Opioide lindern Schmerzen, doch die Nachteile sind gravierend. Ein Forschungsteam hat nun einen Weg gefunden, die Schmerzlinderung ohne Abhängigkeit zu erreichen – ein Meilenstein auf dem Weg zu neuen Schmerzmitteln.
Für die Linderung starker Schmerzen sind sie ein Segen, doch sie haben auch gravierende Nachteile: Opioide. Vor allem Morphin wird nicht selten mit einer Verlangsamung der Atmung, bis hin zu tödlichem Atemstillstand in Verbindung gebracht. Weiterhin machen Opiate abhängig – ein hoher Prozentsatz der Drogenprobleme in den USA bspw. ist auf Schmerzmittel zurückzuführen.
Um die unerwünschten Wirkungen von Opioiden zu bekämpfen, suchen Forscher weltweit nach Alternativen. So auch Prof. Peter Gmeiner von der Uni Nürnberg-Erlangen, der bei den molekularen Strukturen der Rezeptoren ansetzt: „An der Schmerzverarbeitung sind nicht nur Opioid-Rezeptoren beteiligt, doch nur wenige dieser Alternativen wurden bislang für Therapien validiert“, erklärt Gmeiner. Zusammen mit seinem Team hat er daher einen Rezeptor ins Visier genommen, der für die Bindung von Adrenalin zuständig ist, den Alpha-2A-Adrenergen-Rezeptor. Auf diesen Rezeptor zielen bereits analgetische Therapeutika – unter anderem Dexmedetomidin – ab. Doch auch hier gibt es Nachteile: „Dexmedetomidin wirkt stark sedierend, weshalb es auf Intensivbehandlungen im Krankenhaus beschränkt und für breitere Patientengruppen nicht geeignet ist“, erklärt Prof. Gmeiner.
Die Wissenschaftler versuchten daher eine chemische Verbindung zu finden, die den Rezeptor im zentralen Nervensystem aktiviert, jedoch keine sedierende Wirkung entfaltet. Dafür verglichen sie verschiedene Verbindungen, die physikalisch zum Rezeptor passen, chemisch jedoch nicht mit den bekannten Medikamenten verwandt sind. Nach aufwändigen Docking-Simulationen konnten die Wissenschaftler tatsächlich zwei Moleküle identifizieren, die gute Bindungseigenschaften zeigten und im Gegensatz zu Dexmedetomidin nur ganz bestimmte Proteinsubtypen aktivierten.
Daraufhin synthetisierte das Team die Agonisten der Moleküle. Im Tiermodell erreichten diese eine hohe Konzentrationen im Gehirn und konnten das Schmerzempfinden wirksam senken. „Verschiedene Tests haben bestätigt, dass die Bindung an dem Rezeptor ursächlich für die erfolgreiche Analgesie war“, erklärt Gmeiner. „Besonders erfreulich ist, dass keine der neuen Verbindungen eine Sedierung verursachte. Selbst bei wesentlich höheren Dosen, als zur Schmerzlinderung erforderlich gewesen wären.“
Die erfolgreiche Trennung von analgetischer und sedierender Wirkung ist ein Meilenstein bei der Entwicklung nicht-opioider Schmerztherapeutika. Die neuen Optionen können vergleichsweise leicht hergestellt und oral verabreicht werden. Allzu große Hoffnung auf einen raschen Einsatz muss Gmeiner jedoch dämpfen: „Wir reden aktuell noch von Grundlagenforschung. Die Entwicklung von Medikamenten unterliegt strengen Regularien und braucht neben viel Geld auch viel Zeit. Dennoch stimmen uns die Ergebnisse sehr optimistisch.“
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Hier findet ihr die Originalpublikation.
Bildquelle: danilo.alvesd, unsplash.