Aspirin kann mehr: Aktuelle Studien zeigen, dass das omnipräsente Mittel genauso gut zum Schutz postoperativer Blutgerinnsel wirkt wie Heparin. Schafft das Kopfschmerzmittel so den Sprung in den OP?
Patienten, die wegen eines Knochenbruchs operiert werden, erhalten in der Regel nach der OP für unterschiedlich lange Zeiträume Heparin bzw. niedermolekulare Heparine, um lebensbedrohliche Blutgerinnsel zu verhindern. Eine aktuelle klinische Studie ergab jedoch, dass rezeptfreies Aspirin® ebenso wirksam sein kann. Die Ergebnisse könnten Chirurgen veranlassen, ihre Praxis zu ändern und ihren Patienten stattdessen Aspirin® zu verabreichen.
Die multizentrische, randomisierte klinische Studie mit mehr als 12.000 Patienten in 21 Traumazentren in den USA und Kanada ist die bisher größte Studie mit orthopädischen Traumapatienten. „Wir gehen davon aus, dass unsere Ergebnisse aus dieser groß angelegten Studie wichtige Auswirkungen auf die klinische Praxis haben und möglicherweise sogar den Behandlungsstandard verändern werden“, sagt Dr. Robert V. O'Toole, Studienleiter, Professor und Leiter der Abteilung für orthopädische Traumatologie an der UMSOM. „Orthopädische Traumapatienten bekommen in der Regel niedermolekulares Heparin als Blutverdünnungsmittel verschrieben, um Blutgerinnsel über die Wochen nach der Operation zu verhindern. Das Medikament muss dabei nicht nur gespritzt werden, sondern kann im Vergleich zu Aspirin® auch recht teuer sein.“
Nach Angaben der US-amerikanischen Centers for Disease Control (CDC) verursachen Blutgerinnsel jedes Jahr bis zu 100.000 Todesfälle in den USA. Patienten, deren Knochenbrüche operativ behandelt werden müssen – schätzungsweise 1 Million Menschen in den USA pro Jahr – haben ein erhöhtes Risiko, daraufhin Blutgerinnsel zu entwickeln, einschließlich einer tödlichen Lungenembolie. In den aktuellen Richtlinien wird die Verschreibung von niedermolekularem Heparin (Enoxaparin) empfohlen, obwohl Forschungsergebnisse bei Gelenkersatzoperationen auf einen potenziellen Nutzen von Aspirin® als kostengünstigere und weithin verfügbare Option hinweisen.
An der Studie nahmen 12.211 Patienten mit operationsbedürftigen Bein- oder Armbrüchen sowie mit Beckenfrakturen teil – unabhängig von der spezifischen Behandlung. Die Hälfte der Patienten wurde nach dem Zufallsprinzip zweimal täglich mit 30 mg injizierbarem niedermolekularem Heparin behandelt. Die andere Hälfte erhielt zweimal täglich 81 mg Aspirin®. Die Nachbeobachtungszeit nach der Operation betrug 90 Tage.
Das wichtigste Ergebnis der Studie war, dass Aspirin® bei der Verhinderung von Todesfällen jeglicher Ursache nicht schlechter war als niedermolekulares Heparin: 47 Patienten in der Aspirin®-Gruppe starben im Vergleich zu 45 Patienten in der Heparin-Gruppe. Bei den sekundären Ergebnissen wurden keine Unterschiede in Bezug auf nicht tödliche Lungenembolien festgestellt. Die Inzidenz von Blutungskomplikationen und alle anderen Sicherheitsergebnisse waren in beiden Gruppen ähnlich. Von allen untersuchten Ergebnissen wurde als einziger potenzieller Unterschied festgestellt, dass in der Heparin-Gruppe weniger Blutgerinnsel in den Beinen auftraten.
„Mit den Daten von mehr als 12.000 Patienten liefert diese Studie eindeutige Beweise dafür, dass Aspirin® eine brauchbare Option zur Verhinderung von Blutgerinnseln in der Lunge und des Todes bei Patienten ist, die wegen eines orthopädischen Traumas operiert werden müssen“, sagt Prof. Andrew Pollak, Vorsitzender der Abteilung für Orthopädie an der UMSOM und Senior Vice President sowie Chief Clinical Officer für das University of Maryland Medical System (UMMS).
„Diese Studie bietet Chirurgen wichtige Anhaltspunkte zur Verhinderung potenziell tödlicher Blutgerinnsel nach Frakturoperationen durch den Einsatz eines Medikaments, das sowohl kostengünstig als auch einfach zu verabreichen ist“, ergänzt Prof. Mark T. Gladwin, Vizepräsident für medizinische Angelegenheiten der University of Maryland und Dekan der University of Maryland School of Medicine.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung der University of Maryland School of Medicine. Die Originalpublikation haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Hal Gatewood, Unsplash