Einem Forschungsteam ist es gelungen, ein per Licht aktivierbares Östrogen zu entwickeln. Die Wirkung des Geschlechtshormons kann so auf einen Bereich begrenzt werden, der deutlich kleiner ist als eine Zelle.
Ob zur Behandlung von Brustkrebs, gegen Beschwerden in den Wechseljahren oder als hormonelles Verhütungsmittel – künstliches Östrogen ist ein vielseitiger Arzneistoff. Doch der Einsatz von Östrogenpräparaten hat viele Nachteile: Geraten sie ins Abwasser, kann dies den Hormonhaushalt von Fischen und anderen Organismen beeinflussen und ihre Fortpflanzungsfähigkeit gefährden. „Risiken wie Arzneimittelrückstände im Trink- und Abwasser sind schon lange bekannt. Ein weiteres Problem bei der Applikation von Medikamenten ist die Schädigung von gesundem Nachbargewebe, wie bei der Chemotherapie“, erklärt Rainer Herges, Professor für Organische Chemie.
Um diese Nachteile zu minimieren, entwickelten Herges und sein Team nun ein künstliches Östrogen, das sich durch Licht mit verschiedenen Wellenlängen gezielt aktivieren und wieder deaktivieren lässt – zum Beispiel direkt an einem Entzündungsherd oder Tumor im Körper. Die Basis dafür bilden „schaltbare“ Moleküle – wie zum Beispiel Diazocine – die ihre Form und damit ihre Eigenschaften ändern, sobald sie bestimmten Reizen ausgesetzt werden. Herges und seinem Team gelang es, Diazocin-Moleküle herzustellen, die strukturell Estradiol ähneln und somit wie Östrogene wirken.
Der Vorteil: Ihre Wirkung kann gezielt mit Licht an- und ausgeschaltet werden. So können sie an den Östrogenrezeptoren in bestimmtem Körpergeweben andocken und Reaktionen in Gang setzen. Werden sie blauem Licht mit einer Wellenlänge von 400 Nanometern ausgesetzt, schaltet sich ihre biologische Wirkung ein, bei grünem Licht mit einer Wellenlänge von 530 Nanometern wieder aus. Eine der Verbindungen hat in seiner aktivierten Form sogar eine noch stärkere Wirkung als Estradiol, das bereits als wirksamstes Östrogen gilt.
„Aber der eigentliche ‚Star‘ unserer Studie ist ein Molekül, das seine Wirksamkeit sofort verliert, wenn es den Östrogenrezeptor verlässt. Es ist nur biologisch aktiv, wenn es kurz belichtet wird und gleichzeitig am Rezeptor gebunden ist“, betont Herges. Die Wirkung eines Stoffs lässt sich damit auf einen Bereich begrenzen, der deutlich kleiner als eine Zelle ist.
Links: Strukturell ähnlich im aktiven Zustand, Estradiol (hellblau) und ein Diazocin-Molekül (braun). Rechts: Unähnlich im inaktiven Zustand. Credit: Herges/Peifer.Damit entwickelten die Wissenschaftler ein Instrument, um die Funktionsweise eines Wirkstoffs mit bisher unerreichbarer, subzellularer Auflösung zu untersuchen. „Das ist ein bedeutender Schritt für die photopharmakologische Forschung“, so Herges. „Die Grundstruktur der neuen Moleküle eignet sich möglicherweise, um daraus lichtschaltbare Wirkstoffe für die Behandlung von Osteoporose und Brustkrebs zu entwickeln“, sagt Studienautor Prof. Christian Peifer. Bis lichtschaltbare Medikamente in der klinischen Praxis eingesetzt werden, werde es jedoch vermutlich noch einige Jahre dauern.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Die Originalpublikation findet ihr hier.
Bildquelle: Kai Dahms, unsplash.