AFFENPOCKEN-KLARTEXT | Kann man trotz Immunität gegen Affenpocken stiller Überträger sein? Und lässt sich die Impfung gegen Affenpocken mit einer Covid-Impfung kombinieren? Ihr habt gefragt, unsere Expertin hat Antworten geliefert.
In der aktuellen Sprechstunde von DocCheck Experts ging es um das Thema Affenpocken. Unsere Sprechstunde mit dem Experten fand auch diesmal wieder als Live-Stream via Zoom statt. Mertcan Usluer hat das Ganze moderiert und eure Fragen an unsere Expertin Dr. Nazifa Qurishi gestellt. Hier kommt der zweite Teil unserer Reihe, in dem es um die Impfung gegen Affenpocken geht. Ihr könnt ihn nachlesen oder als Video anschauen.
Wir impfen schon seit Mitte Mai fleißig und es gibt auch eine sehr hohe Nachfrage. Seitens der STIKO wird der Impfstoff aktuell empfohlen für MSM, also Männer, die Sex mit Männern haben. Wir impfen auch Menschen, die bereits als Kind gegen Pocken geimpft worden sind, einmalig mit diesem Impfstoff.
Es besteht aus zwei Impfzyklen, das heißt, es wird einmal geimpft und dann nach vier Wochen nochmal. Aufgrund der Knappheit des Impfstoffes hat die STIKO empfohlen, erst mal alle einmalig zu impfen. Denn zwei Wochen nach der ersten Impfung hat man einen guten Schutz für circa zwei Jahre. Wir machen das bei uns in der Praxis so, dass wir alle Patienten, die eine Impfung erhalten und für eine zweite Impfung auch infrage kommen, entsprechend listen. Wenn wir genug Impfstoff haben, dann impfen wir alle auch ein zweites Mal.
Es ist ein Lebendimpfstoff, der in den Oberarm injiziert wird und gut verträglich ist. Es kann natürlich vorkommen, dass man am Oberarm Schmerzen oder eine Schwellung entwickelt, aber das ist nach spätestens 48 Stunden wieder weg. Es gab auch Personen, die ein bisschen Temperaturerhöhung hatten, aber das würde man auch nach einer Gelbfieberimpfung bekommen, weil alle diese Lebendimpfstoffe ein bisschen mehr Nebenwirkungen haben als Totimpfstoffe.
Ich muss an dieser Stelle auch sagen: Ich bin sehr froh, denn die Impfkampagne läuft in ganz Deutschland sehr gut. Bundesweit ist die Zahl der Affenpockenfälle runtergegangen und man sieht im Moment, dass die Zahlen weiter runtergehen – auch in unserer eigenen Praxis. Und man sieht einfach, Impfen hilft.
Insgesamt sind im Moment weltweit aus 69 Ländern 11.000 Fälle gemeldet [Anm. d. Red.: Frau Dr. Qurishi nennt an dieser Stelle den Stand von Juli 2022; aktuell (6. Oktober 2022) sind aus 107 Ländern insgesamt knapp 69.000 Fälle gemeldet.] Man sieht aber nicht nur, dass hier in Deutschland ein Plateau erreicht wurde. Natürlich muss man die Krankheit immer noch sehr, sehr ernst nehmen, aufgrund der hohen Virulenz. Insgesamt aber fallen die Zahlen überall. Und das ist sehr erfreulich. Und ich gehe davon aus, dass durch zunehmende Aufklärung und auch eben die Impfkampagnen, dass es insgesamt etwas ruhiger wird.
Nein, das ist genau, wie du sagst – ein Plan, um eine Erkrankung wieder einzudämmen. Wir haben ja jetzt Erfahrungen mit Corona. Wir wissen jetzt, wie das geht. Und deshalb ging das auch alles deutlich schneller. Es bedeutet nichts anderes als Eindämmung einer Krankheit, die, wenn man nichts weiter machen würde, tatsächlich sich überall verbreiten würde. Und die Eindämmung funktioniert eben sehr, sehr gut mit Hygienemaßnahmen, mit Isolation, mit Umgebungsabfrage.
Die Gesundheitsämter sind routiniert, die haben sozusagen das, was sie die ganze Zeit schon gemacht haben, einfach weitergemacht, nur für eine andere Erkrankung. Deshalb ging das Ganze deutlich schneller über die Bühne. Ich war schon sehr, sehr begeistert, in was für einer Schnelligkeit die Informationen in die Schwerpunkt-Praxen angekommen sind, wie schnell wir in der Lage waren, den Impfstoff zu bestellen. Da herrscht tatsächlich eine gewisse Routine. Wahrscheinlich wäre das nicht so schnell gewesen, wenn wir die Corona-Pandemie nicht hätten.
Man sieht den Klimawandel, wir haben es ja dieses Jahr erlebt, wie heiß es auch mal werden kann. Das waren ja wirklich tropische Verhältnisse. Wir wissen, dass bestimmte Mücken die Überträger von bestimmten Tropenkrankheiten sind und auch schon hier vor Ort sind. Natürlich kann man prophylaktisch sehr viel machen. Man muss nur gucken, welche Krankheiten eventuell mal doch die Reise von Afrika oder anderen Tropenländern in die europäischen Länder schaffen.
Wir haben sehr gute Infektiologen und wir haben sehr gute Praxen und Unikliniken, die wirklich auch kompetente Kollegen haben und rasch reagieren können. Und das werden wir wahrscheinlich müssen. Ich hoffe nicht, dass weitere Zoonosen oder Krankheiten hierhin kommen, aber man muss schon die Wahrscheinlichkeit ernst nehmen, oder? Vielleicht treten eines Tages auch mal in Deutschland die ersten Malariafälle auf.
Die ersten Symptome fangen schon damit an, dass man sich schlapp und und abgeschlagen fühlt. Gliederschmerzen kommen dazu, Kopfschmerzen also ein bisschen so, als hätte man den Beginn einer Corona-Infektion. Der Hautausschlag kommt relativ rasch, fängt an mit diesen ganz kleinen roten Flecken. Aus dem Fleck bildet sich dann ein Knötchen und dann ein Pustelchen. Und irgendwann sieht das aus wie ein Krater, der dann vernarbt abheilt. Das sind so diese Stadien, die von Tag 1 bis Tag 6, 7, 8 sich weiter entwickeln.
Es ist tatsächlich so, dass diese Veränderungen auf der Haut nicht jucken, sondern die schmerzen. Das tut weh. Das ist wirklich das erste, was einem dann auffällt. Meistens sagt man ja, ein Mückenstich oder ein Wespenstich juckt. Aber hier ist es tatsächlich so, dass es schmerzt. Dieser Schmerz sollte dann ein Alarmsignal sein, dass man sich mit solchen Veränderungen schnell beim Arzt vorstellen sollte. Was wir auch gesehen haben, sind diese Hautveränderungen im Intimbereich und da ist das natürlich auch sehr unangenehm und wahrscheinlich auch noch schmerzhafter. Dann bitte zum Infektiologen, zu einem Facharzt, der sich das anschaut und auch die Diagnostik einleitet.
Wir sind jetzt nicht bei Gürtelrose, wo man tatsächlich eine sogenannte Postzosterneuralgie entwickelt. Das ist ja etwas, was entlang der Nervenbahnen die Problematik verursacht. Hier haben wir es mit einem anderen Virus zu tun. Das läuft nicht entlang der Nervenbahnen, also macht keine „Postpockenneuralgie“, sondern hier hat man es tatsächlich mit Veränderungen auf der Haut zu tun, die, wenn die abheilen, bis auf eine kleine Narbe folgenlos bleiben. Man hat wahrscheinlich die kleinen kraterartige Narben, die übrig bleiben. Und das sehen wir jetzt auch bei unseren Patienten, die die Krankheit hinter sich haben.
Es fängt an in dem Moment, wo sich diese Bläschen bilden und darunter auch schon Flüssigkeit ist. Das ist schon hochkontagiös, sogar der Schorf, der dann anschließend kommt, ist ebenfalls kontagiös. Das muss man sehr, sehr ernst nehmen. Diese Veränderungen, die auf der Haut sind, sollten eben von niemandem einfach mal so berührt werden. Da reicht schon eine ganz kleine Mikroverletzungen aus, die man vielleicht mit bloßem Auge nicht sehen kann, damit das Virus von einem Menschen auf den anderen übertragen werden kann. Deshalb ist hier wirklich Vorsicht geboten.
Selbstverständlich muss man nach reisemedizinischen Impfungen schauen, die vielleicht notwendig sind für das Land, in das man reist. Was Affenpocken-Impfung betrifft, würde ich den entsprechenden Risikogruppen auf jeden Fall empfehlen, sich impfen zu lassen. Generell muss man vorsichtig sein und entsprechende Prophylaxe betreiben, Kontakte meiden, um sich im Ausland nicht anzustecken. Das kann man auf jeden Fall mit auf den Weg geben. Oder vielleicht lieber erst impfen lassen und dann verreisen. Wäre vielleicht besser.
Kinder haben per se ein schwaches Immunsystem, sind deswegen eher gefährdet. Die Impfung ist nicht für Kinder zugelassen aktuell. Man muss aber trotzdem aufpassen. Wir haben ja zwei Fälle in Deutschland, wo zwei Kinder unter 14 angesteckt worden sind. Aber alles ist zum Glück gut gegangen ohne schwerwiegende Folgen. Man muss einfach schauen als Eltern, wenn man erkrankt ist, dass man den engen Kontakt zum Kind meidet und erstmal lieber diagnostizieren lässt, was da sein kann, bevor man dann irgendwie doch den engen Kontakt zum Kind hat.
Ich erzähle mal einen Fall aus der Praxis. Der Patient wurde im Ausland gegen Affenpocken einmal geimpft und hat sich sechs Tage später mit Affenpocken infiziert. Man muss wissen, dass der Schutz einer ersten Impfung erst nach zwei Wochen anfängt. Und in dieser Phase muss man einfach aufpassen und Kontakte meiden. Und das war so ein klassischer Fall: Impfung durchgeführt, an Tag 6 Kontakt mit einem Infizierten gehabt und eine Woche später war er dann mit den Effloreszenzen bei mir. In der Regel ist es schon so, dass man kein komplett symptomloser Überträger ist. Das heißt, wenn jemand die Infektion hat, dann manifestiert sie sich – und das war ja auch dieser eine Fall aus der Praxis – wenn nicht mit Allgemeinsymptomatik, dann sehr wohl mit einem Hautausschlag oder über Schleimhäute, die sich verändern.
Also ich persönlich bin ein Freund davon, den Lebendimpfstoff immer isoliert zu impfen. Ob es jetzt Gelbfieberimpfung ist oder Mumps, Masern, Röteln. Also nicht kombinieren mit einem Totimpfstoff am gleichen Tag. Selbstverständlich kann man, wenn man sich an Tag X gegen Affenpocken geimpft hat, drei Tage später einen Totimpfstoff holen. Also z. B. gegen Grippe. Aber nach Möglichkeit nicht am gleichen Tag mit Lebendimpfstoff und Totimpfstoff, rechter Arm, linker Arm. Denn erstmal ist er sehr unangenehm und kann auch mal ein bisschen wehtun.
Ich habe jetzt schon einige Fälle in der Praxis gehabt und ich kann bisschen was erzählen, denn das bringt die Praxis ein bisschen näher. Ich kann mich an unseren ersten Fall erinnern. Das war spannend, weil wir alle absolut null Erfahrung damit hatten. Und dann hieß es, Verdacht auf Affenpocken. Dann haben wir in der Praxis sofort diesen Abstrich gemacht für die PCR. Und dann standen wir alle da und wussten nicht, wo schicken wir denn jetzt diese Probe hin? Das war schon ziemlich aufregend, weil wir uns ans Telefon geklemmt haben und versucht haben, rauszubekommen, wo hier ein mögliches S3-Labor ist. Natürlich kann man das Ganze zum Referenzlabor nach Berlin schicken. Und tatsächlich, nachdem wir ein bisschen überfragt waren und auch die Labore damit noch gar keine Erfahrung hatten, haben wir das Ganze eingepackt und nach Berlin geschickt. Und die Probe ist auch zum Glück dort angekommen. Aber war schon ein aufregender Tag, hat uns ein paar Stunden beschäftigt, das bleibt in Erinnerung.