Die Blockade des Chemokinrezeptors CXCR5 verhindert im Mausmodell die Wanderung von Leukämizellen in die Stromazellnische der B-Zell-Follikel. Und eine Hemmung der Bindung des Lymphotoxins an den Lymphotoxin-beta-Rezeptor auf den FDZ verhindert das Tumorwachstum.
Trotz Chemo- oder Strahlentherapie kommt es bei der chronisch lymphatischen Leukämie (CLL) in der Regel zu erneutem Leukämiewachstum in lymphatischen Geweben, also einem Rückfall. Denn die follikulären dendritischen Zellen (FDZ) überleben eine Chemo- oder Strahlentherapie weitaus besser als die Leukämiezellen. Entwischen einige wenige Leukämiezellen der Therapie (minimal residual disease) – sorgen die FDZ dafür, dass die Leukämiezellen innerhalb der B-Zellfollikel optimale Wachstumsbedingungen haben und sich vermehren. Wie dieser Vorgang im Einzelnen vonstattengeht, konnten Dr. Kristina Heinig, Dr. Uta Höpken und Dr. Armin Rehm in einem von ihnen entwickelten Mausmodell, das der CLL des Menschen ähnelt, jetzt entschlüsseln.
Wie die Forscher in Berlin zeigen konnten, sind das Chemokin CXCL13 und sein Rezeptor CXCR5 auf der Oberfläche der Leukämiezellen absolut entscheidend dafür, dass die Leukämiezellen überhaupt erst in die Milz gelangen. Mit Hilfe dieses „Homing“-Rezeptors werden die Krebszellen direkt über die Marginalzone der Milz in das Innere des Organs gelockt, wo die FDZ den Botenstoff CXCL13 freisetzen. Aber anders als gesunde B-Zellen gelangen die Leukämiezellen ohne einen Umweg einzuschlagen sofort in die stimulierende Stromazellnische der B-Zellfollikel. Blockierten die Forscher den Chemokinrezeptor CXCR5 bei den Mäusen, konnten die Leukämiezellen nicht mehr in die Stromazellnische einwandern und wuchsen deutlich langsamer. In einem zweiten Schritt untersuchten die Forscher, was für Folgen das Zusammentreffen der bösartigen B-Zellen mit den FDZ im B-Zellfollikel hat. Es zeigte sich, dass der enge Kontakt der Leukämiezellen mit dem FDZ-Netzwerk die Krebszellen zur vermehrten Produktion eines weiteren Signalstoffes, dem Lymphotoxin, anregt. Das Lymphotoxin der Leukämiezellen bindet an den Lymphotoxin-beta-Rezeptor auf den FDZ, die daraufhin das Chemokin CXCL13 verstärkt produzieren. Damit entsteht eine Rückkopplungsschleife, weil der Botenstoff CXCL13 zur Rekrutierung von Leukämiezellen in den B-Zellfollikel führt.
FDZ stellen außerdem Wachstumsfaktoren bereit, die die Vermehrung der Leukämiezellen in der Stromazellnische fördern. Hemmten die Forscher die Bindung des Lymphotoxins an den Lymphotoxin-beta-Rezeptor auf den FDZ mit einem immunologischen Wirkstoff, konnten sie dieses Ping-Pong-Spiel zwischen Leukämiezelle und FDZ durchbrechen und das Tumorwachstum dramatisch verringern. Damit konnten die Forscher gleich zwei unterschiedliche Angriffspunkte identifizieren, die die bisherige Chemotherapie der CLL ergänzen könnten. Das ist zum einen die Blockade des Chemokin/„Homing“-Rezeptors CXCR5 auf den Leukämiezellen, die verhindert, dass sich die Krebszellen im B-Zellfollikel ansiedeln. „Denn dieser „Homing“-Rezeptor“, so Rehm, „ist auf den Leukämiezellen von Patienten mit CLL erhöht.“ Zum anderen kann über die Blockade des Lymphotoxin-beta-Rezeptors auf den FDZ die wechselseitige und das Tumorwachstum fördernde Kommunikation zwischen Leukämiezellen und FDZ unterbrochen und damit die Tumorentwicklung ebenfalls deutlich verringert werden.
Aus den Ergebnissen ihrer Studie leiten Rehm und Höpken ab, dass künftig eine kombinierte Anwendung von bereits in der Klinik eingesetzten Chemotherapien mit solchen Immuntherapien, die den Kontakt zwischen Leukämiezellen und FDZ unterbrechen, sinnvoll sein kann. Damit könnte verhindert werden, dass sich restliche Leukämiezellen, die einer Chemo- und Strahlentherapie entkommen sind, in der Stromazellnische erholen und einen Rückfall auslösen. Originalpublikation: Access to Follicular Dendritic Cells Is a Pivotal Step in Murine Chronic Lymphocytic Leukemia B-cell Activation and Proliferation Kristina Heinig et al.; Cancer Discovery, doi: 10.1158/2159-8290.CD-14-0096; 2014