Brustkrebs-Screenings können im Rahmen der Früherkennung Mastektomien und sogar Todesfälle verhindern. Aber wie lange sollten die Abstände zwischen den Untersuchungen sein – und ab welchem Alter sind sie überhaupt sinnvoll?
Weltweit ist das Mammakarzinom die häufigste Krebserkrankung unter Frauen. 2019 waren in Österreich 5.682 Neuerkrankungen und 1.643 Todesfälle zu verzeichnen. Aus diesem Grund wird in den meisten Ländern ein altersbasiertes Früherkennungsprogramm angeboten. Ziel ist es, Krebsdiagnosen möglichst früh stellen zu können und damit chirurgische Therapien wie eine Mastektomie und Brustkrebstodesfälle zu reduzieren.
Allerdings herrscht bis dato kein Konsens darüber, ab welchem Alter und in welchen Zeitabständen eine Mammographie erfolgen soll. Während die meisten europäischen Länder Mammographien im Zwei- oder Dreijahresintervall für Frauen im Alter zwischen 50 und 69 Jahren empfehlen, wird in den USA ein jährliches oder zweijähriges Screening für Frauen im Alter von 45 bis 74 Jahren durchgeführt. In Österreich wurde 2014 ein bevölkerungsbezogenes Brustkrebsfrüherkennungsprogramm umgesetzt, bei dem Frauen zwischen 45 und 69 Jahren alle zwei Jahre zur Mammographie eingeladen werden.
Da die Forschungsergebnisse über Nutzen und Schaden einer solchen bevölkerungsbasierten Brustkrebsfrüherkennung widersprüchlich sind, herrscht seit langem eine Debatte über die Treffsicherheit solcher Programme. „Zweifelsohne kann eine Mammographie neben falsch-negativen Ergebnissen auch zu falsch-positiven Brustkrebs-Verdachtsfällen führen, die in unnötigen Biopsien und Therapien resultieren“, sagt Ingrid Zechmeister-Koss vom AIHTA.
Nun gibt es von der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) und Ärztekammer Überlegungen, Änderungen im bisherigen Brustkrebsfrüherkennungsprogramm vorzunehmen – etwa ein Risikoassessment anzubieten. Das AIHTA wurde deshalb damit beauftragt, die Qualität von Risikovorhersagemodellen und den Nutzen eines risikobasierten Screenings in einer systematischen Übersichtsarbeit zu untersuchen. Darüber hinaus wurden auch die organisatorischen Voraussetzungen für die Einführung eines solchen Programms ermittelt.
Im Gegensatz zur altersbasierten Brustkrebsfrüherkennung werden beim risikobasierten Screening zusätzlich zum Alter mehrere Risikofaktoren wie etwa die familiäre Brustkrebsvorgeschichte, die Brustdichte, hormonelle Faktoren, der Body-Mass-Index oder genetische Marker berücksichtigt. Mit Hilfe von Risikovorhersagemodellen wird geschätzt, mit welcher Wahrscheinlichkeit eine Frau in einem bestimmten Zeitraum an Brustkrebs erkranken wird.
Je nach Risiko richtet sich die darauffolgende Screening-Strategie, beispielsweise die Häufigkeit von Mammographien. Dadurch soll Brustkrebs früher oder zumindest gleich gut wie mit einem altersbasierten Programm entdeckt und die Nachtteile des herkömmlichen Screenings reduziert werden – etwa durch seltenere Mammographien bei Frauen mit geringem Brustkrebsrisiko oder häufigere Mammographien und andere diagnostische Möglichkeiten bei erhöhtem Risiko.
Insgesamt konnten in der AIHTA-Analyse 107 Studien aus acht systematischen Übersichtsarbeiten identifiziert werden, die die prognostische Qualität der Risikovorhersage von sieben Vorhersagemodellen untersuchten. Die Modelle konnten in den Beobachtungsstudien das individuelle Brustkrebsrisiko nur unzureichend vorhersagen. Dies änderte sich auch dann nicht, wenn mehr Informationen über weitere Risikofaktoren – etwa der Brustdichte – hinzugefügt wurden.
Abgeschlossene randomisierte Kontrollstudien, die das Nutzen-Schaden-Verhältnis eines Risikoassessments im Vergleich zum herkömmlichen Brutkrebsscreening aufzeigen, gibt es bislang noch nicht. In der derzeit laufenden randomisiert-kontrollierten MyPeBS-Studie wird das risikobasierte Screening mit den herkömmlichen Brustkrebsfrüherkennungsstrategien in mehreren europäischen Ländern verglichen. Die Ergebnisse sind frühestens 2026 zu erwarten.
Bevor die Umstellung auf ein risikobasiertes Screening durchgeführt werden kann, braucht es nicht nur fundierte Daten zum Nutzen-Schaden-Verhältnis, sondern auch detaillierte Vorbereitungen, die bereits vor der Einführung umgesetzt werden sollten. So muss etwa vorab definiert werden, welche und wie viele Risikofaktoren in welchem Umfang erhoben werden. „Es reicht nicht, dass der Arzt oder die Ärztin ein paar Risikofaktoren abfragt. Was es braucht ist beispielsweise ein standardisiertes Tool, mit dem die einzelnen Risikofaktoren systematisch erfasst werden. Wird etwa die Brustdichte als Risikofaktor berücksichtigt, sollte eine standardisierte Methode zur Messung der Brustdichte definiert werden“, erklärt Zechmeister-Koss.
Außerdem muss im Voraus entschieden werden, wer das Risikoassessment durchführt. Das können Allgemeinmediziner, Gynäkologen, speziell geschultes Pflegepersonal oder die Frau selbst sein. Zusätzlich ist vor der Implementierung zu klären, welches Vorhersagemodell verwendet werden soll. Laut AIHTA-Bericht ist dabei zu berücksichtigen, dass nicht jedes Modell für jede Population geeignet ist. Viele der untersuchten Modelle sind nur für bestimmte Altersgruppen oder Bevölkerungsgruppen validiert.
„Der Risikoscore allein hat jedoch keinen Nutzen für die Frauen. Es müssen Grenzwerte festgelegt werden, ab welchem Fünf-, Zehn- oder Lebenszeitrisiko eine Frau in eine Hoch-, Mittel-, oder Niedrigrisikogruppe fällt. Die Frauen müssen gut informiert werden, etwa was ein Risiko von zehn Prozent bedeutet. Jenen Frauen mit einem niedrigen Risiko ist detailliert und fundiert zu erklären, dass ein längeres Screeningintervall nicht bedeutet, dass ihnen eine Leistung vorenthalten wird, sondern zu ihrem gesundheitlichen Vorteil ist, weil dadurch Überdiagnosen, falsch-positive Befunde und unnötige Strahlenbelastung verhindert werden können. Das heißt auch, dass viele Schulungen von Ärzten und Ärztinnen zur professionellen Beratung und Aufklärungskampagnen notwendig sind“, erklärt Studienleiterin Irmgard Frühwirth.
Der erfolgreiche Einsatz einer risikobasierten Screening-Strategie basiert neben der prognostischen Qualität der Vorhersagemodelle auch erheblich darauf, „ob die risikobasierten Screening-Empfehlungen und präventiven Interventionen effektiv, angemessen, zugänglich, praktikabel und akzeptabel sind“, heißt es im AIHTA-Bericht abschließend.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung des Austrian Institute for Health Technology Assessment. Die Originalpublikation haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: National Cancer Institute, Unsplash