Die genauen Ursachen der hereditären spastischen Paraplegie sind unklar. Viele Studien scheiterten an der Suche nach einem geeigneten Modell. Dieses Problem könnte nun gelöst sein.
Die hereditäre spastische Paraplegie (HSP) beschreibt eine Gruppe neurodegenerativer Erkankungen, die durch genetische Mutationen verursacht werden. Betroffene zeigen bereits im Alter von sechs Monaten erste Symptome, wie einen erhöhten Muskeltonus und spastische Lähmungen in den Beinen.
„Zwischen zwei und fünf Jahren sind die meisten betroffenen Kinder bereits an den Rollstuhl gefesselt und werden leider nie wieder laufen können“, sagt Prof. Anjon Audhya, der die Krankheit seit Jahren erforscht. Weshalb es zu den spastischen Querschnittslähmungen kommt, ist noch unsicher. Vergangene Forschungsarbeiten versuchten bereits mehrmals, die Ursachen der Krankheit im Mausmodell zu untersuchen und Therapeutika an HSP-erkrankten Mäusen zu testen. Da sich die neuronalen Bahnen der Nager jedoch zu sehr von denen des Menschen unterscheiden, blieben viele Fragen offen.
Prof. Audhya und sein Team versuchten daher in einer aktuellen Studie, ein neues Modell zu entwickeln. Dazu untersuchten die Forscher zunächst eine spezifische Mutation, die auf ein Protein namens TFG wirkt und im Verdacht steht, HSP auszulösen. Gesunde TFG-Proteine fungieren in den Neuronen als Transporter anderer wichtiger Eiweiße. Die Proteine – deren Transport von TFG abhängt – halten neuronale Bahnen gesund und senden wichtige elektrische Signale zur Muskelkontraktion. Bei Kleinkindern mit einer Mutation im TFG-Gen bewegen sich die neuronalen Proteine nicht effizient durch die Nervenzellen, was zu einem Ungleichgewicht der elektrischen Stimulation führen kann. Entsteht dann ein Übermaß an elektrischen Signalen an die unteren Extremitäten kommt es zu einem erhöhten Muskeltonus und schließlich zu einem Verlust der motorischen Funktion.
Auf der Suche nach einem praktikablen Modell erzeugten die Forscher mithilfe der CRISPR-Genschere, eine HSP-Mutation in Rattenembryonen – die dem Menschen genetisch näher sind als Mäuse – und beobachteten das Fortschreiten der Symptome. Dabei fiel den Wissenschaftlern auf, dass die Symptome der Ratten den menschlichen viel näher kamen als die der HSP-erkrankten Mäuse.
„Bisher war Bewegung die einzige Therapie, die es für diese Patienten gab, und das ist wirklich unbefriedigend“, sagt Audhya. „Ich denke, wir haben einen großen Schritt nach vorn gemacht, indem wir nun ein Modell haben, an dem man verschiedene Hypothesen testen kann.“ Da HSP einen vergleichsweise kleinen Teil der Bevölkerung betrifft, wurden bisher wenig Mittel aufgewendet, um Betroffenen zu helfen. Audhya und sein Team hoffen nun, dass ihre Erkentnisse mehr Wissenschaftler dazu anregen wird, HSPs zu untersuchen und Therapeutika zu verbessern.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der University of Wisconsin-Madison. Die Originalpublikation haben wir euch hier und im Text verlinkt. Bildquelle: Hans Moerman, unsplash.