Gut gemeint ist nicht gleich gut gemacht – das fasst für mich den anstehenden Apotheken-Streik zusammen. Was ich mir als PTA trotzdem davon erhoffe, lest ihr hier.
Immer wieder wurde in den sozialen Medien davon gesprochen, aber dass verschiedene Landesapothekerverbände sich nun tatsächlich trauen, zum Streik aufzurufen, das hat dann doch kaum jemand zu hoffen gewagt. Es ist das Saarland, das mit dem Widerstand gegen die geplanten Kürzungen des GKV-Stabilisierungsgesetzes begonnen hat und das kleine Bundesland ist damit nicht allein. Inzwischen haben sich offenbar Schleswig-Holstein, Brandenburg und Hamburg angeschlossen. Das gab es schon lange nicht mehr, bei den sonst eher braven Pharmazeuten.
Gut, es ist ein etwas abgespeckter Streik. Er dauert nur einen Nachmittag lang und wurde auf Mittwoch, den 19. Oktober 2022 festgelegt. Mittwochnachmittags sind im ländlichen Bereich ohnehin viele Apotheken geschlossen, daher wird das Streiken hier vermutlich gar nicht weiter auffallen. Aber immerhin schlucken die Pharmazeuten nicht weiter ohne nennenswerten Widerstand jede Kröte, die ihnen von der Bundesregierung vorgesetzt wird.
Wofür wird eigentlich gestreikt, wird sich der ein oder andere fragen, der keine tiefen Einblicke in die Realität hat, in der die Apothekeninhaber und -mitarbeiter leben? Im Bundestag wird am 20. Oktober 2022 über das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz abgestimmt, das die Finanzierungslücke schließen soll, die den Kassen während der Corona-Pandemie entstanden ist. Im Zuge dessen soll der Kassenabschlag in den kommenden zwei Jahren um 23 Cent pro Packung von derzeit 1,77 Euro auf 2 Euro erhöht werden. Jörn Graue, Chef des Hamburger Apothekervereins, befürchtet – wie viele andere Apothekeninhaber auch – eine „Welle von Schließungen“, die im Zuge des fehlenden Inflationsausgleiches, der seit inzwischen zehn Jahren ausbleibenden Honoraranpassung und den immer stärker steigenden Ausgaben auf die Apotheken zukommt. Der Beitrag, den die Apotheken zum GKV-Finanzstabilisierungsgesetz leisten sollen, sei nun der berühmte „Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat“.
Die Aktionen der ABDA, die dazu verschiedene Stellungnahmen verfasst und sich bei verschiedenen Anhörungen, in Musterbriefen, die den Apotheken zur Verfügung gestellt wurden, und Anzeigen-Aktionen in großen Tageszeitungen klar gegen die geplanten Sparmaßnahmen ausgesprochen hat, reichen den Landesapothekerverbänden nicht aus. Der Streik wird trotzdem zahmer daherkommen, als man es aus anderen Berufszweigen kennt. Die notdiensthabenden Apotheken werden natürlich weiter für die ordnungsgemäße Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln da sein und auch die Streikzeiten sind völlig gesetzeskonform. Und die ABDA unterstützt das saarländische Vorpreschen sogar: Zurzeit werden 2 Plakate und 100 Handzettel für jede Apotheke im dortigen Streikgebiet vorbereitet, welche die Argumente der Apotheker gegen das Spargesetz kundenverständlich formuliert darstellen.
Stöbert man in den sozialen Medien, zeigt sich, dass nicht alle Apothekeninhaber zufrieden sind mit der Art und Weise, wie der Streik durchgeführt wird. Der Zeitpunkt einen Tag vor der Abstimmung sei zu spät gewählt worden, heißt es oft und der Mittwochnachmittag zu zahm. Lieber wäre es vielen gewesen, am Montagvormittag zu streiken, damit die Bevölkerung – und die Politiker – überhaupt etwas davon mitbekommen. Zudem ist man sich sicher, dass das Konkurrenzdenken innerhalb der Apothekerschaft dazu führen wird, dass sich viele dem Streik gar nicht anschließen werden und einfach geöffnet bleiben, um Kunden zu gewinnen. Andere fordern weitere kreative Handlungsvorschläge durch die Apothekenvertretung, wie beispielsweise eine Woche lang alle Kassenrezepte wie Privatrezepte zu behandeln und die Patienten damit selbst zu ihrer Krankenkasse zum Abrechnen zu schicken, oder eine Woche lang alle Rezepte mit pharmazeutischen Bedenken zu bedrucken und so den Rabattverträgen aus dem Weg zu gehen.
Sei es, wie es sei: Die Apothekerschaft hat sich endlich dazu bereiterklärt, sich zu wehren und der Bevölkerung zu zeigen, dass man am Limit ist. Weitere Apothekenschließungen drohen durch die Sparmaßnahmen und das sollte doch unter allen Umständen vermieden werden, um auch weiterhin schnell und unkompliziert für die Arzneimittelversorgung und die Gesundheitsberatung der Menschen da sein zu können. Auch Apotheken, die sich außerhalb der streikenden Bundesländer befinden, sollten sich solidarisch zeigen und ebenfalls schließen – oder wenigstens darauf aufmerksam machen, dass anderswo die Türe geschlossen bleibt. Die Politik muss rechtzeitig bemerken, dass es ein Fehler wäre, den Apotheken weitere Kürzungen zuzumuten.
Bildquelle: Benjamin Davies, Unsplash