Wird das Protein BAZ2A in Prostatakrebszellen abgeschaltet, verlangsamt sich das Tumorwachstum. Eine höhere Konzentration des Proteins wiederum erhöht unter anderem die Beweglichkeit dieser Krebszellen und steigert deren Fähigkeit, in umgebendes Gewebe einzudringen.
Ein Team rund um PD Dr. Raffaella Santoro vom Institut für Veterinärbiochemie und Molekularbiologie der Universität Zürich hat das Protein BAZ2A entdeckt, das bei einer Überproduktion die sogenannten epigenetischen Muster auf der DNA verändert. Diese chemischen Veränderungen wiederum drosselten die Aktivität von krebsbremsenden Genen. „Wir vermuten, dass sich eine BAZ2A-Überproduktion direkt auf die Bösartigkeit von Prostatakrebs auswirkt. Daher könnte das Protein ein Indikator für den Verlauf der Erkrankung sein“, sagt Ko-Studienleiterin Santoro.
Bei vielen Krebsarten geben Veränderungen der DNA-Bausteine Hinweise auf ihr Gefahrenpotential. Aber bei Prostatakrebs sind solche Mutationen nicht so zahlreich wie bei anderen Tumorarten. „Wir vermuteten daher, dass Prostatakrebs vor allem durch veränderte epigenetische Merkmale angetrieben wird, also durch chemische Veränderungen am Erbgut, die nicht die Reihenfolge der DNA-Bausteine betreffen“, sagt Ko-Studienleiter Christoph Plass vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ). Es ist bekannt, dass bestimmte Proteine einer Zelle das Muster dieser epigenetischen Merkmale beeinflussen. Somit machten sich die Forscher auf die Suche nach solchen Steuerproteinen, die in Prostatakrebszellen die epigenetischen Merkmale verändern und dadurch möglicherweise den Verlauf der Erkrankung beeinflussen. Die Molekularbiologen überprüften an fast 7.700 Gewebeproben, ob die Tumorzellen eines der bekannten epigenetischen Steuerproteine signifikant stärker oder schwächer ausprägen als gesunde Zellen derselben Patienten.
Der auffälligste Unterschied wurde bei Protein BAZ2A entdeckt: Eigentlich unterdrückt dieses Protein die Produktion der zellulären Proteinfabriken und beeinträchtigt dadurch die Lebensfähigkeit von Zellen. In Krebszellen zeigt das Protein einen gegenteiligen Effekt: „Als wir BAZ2A in Zellen von metastasierendem Prostatakrebs ausschalteten, verlangsamte sich paradoxerweise ihr Wachstum“, sagt Santoro. Höhere Konzentrationen von BAZ2A hingegen steigerten die bösartige Eigenschaften der Prostatakrebszellen, so etwa ihre Beweglichkeit oder die Fähigkeit, in umgebendes Gewebe einzudringen. Das Forschungsteam stellte eindeutig fest: Je mehr BAZ2A das Gewebe enthielt, desto fortgeschrittener war der Tumor bei seiner Diagnose, desto häufiger hatte der Krebs bereits Metastasen gestreut und desto höher war auch der PSA-Wert, der auf eine Störung der Prostata hinweist, der jeweiligen Patienten.
„BAZ2A scheint einen direkten Einfluss auf die Aggressivität von Prostatakrebs zu nehmen. Der Grad der BAZ2A-Expression gibt deutliche Hinweise auf den Verlauf der Erkrankung. Das muss natürlich noch klinisch bestätigt werden“, sagt Plass. Bei Patienten etwa, deren klinische Werte ein mittleres Risiko anzeigen, könnte die BAZ2A-Expression wichtige Hinweise auf die Wahrscheinlichkeit geben, ob der Krebs zurückkehrt. Das würde Ärzte und Patienten bei der Wahl der aussichtsreichsten Therapie unterstützen. Originalpublikation: BAZ2A (TIP5) is involved in epigenetic alterations in prostate cancer and its overexpression predicts disease recurrence Raffaella Santoro et al.; Nature Genetics, doi: 10.1038/ng.3165; 2014