Als Apotheker und PTA kennt man seine Stammkunden gut und merkt, wenn etwas nicht stimmt. Aber wie soll ich vorgehen, wenn ich den Verdacht habe, dass ein Mensch suizidal ist – ohne mich komplett taktlos aufzuführen?
Es ist keine neue Erkenntnis, dass verschiedene Erkrankungen – besonders diejenigen, bei denen die Betroffenen unter körperlichen Schmerzen leiden – das Suizidrisiko erhöhen können. Auch dass man verschiedene Anhaltspunkte feststellen kann, die selbst Außenstehenden ein mögliches Suizidrisiko bei der betroffenen Person anzeigen, ist bekannt. Laut der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention sind das:
Einige dieser Warnzeichen erkennt man auch im Umgang mit den (Stamm-)Kunden in der Apotheke. Aber was kann man tun, wenn man diese oder ähnliche Risikofaktoren bei einem Kunden wahrnimmt? Hier gibt es mehrere Möglichkeiten, zu reagieren, die aber allesamt nicht einfach sind.
„Einfach” ansprechen? Die mögliche Gefahr irgendwie weiterleiten? Aber wenn ja, an wen und in wieweit bekomme ich dann Probleme mit der Verschwiegenheit, zu der wir ja alle verpflichtet sind? Hierzu hatte die DAZ einen Artikel, den ich gelesen habe, der bei mir aber ein größeres Unbehagen hinterließ.
Ich kann mir nicht vorstellen – selbst bei einem Kunden, den ich seit vielen Jahren kenne – zu fragen:
Dafür ist man in der Apotheke auch nicht intim genug. Auch der Rat „Begleiten Sie den Suizidalen in die nächste Einrichtung oder rufen Sie den Rettungswagen oder die Polizei“ aus dem Suizidpräventions-Leitfaden für die Apotheke erscheint mir im Zusammenhang mit der Apotheke irgendwie unangebracht.
Klar, wenn jemand Unmengen von Arzneimitteln verordnet bekäme, mit denen er sich umbringen könnte (wobei hier je nach Arzneimittel die Einnahme einer einzelnen kompletten Packung unter Umständen bereits ausreicht), dann würden die Alarmglocken klingeln, aber mir erscheint der Anruf beim Hausarzt, der diese Medikamente verordnet hat, irgendwie gangbarer. Dieser hat auch vermutlich mehr Erfahrung im Umgang mit einer solchen Situation und würde nicht plötzliche, eher plumpe Fragen stellen.
Als angebrachter empfinde ich daher den Artikel der Pharmazeutischen Zeitung, der zwar nicht mit einem „Kochrezept” um die Ecke kommt, aber der darauf hinweist, dass wir in den Apotheken auf diesem Gebiet mehr tun könnten und eine fundierte Weiterbildung in diesem Bereich benötigen.
So verlockend es wäre, eine solche Situation mittels einiger gezielter Fragen innerhalb von relativ kurzer Zeit überblicken und lösen zu können: Das ist in meinen Augen utopisch. Wir brauchen auf diesem Gebiet einfach mehr Wissen, als wir derzeit haben. Suizidprävention ist nichts, was in einem Artikel abgedeckt und nichts, was in höchstens 5–10 Minuten (so viel Zeit haben wir etwa pro Kunden) im HV besprochen werden kann. Ich warte also auf die „Fach-PTA Suizidprävention“.
Nein, natürlich nicht!
Was ich allerdings sowohl beim ABDA- Leitfaden als auch bei den beiden Artikeln vermisse: Gerade beim Eintauchen in eine solche Ausnahmesituation muss man gut auf sich selbst und die eigenen Grenzen achten. Psychologen, Psychotherapeuten und Sozialpädagogen haben hierfür während ihres Studiums einiges an die Hand bekommen, das ihnen hilft, sich auch selbst abzugrenzen und was später mit diesem Menschen passiert, nicht als das eigene „Versagen” oder den eigenen „Verdienst” zu erleben. Das haben wir nicht und eine solche Situation kann für unausgebildete Menschen mit Sicherheit überfordernd sein. Auch hierfür müssten wir eigentlich geschult werden – bevor wir anfangen, als Hilfspsychologen aufzutreten.
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