Eins muss man euch Ärzten lassen, eure Vorteile ausnutzen, das könnt ihr. Und gemeinsame Sache mit den KVen macht ihr auch – Hauptsache, gegen die Apotheken wettern. Aktuelles Beispiel: Die KV Hessen klagt gegen die pharmazeutischen Dienstleistungen.
Ärzte und Apotheker denken und handeln häufig komplett unterschiedlich. Auch wenn man natürlich nicht alle über einen Kamm scheren kann, sind Ärzte sicher grundsätzlich stolzer, bissiger und wissen ihr Potenzial besser auszuspielen – nicht nur in der Politik. Um das zu verdeutlichen, reicht ein kurzer Blick auf das, was beide Berufsgruppen aus den neuesten Möglichkeiten gemacht haben, die ihnen die Politik an die Hand gegeben hat: die pharmazeutischen Dienstleistungen auf der einen und die Dispensierung von Paxlovid® auf der anderen Seite.
Als großer Wurf für die Apothekerschaft wurden die neuen pharmazeutischen Dienstleistungen gefeiert und von Beginn an waren die Vertreter der Apotheker deshalb ärztlicherseits unter Beschuss. Besonders hervorgetan hat sich hier die KV Hessen mit einem regelrechten Kleinkrieg, der sich gegen die Apotheke vor Ort richtet, weil diese es wagt, die pharmazeutischen Dienstleistungen aktiv anzubieten. Ärzte wurden aufgefordert, „inkompetente Beratungen“ durch Apotheken zu dokumentieren und diese mit dem Entzug der Praxisbedarfs-Lieferungen abzustrafen. Auch das Aufstellen von Rezeptterminals in den hessischen Hausarztpraxen wurde erwogen. Wahrlich eine große Menge an Ärger, der sich hier über den Apotheker-Köpfen entladen hat.
Hat es sich wenigstens finanziell für die Apothekeninhaber gelohnt, die öffentlichen Schmähungen der hessischen KV – dass die Pharmazeuten sich während ihres Studiums beispielsweise „keine tieferen medizinischen Kenntnisse“ aneignen konnten – über sich ergehen zu lassen? Was steht nun auf der Haben-Seite, wenn man den ersten Auszahlungsbescheid betrachtet, der für die pharmazeutischen Dienstleistungen abgerechnet werden konnte? Überschlagen sich dort die Zahlen und machen die Apotheker reich? Die Antwort ist ernüchternd. Im Juni erhielten deutschlandweit ganze 89 Apotheken (von 18.000) für das zweite Quartal 2022 insgesamt 6.922,17 Euro. Das wird zwar sicherlich im Laufe der Zeit noch etwas mehr werden, doch ist diese Ausbeute schon beinahe erbärmlich zu nennen.
Woran liegts denn? Freuen sich die Pharmazeuten nicht über die Möglichkeiten? Doch, das tun sie mit Sicherheit. Was fehlt, ist schlicht in den meisten Fällen die Zeit und das Personal. Wo keine Zeit ist, die Patienten über das normale Maß hinaus zu beraten, da kann das Angebot noch so gut sein, es scheint einfach nicht leistbar zu sein. Die Besetzung der meisten kleineren Apotheken ist so dünn, dass es gerade einmal so reicht, um das normale Tagesgeschäft abzudecken und nicht für mehr.
Und – ändern die ersten Zahlen etwas am Ton der KV? Natürlich nicht, denn Frank Dastych, Vorstandschef der KV Hessen, ist immer für einen herablassenden und unsachlichen Kommentar gut. Neulich konnte man auf der Website des Deutschlandfunks erst wieder folgenden Satz lesen: „Schauen Sie doch mal in das Curriculum rein, was ein angehender Pharmazeut an der Uni so lernt. Und dann frage ich mich allen Ernstes: Würden Sie sich von so jemandem ein hochwirksames, unter Umständen auch nebenwirkungsreiches Arzneimittel verordnen lassen? Würden Sie das nehmen? Also ich kenne keinen Menschen, der halbwegs bei Verstand ist, der das machen würde.“ Die pharmazeutischen Dienstleistungen verleihen den Apothekern doch nicht das Recht und die Möglichkeit, Arzneimittel zu verordnen! Aber egal: Hauptsache, es wird innerhalb der Bevölkerung Stimmung gemacht und die Apothekerschaft verunglimpft.
Was ist auf der anderen Seite beim Paxlovid® passiert? Es wurde ja zunächst so selten verordnet, dass die Bundesregierung Angst davor hatte, dass ihnen das teure Arzneimittel verfällt. So kam man auf die Idee, den Ärzten das Dispensierrecht zu verleihen und sie für die Abgabe des einst ungeliebten Arzneimittels finanziell noch einmal extra zu belohnen. Pro Packung darf sich der Verordner jetzt 15 Euro on top anrechnen.
Das Ergebnis spricht für sich. Seit der Einführung des Medikamentes kam es kaum über die Grenze von 3.500 Packungen im Monat hinaus, nachdem die Ärzte für die Abgabe einen Obolus erhalten, ist die Anzahl ausgelieferter Therapieeinheiten Paxlovid® an Apotheken auf über 11.000 Packungen hochgeschnellt. Ob die Packungen auch an die entsprechende Klientel abgegeben wurden, oder, wie anekdotisch von einigen Apothekern berichtet wird, von manchen Praxen einfach an jeden Corona-Positiven über 18 Jahre verteilt wird, bleibt hier natürlich im Dunkeln. Chapeau, liebe Ärzte – Chancen nutzen, das könnt ihr offensichtlich besser als die Apotheker.
Haben die mickrigen Zahlen bei der ersten Auszahlung der pharmazeutischen Dienstleistungen die KV Hessen wieder etwas beruhigt? Es sieht nicht so aus, denn die KV hat per Eilantrag beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg jetzt sogar Klage eingereicht. Es wird nun von Seiten des Gerichts erst einmal darüber zu entscheiden sein, ob sie überhaupt zulässig ist, aber immerhin hat Dastych mit dieser Aktion kräftig die Werbetrommel für sich selbst gerührt. Fiel die Aktion doch just in die Zeit, in der die Mitglieder der KV Hessen ihre Stimme bei der Wahl zur Vertreterversammlung abgeben konnten und auch seine Wiederwahl steht an. Mit der großen Aggressivität, die er in den letzten Wochen gegen die Apothekerschaft gezeigt hat, ist er offenbar richtig gut angekommen und kann mit seinen Pfunden wuchern. Dastych ist eben Arzt, kein Apotheker.
Bildquelle: Andre Hunter, Unsplash
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