauce zu 17,9 Prozent, Dosenkraut zu 12,12 Prozent aus Zucker. Auch Kartoffelpuffer, Rauchwürste oder Leberpastete werden oft mit Zucker gewürzt.
Selbst Produkte ohne Zucker sind oft noch süß genug. Von dem Aufdruck „ohne Zuckerzusatz“ oder „zuckerfrei“ sollten sich Eltern nicht einlullen lassen, empfiehlt die Stiftung Kindergesundheit. Auch wenn ein Lebensmittel mit Saftkonzentraten aus Trauben und Obst oder mit Produkten aus der Stärkeverzuckerung (z. B. mit Maltodextrine) oder mit Honig gesüßt ist, hat es praktisch den gleichen Gesamtzuckergehalt wie entsprechende Lebensmittel mit Fabrikzucker. Der Gehalt an Kalorien ist ebenfalls gleich und damit auch der dickmachende Effekt: Dem Körper ist nämlich egal, ob er Zucker aus Rüben, Trauben, Honig, Obst oder Stärke verarbeitet. Das gilt auch für die Zähne.
Viele zuckerhaltige Lebensmittel lassen sich durch ungezuckerte Alternativen ersetzen. Hat das Kind Hunger, so bekommt es belegte Brote, Obst oder knackige Gemüse (z. B. Karotten). Beim Einkauf von Lebensmitteln sollte man auf die Einstufung beim kürzlich eingeführten Nutri-Score achten und bevorzugt grün (mit den Buchstaben A oder B gekennzeichnete Produkte) kaufen. Wenn es wirklich einmal etwas Süßes sein muss, sollte man auf die zahnschonenden Süßwaren ausweichen, die in immer größerer Auswahl angeboten werden. Sie werden meist mit sogenannten Zuckeraustauschstoffen gesüßt und sind auf der Verpackung mit der Marke „Zahnmännchen“ gekennzeichnet.
Mit Süßstoffen gesüßte Getränke und Lebensmittel sind dagegen wegen der begrenzten Datenlage über ihre Risiken für Kinder weniger empfehlenswert. Die beste Süßigkeit ist zweifelsfrei ein Stück frisches Obst.
„Kinder lieben nun einmal Süßes“, räumt Koletzko ein. „Kein vernünftiger Mensch käme deshalb auf den Gedanken, den Kindern alles Süße zu verbieten.“ Die Stiftung plädiert stattdessen dafür, in Familien von Anfang an feste Regeln im Umgang mit Süßigkeiten aufzustellen und so dem Kind zu helfen, sein eigenes Maß zu finden. Hier ein paar weitere Tipps an Eltern:
Übrigens: Ein sparsamerer Umgang mit Zucker könnte sich auch als willkommener Beitrag zur Bekämpfung der aktuellen Energiekrise entpuppen. Für die technische Gewinnung einer Tonne Zucker werden nämlich 900 Kilowattstunden Energie benötigt.
Dieser Beitrag basiert auf einer Pressemitteilung der Stiftung Kindergesundheit.
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