Infektionen mit dem Hepatitis-D-Virus kommen nicht häufig vor, stellen jedoch die schwerste Form der chronischen Virushepatitis dar. Eine aktuelle Studie konnte nun belegen, dass das Virostatikum Bulevirtid die Virenlast effektiv senken kann.
Von den weltweit etwa 250 Millionen chronisch mit dem Hepatitis-B-Virus (HBV) infizierten Menschen sind zwischen 10 und 20 Millionen Menschen auch mit dem Hepatitis-D-Virus (HDV) infiziert. HDV nutzt HBV als Helfervirus, indem es sein RNA-Erbmaterial in HBV-Hüllen verpackt. Diese Co-Infektion führt zur schwersten Verlaufsform der viralen Lebererkrankung. Leider können die bisher zur Behandlung von HBV-Infizierten zur Verfügung stehenden antiviralen Medikamente nur bei einem kleinen Teil der HDV-Patienten effektiv eingesetzt werden und zudem Nebenwirkungen verursachen.
Mit der Entwicklung von Bulevirtid – einem in der EU seit 2020 bedingt zugelassenen Wirkstoff, der den Eintritt von Hepatitis-B- und Hepatitis-D-Viren in Leberzellen blockiert – ist das Ziel einer erfolgreichen Behandlung von Hepatitis-D sehr viel näher gerückt (wir berichteten).
Die antivirale Aktivität von Bulevirtid wurde in einer multizentrischen Phase-II-Studie bei insgesamt 120 HBV/HDV-positiven Patienten getestet, von denen 59 bereits eine Leberzirrhose entwickelt hatten. Die Auswertung der in der Fachzeitschrift The Lancet Infectious Diseases publizierten Studie zeigte, dass eine Applikation des Wirkstoffs Bulevirtid über 24 Wochen hinweg die Konzentration an HDV-RNA im Blutserum und in der Leber der Probanden signifikant reduzierte und von den Studienteilnehmenden gut vertragen wurde.
Obwohl sich die Konzentration an Hepatitis-D-Virus-RNA nach Absetzen der Medikation bei den meisten Patienten wieder erhöhte, weist die Studie sehr gute Ansprechraten nach – deutet aber auch darauf hin, dass eine längerfristige Behandlung mit Bulevirtid nötig ist. Die Wirksamkeit bei Patienten mit bereits entwickelter Leberzirrhose zeigt weiterhin die sichere Anwendbarkeit von Bulevirtid bei Betroffenen mit fortgeschrittener Lebererkrankung. Allerdings ist dabei zu beachten, dass keine Patienten mit dekompensierter Zirrhose – einer Lebererkrankung im Endstadium – behandelt wurden. Ob eine langfristige Behandlung auch zu einer bleibenden Reduktion der Viruslast oder sogar einem vollständigen Verlust des Virus führen kann, wird in laufenden weiteren Studien untersucht.
„Für betroffene Patienten sind die Studienergebnisse von großer Relevanz. Entscheidend ist, dass nicht nur reduzierte Hepatitis-D-Viruswerte beobachtet wurden, sondern sich in den meisten Fällen die Leberwerte deutlich verbessert haben. Weiterhin sind die täglichen Injektionen im Alltag für die Betroffenen kein Problem. Die Verträglichkeit ist wirklich ausgezeichnet,“ sagt der DZIF-Wissenschaftler Prof. Heiner Wedemeyer, Direktor der Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie an der Medizinischen Hochschule Hannover und Erstautor der Publikation.
„Durch die Verfügbarkeit von Leberbiopsien bietet diese Studie einzigartige Möglichkeiten, die Viruslast und somit die Effektivität von Bulevirtid nicht nur serologisch, sondern auch in der Leber, dem Ort der viralen Replikation, zu untersuchen,“ fügt Co-Autorin und DZIF-Wissenschaftlerin Prof. Maura Dandri vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf hinzu.
„Die erfolgreiche Entwicklung von Bulevirtid aus der Grundlagenforschung in die klinische Praxis ist von einschneidender Bedeutung für viele Patienten, für die es bislang keine Behandlungsmöglichkeit gab,“ resümiert der Letztautor der Studie, Prof. Stephan Urban, DZIF-Professor für Translationale Virologie und Leiter der Hepatitis B-Forschungsgruppe an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg.
Dieser Artikel beruht auf einer Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung. Die Originalpublikation haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Isaac Quesada, unsplash.