Denkt man im Apothekenkontext an Pilze, geht es in der Regel um Haut und Nägel. Zuverlässig zum Herbst kommen aber auch Fragen zur essbaren Sorte auf – die ich nicht ohne Weiteres beantworten kann. Ein mykotisches Manko.
Das Thema Pilze geistert schon eine ganze Weile in meinem Kopf herum – damit man mich richtig versteht, es geht mir nicht um Vital- oder Heilpilze oder Fuß- und Nagelpilz, sondern um essbare und giftige Pilze des Waldes und der Wiesen. Die Welt der Pilze ist unglaublich groß und faszinierend und der Einfluss, den dieses versteckte Reich unter dem Waldboden hat, ist gigantisch.
Was mich aber in fachlicher Hinsicht so interessiert, das fing vor etwa 20 Jahren an, als ein enthusiastischer Pilzsammler mit einem vollen Korb brauner, gelber und weißer Pilze in die Apotheke trat. Er hievte seinen Sammlerkorb auf den HV-Tisch und rief: „Einmal alles bestimmen, bitte!“ Ich muss ziemlich kariert geschaut haben. „Wie bitte? Was soll ich tun?“ Der Kunde war völlig verdattert und enttäuscht, dass ich mich mit Pilzen nicht auskenne und auch mein Chef damals so gar keine Erfahrung in der Richtung vorweisen konnte. Auch konnten wir ihm nicht weiterhelfen, an wen er sich nun mit seinen Fragen wenden kann. Er behauptete, dort, wo er herkäme, würden das ALLE Apotheken machen.
Das wage ich zwar – damals wie heute – zu bezweifeln, aber meine Neugier war geweckt. Während meiner Ausbildung haben wir so gut wie nichts über Pilze gelernt, während des Studiums sind sie offenbar auch kein Thema (wenn man von Vergiftungen mal absieht). Hier ist bei mir lediglich noch hängengeblieben, dass der Wirkstoff der Mariendistel – Silibinin – als Antidot gegen Knollenblätterpilzvergiftungen eingesetzt wird. Silibinin verhindert, dass das Gift durch die Membran der Leberzellen eindringt, indem es spezielle Rezeptoren hemmt. Das fand ich damals schon schön, dass die Natur zu (fast) jedem Gift auch ein Gegenmittel parat hält. Das passt auch zu der weltverändernden Entdeckung des Bakteriologen Alexander Fleming, der 1928 zufällig in einer Staphylokokken-Kultur einen Schimmelpilz entdeckte, der Bakterien töten konnte. Pilze sind also auch pharmakologisch hochinteressant, was ihre Heilwirkung angeht.
Zurück zu meinem Pilzkorb von damals: Heutzutage hätte ich dann mal eben schnell im Internet nachgesehen, wo sich die nächste Anlaufstelle der Deutschen Gesellschaft für Mykologie (DGfM) befindet und der nächste Pilzsachverständige sitzt. Das erscheint mir jedenfalls deutlich sicherer, als sich auf Apps zu verlassen, die jegliche Mitverantwortung an resultierenden Vergiftungen ablehnen.
Ja, auch ich habe mir eine solche App auf das Handy geladen, aber nur zu meinem Privatvergnügen, wenn ich mal wieder herausfinden möchte, was da so schön aus dem Rindenmulch in meinem Garten ragt.
Spoiler-Alert: Es war noch nichts wirklich Leckeres dabei – leider.
Niemals würde ich es wagen, mit einer solchen App eine sichere Bestimmung vorzunehmen, schon gar nicht für Kunden. Man muss sich da vor Augen halten, dass ein Knollenblätterpilz so giftig ist, dass bereits 10 g tödlich sind. Ein Pilz im Ragout kann somit alle Esser am Tisch unter die Erde bringen.
Tatsächlich gibt es sie, die Apotheken, in denen alte Tradition hochgehalten wird und wo Experten Pilzwanderungen und -bestimmungen anbieten. Das interessiert mich durchaus auch sehr und irgendwann werde ich das sicher mal angehen. Irgendwann – wenn mein Studium hinter mir liegt und ich mal wieder nach etwas Neuem suche. Man lernt schließlich niemals aus.
Bildquelle: Ashleigh Shea, unsplash.