Katzen haben spezielle Bedürfnisse – besonders beim Tierarzt. Einmal aufgeregt, sind sie als Patient oft kaum noch zu handhaben. Hier findet ihr Tipps, wie es gar nicht erst so weit kommt.
Ein Besuch beim Tierarzt ist für viele Katzenbesitzer der reinste Horror, vom Einfangen in der Wohnung und Überführen in den Transportkorb, über die Fahrt mit Auto oder öffentlichen Verkehrsmitteln, bis zum Sitzen im Wartezimmer – zusammen mit vielen anderen Menschen und Tieren. All das bedeutet meist extremen Stress für die sensiblen Tiere – und damit auch für ihre Menschen. Dann wird der Patient auch noch aus seinem sicheren Korb geholt, untersucht und eventuell mit Nadeln gepiesakt. Spätestens hier bleiben nur die wenigsten Katzen entspannt. Aber es gibt ein paar Kniffe, mit denen ein Tierarztbesuch katzenfreundlicher gestaltet werden kann. Kürzlich veröffentlichten die American Association of Feline Practitioners (AAFP) zusammen mit der international Society of Feline Medicine (ISFM) hierzu Leitlinien im Journal of Feline Medicine and Surgery.
Durch ein angepasstes Vorgehen könne so nicht nur die Zufriedenheit des Teams und das Vertrauen der Katzenbesitzer in die Praxis gesteigert werden; durch einen entspannteren Patienten würden auch Untersuchungen effizienter und diagnostische Tests zuverlässiger, so schreiben es Rodan et al. Auch wird die Katze so zu einem berechenbareren Patienten, mit dem Termine schneller und ungefährlicher (für tierärztliches Personal) ablaufen. Für die Autoren ist besonders wichtig, dass Tierärzte lernen, wie sie den emotionalen Zustand einer Katze verstehen und angemessen darauf reagieren können.
Hier also ein paar Tipps, wie ihr eure Praxis katzenfreundlicher gestalten könnt:
Ereignisse, die dem Besuch in der Tierarztpraxis vorausgehen, können den Stress von Katzen und Besitzern erhöhen und erschweren dem Praxis-Team die Interaktion mit der Katze. Stress kann bei der Katze durch die mangelnde Kontrolle beim Einsteigen in die Transportbox, das „Gefangensein“ in der Box, die Instabilität und Bewegung der Box während der Reise und durch den Transport selbst ausgelöst werden.
Wenn Besitzer nicht über das Handling und den Transport von Katzen informiert und geübt sind, können ihre Interaktionen beim Einfangen der Katze und während des Transports den Stress für das Tier vor der Ankunft in der Praxis deutlich erhöhen. Mehr als 75 % der Besitzer geben laut der Autoren der Leinlinie an, dass sie keine Transportberatung vom Tierarzt erhalten hätten. Diesen Bereich könnten Tierärzte also noch mehr abdecken. Rodan et al. schreiben: „Da die Ängste von Besitzern und Katzen eng miteinander verknüpft sind, kann die Aufklärung über das Training und den Transport von Katzen zusätzlich dazu beitragen, Ängste auf beiden Seiten zu verringern.“
Katzen haben ein hohes Sicherheitsbedürfnis und verstecken sich in neuer Umgebung lieber. Um diesem Bedürfnis entgegen zu kommen, sollte man ihnen auch in der Praxis eine Möglichkeit geben, sich sicher zu fühlen. Hierfür kann die Untersuchung größtenteils (soweit es möglich ist) im unteren Teil ihres Transportkorbes, auf einer Kinderwaage mit Schale oder eingekuschelt in eine Decke durchgeführt werden. Zu Beginn sollte der Katze die Möglichkeit gegeben werden, selbstständig aus ihrem Korb und auf den Untersucher zuzukommen. Eine ausgestreckte Hand oder ein Leckerli kann hierbei hilfreich sein, um die Katze anzulocken.
Mit ihren gut entwickelten Sinnen können Katzen Informationen über Menschen bekommen, bevor sie von ihnen angefasst werden. Das kann sich auf ihren emotionalen Zustand und die Qualität der Interaktion auswirken. Katzen reagieren sehr empfindlich auf Geruchsreize – starke Parfüms und andere potenziell abschreckende Gerüche, wie z. B. der Geruch anderer Tiere, sollten deshalb, soweit es praktisch möglich ist, vermieden werden. Da Katzen sehr geräuschempfindlich sind, sollte die Umgebung ruhig sein und alle menschlichen Laute sollten leise, sanft und in langsamem Tempo erfolgen. Visuelle Kommunikation ist für Katzen ebenfalls wichtig – direkter Augenkontakt mit einer unbekannten Person kann als bedrohlich empfunden werden. Viele Katzen reagieren positiv auf ein langsames Blinzeln in ihre Richtung. Es ist wichtig, die Bewegungen bei der Arbeit mit Katzen allgemein langsam zu halten und plötzliche Bewegungen zu vermeiden.
Wie ihr eine Katze am besten auf den Untersuchungstisch bekommt, sehr ihr hier:
Die Autoren empfehlen für Katzen mit negativen Erfahrungen und Katzen mit einem sehr ängstlichen Temperament die Gabe eines Anxioloytikums vor dem Besuch beim Tierarzt. In der Akte der Katze (an einer leicht einsehbaren Stelle) sollte die Aufklärung der Besitzer, die vor dem Besuch empfohlenen Anxiolytika oder Analgetika (mit Dosierung), die Präferenzen der Katze und ihr emotionaler Zustand festgehalten werden, damit sie für das Praxis-Personal leicht abrufbar und kommunizierbar sind.
Empfohlen werden zur Anxiolyse Gabapentin sowie Serotoninantagonist und Sedativum Trazodon.
Keine Forschungsergebnisse lägen jedoch zur Verwendung von Benzodiazepinen zu dieser Indikation vor. Bei einigen Benzodiazepinen (z. B. Diazepam, Alprazolam) könnten Enthemmung und Abstoßungsreaktionen auftreten. Orales Diazepam konnte mit Hepatotoxizität in Verbindung gebracht werden und Acepromazin löse keine Anxiolyse aus. Es könne ebenfalls enthemmend wirken.
Anxiolytika sollten vor der Erregung des Patienten verabreicht werden, am besten schon in der häuslichen Umgebung. Bei Katzen, die Anzeichen von Übelkeit auf dem Transport, wie z. B. Lippenlecken, Sabbern oder Erbrechen zeigen, kann 4 Stunden vorher Maropitant verabreicht werden. Kontraindikationen für die Verwendung in Kombination mit Anxiolytika bestehen nicht. Auch sollte den Tierbesitzern empfohlen werden, die Katze 2–3 Stunden vor der Reise nüchtern zu lassen.
Degenerative Gelenkerkrankungen wie Osteoarthritis (OA) und Spondylosen, sowie Parodontalerkrankungen sind häufige chronische Schmerzzustände bei Katzen. Es sollte immer die Möglichkeit für akute oder chronische Schmerzen in Betracht gezogen werden, wenn eine Katze bei einem Tierarztbesuch als schwierig zu handhaben vorgestellt wird. Mit Analgetika kann versucht werden, die Schmerzen zu reduzieren und beim nächsten Praxisbesuch kann geschaut werden, ob die Reaktion der Katze u.U. milder ausfällt.
Vor dem Hereinbitten des Patienten sollte in die Akte geschaut und auf Erkrankungen geachtet werden, die sich auf die Vorgehensweise bei der Untersuchung auswirken könnten. Krankheiten oder Schmerzen können das Bedürfnis einer Katze nach Schutz erhöhen. Eine Katze, die normalerweise in der Tierarztpraxis freundlich ist, kann schützendes Verhalten zeigen, sich z. B. vermehrt verstecken, wenn sie Schmerzen hat.
Wartezeiten und Stressfaktoren im Wartebereich sollten auf ein Minimum reduziert werden. Nur erfahrene Praxismitarbeiter sollten mit ängstlichen Katzen arbeiten. Schulungen können hier sensibilisieren und für einen angemessenen Umgang sorgen.
Der Untersuchungsraum für Katzen (falls ein Raum extra für diese Patienten vorhanden ist) sollte mit allen Geräten und Materialen vorbereitet werden, die für den Termin benötigt werden, um eine sensorische Erregung der Katze durch das Verlassen und Wiederbetreten des Raums zu vermeiden. In den Leitlinien gibt es eine Liste mit Empfehlungen für die Ausrüstung eines katzenfreundlichen Untersuchungsraumes. Eine Auswahl an Leckerlis, weiche Decken oder Handtücher und ein Korb oder die untere Hälfte der eigenen Katzentransportbox werden empfohlen. Handtücher, die mit synthetischen Katzenpheromonen besprüht sind, sollten stets (auch schon im Wartezimmer) bereitstehen, um die Transportbox abdecken zu können.
Die Untersuchung sollte, wenn möglich, an einem Ort und in der Position durchgeführt werden, die die Katze bevorzugt, z. B. auf dem Boden, auf der Waage, in der Katzentransportbox mit abgenommenem Deckel, in einem Katzenbett oder auf dem Schoß des Besitzers oder Tierarztes. Katzen bevorzugen es möglicherweise, mit einer warmen Decke oder einem Handtuch zugedeckt zu werden. Eine schwächere Beleuchtung im Untersuchungsraum kann beruhigend wirken; mit Hilfe von Dimmschaltern in den Räumen kann die Lichtstärke je nach Situation variiert werden. Auch Leckerlis zur Ablenkung und Verstärkung des gewünschten Verhaltens können helfen. Hier sollten viele Optionen bereitgehalten werden, z. B. Flüssig-/Tubenleckerlis, Pillenbeutel, Dosenfutter und Trockenleckerlis. Eine ideale Position während der Untersuchung gibt es nicht – das kann sehr individuell sein und Sitzen, Stehen oder Liegen umfassen.
Weitere Tipps, Fotos und Videos findet ihr in der Guideline.Zur kompletten Guideline kommt ihr hier.
Bildquelle: Bogdan Farca, Unsplash