Die Behandlung von diabetischen Hunden und Katzen ist knifflig. Auf welche Besonderheiten man als Tierarzt achten sollte und warum die Tierbesitzer eine wichtige Rolle spielen, lest ihr hier.
Wenn wir bei unseren Samtpfoten und Fellnasen einen Diabetes mellitus behandeln, ist unser Ziel, die Symptome so weit wie möglich zu normalisieren und gleichzeitig Komplikationen wie Ketoazidose und Hypoglykämie zu verhindern.
Bei der Katze wird dieses Ziel durch eine Remission des Diabetes natürlich am besten erreicht. Da eine gute glykämische Kontrolle die Wahrscheinlichkeit hierfür erhöht, sollte mit der Therapie so früh wie möglich begonnen werden und der Blutzucker sollte sich zwischen einem Maximum von 250 mg/dl und einem Nadir von 80 mg/dl befinden. Das gelingt nicht immer – ist aber bei sehr engagierten Besitzern durchaus im Bereich des Möglichen.
Beim Hund ist eine Remission im Allgemeinen nicht möglich. Hier darf der Nadir auch etwas höher liegen, bis ca. 140 mg/dl, geht es doch in erster Linie um die klinische Symptomkontrolle, Lebensqualität ist Trumpf.
Vor Beginn der Insulintherapie werden der Hund oder die Katze gründlich untersucht, um eventuelle Begleiterkrankungen festzustellen. Diese werden, sollten sie gefunden werden, gleichzeitig mit dem Start der Insulintherapie (an-)behandelt.
Intakte Hündinnen sollten kastriert werden; ist der Diabetes im Diöstrus zuerst aufgetreten, dann ist eine Kastration für eine erfolgreiche Behandlung sogar Voraussetzung. Einige wenige von diesen Hündinnen gehen danach tatsächlich in Remission – zu viele Hoffnungen sollte man sich diesbezüglich aber nicht machen.
Meistens müssen Herrchen und Frauchen das Fütterungs- und Bewegungsmanagement anpassen. Mangelnde Bewegung und Übergewicht führen auch bei Hund und Katze zu hochgradiger Insulinresistenz.
Wo es beim Hund in vielen Fällen noch recht einfach sein kann, die Gassirunden zu verlängern, ist Katzenbesitzern oft nicht klar, dass gerade reine Wohnungskatzen auch ausreichend körperlich beschäftigt werden müssen, um gesund zu bleiben. Das gilt für eine Diabetikerkatze umso mehr. Wir haben in der Praxis tatsächlich Tipps für Katzenbeschäftigungen zusammengetragen und als Flyer ausliegen. Die meisten Besitzer sind nach anfänglicher Skepsis äußerst engagiert und werden oft selbst kreativ, wenn sie sehen, wie sehr ihre Tiere dadurch aufleben.
Eine weitere und oft unterschätzte Säule der Behandlung ist die Diät. Tiere mit Diabetes sollten unbedingt regelmäßige Fütterungszeiten einhalten und VOR der Insulingabe gefüttert werden, denn wenn das Insulin erst mal drin ist in Hund oder Katz, dann ist es drin. Wenn man danach erst feststellt, dass das Tier nicht fressen will, hat man ein Problem. Alles (leider) von mir für euch ausprobiert (mit glücklichem Ausgang in dem Fall).
Das Futter sollte glykämische Spitzen möglichst vermeiden. Viel Rohfaser führt bei Hund und Katze zu einer langsameren Aufnahme von Kohlenhydraten aus dem Futter. Dadurch können hohe Blutzuckerwerte im Anschluss an die Futteraufnahme abgemildert und die Blutglukose in einem gleichmäßigeren Bereich gehalten werden.
Kohlenhydratarmes Futter ist gerade für die Behandlung von Katzen mit Diabetes mellitus nachweislich günstig. Diese Diäten enthalten statt Kohlenhydraten mehr Rohprotein (mindestens 40–45 % TM). Katzen sind Fleischfresser und ihr Körper ist darauf ausgerichtet, proteinreiches Futter zu verdauen und zu verwerten. Durch die angepasste Fütterung kann der starke Anstieg von Blutzuckerwerten nach der Futteraufnahme vermieden werden.
Das hilft natürlich alles nichts, wenn die Diät nicht gefressen wird. In dem Fall wird man, gerade bei der Katze, manchmal gezwungen sein, das gewohnte Futter weiter zu füttern. Zu früh würde ich aber trotzdem nicht aufgeben und Besitzer immer wieder ermuntern, diabetikergerechtes Futter einfach wieder und wieder anzubieten. So manches Miezchen lässt sich irgendwann überreden.
Für die Insulintherapie selbst ist für den Hund und die Katze ein mittellangwirksames Lente-Insulin zugelassen. Als Startdosis empfohlen werden:
Für die Katze ist zusätzlich ein Protamin-Zink-Insulin zugelassen. Es wird etwas langsamer freigesetzt; für Katzen kann das vorteilhaft sein, da manche schon vor Ablauf der 12 Stunden unter Lente-Insulin wieder hyperglykämisch werden. Deshalb wird es inzwischen für die Katze auch bevorzugt. Die Anfangsdosierung entspricht der vom Lente-Insulin.
Gerade Katzen lassen sich ab und an schwer auf Insulin einstellen. Insulin glargin kann hier alternativ sehr gut eingesetzt werden. Es wird vom Körper sehr viel langsamer aufgenommen und ist damit gleichmäßiger in der Wirkung. Oft ist es sogar möglich, auf diese Weise den täglichen Blutzuckerspiegel zwischen 150 und 80 mg/dl zu halten – bei 1x täglicher Gabe. Leider ist kein entsprechendes Präparat in Deutschland für Hunde und Katzen zugelassen, es muss also umgewidmet werden.
Am Anfang müssen wir unsere diabetischen Patienten nach 1, 3, 6–8 und 10–12 Wochen zur Untersuchung wiedersehen. Ist der Diabetes erst mal gut eingestellt, reicht beim Hund jedes halbe Jahr, eine Katze würde ich häufiger sehen wollen, sicher alle drei Monate. Viele unserer Katzenbesitzer machen dazu einmal im Monat ein Blutzuckerprofil und schicken es per Mail. Das ist natürlich optimal. Die routinemäßige Kontrolluntersuchung besteht aus einer Besitzerbefragung (Trink- und Fressverhalten, Schwächeepisoden, neue Symptome, evtl. Probleme bei der Insulininjektion), dem Wiegen des Tieres, der Messung des Uringlukose- und des Fructosaminspiegels und der Auswertung des Blutzuckertagesprofils.
Die Konzentration der Fructosamine im Serum spiegelt die durchschnittliche Blutglukose der letzten zwei Wochen wider.
Man sollte die Insulingabe gerade bei der Katze aber möglichst nicht allein aufgrund des Fructosamins anpassen.
Kurzfristige Schwankungen, wie beispielsweise der Somogyi-Effekt, werden hierdurch nicht erfasst. Wir wissen also nicht, ob wirklich eine persistierende Hyperglykämie vorliegt oder der Körper immer wieder auf eine insulininduzierte Hypoglykämie mit einer starken Blutzuckererhöhung reagiert.
Bei der Auswertung des Blutzuckertagesprofils schauen wir, ob sich der Blutglukosespiegel den Tag über in den oben beschriebenen Grenzwerten für Hund und Katze befindet. Die ideale Blutzuckerkurve ist unter Protamin-Zink-Insulin und Lente-Insulin schüsselförmig, mit dem höchsten Wert unmittelbar vor der Insulininjektion und einem Nadir ungefähr 4–6 Stunden danach.
Das Tagesprofil unter Insulin glargin verläuft anders. Es sollte deutlich flacher ausfallen, mit einem Höchstwert von 150 mg/dl und einem Nadir um die 80 mg/dl. Geringfügig niedrigere Werte beim Nadir (so um die 70 mg/dl) können vorkommen, sind aber im Allgemeinen unproblematisch. Muss die Insulindosis angepasst werden, erfolgt dies in der Regel mit einer Anpassung von 10–20 % der täglichen Insulindosis beim Hund und 0,5 bis 1 IE pro Injektion bei der Katze, abhängig vom Blutzuckerwert.
Wichtig ist hier aber: Bevor wir die Insulindosis immer eifrig nach oben anpassen, müssen wir dringend nach Gründen fahnden, die zu einer mangelnden Wirkung führen. Haben die Besitzer wirklich verstanden, wie man das Insulin verabreicht? Das Prozedere gerne noch einmal zeigen lassen und gegebenenfalls korrigieren. Steht vielleicht das Insulin zu warm? Ist die Katze nur unregelmäßig daheim und kann deshalb öfter nicht mit Insulin versorgt werden? Bewegt sich das Tier genug und ist das Übergewicht im Griff?
Bestehen Erkrankungen, die die Insulinresistenz fördern und damit die Einstellung auf Insulin behindern? Hier sind zu prüfen:
Diese müssen wir intensiv suchen und angemessen behandeln. Und danach – ganz wichtig – den Blutzuckerspiegel engmaschig kontrollieren. Meistens brauchen Miez und Bello dann so wenig Insulin, dass sie bei der bisherigen Dosierung ernsthaft unterzuckern!
Eine Überdosierung von Insulin sollte dringend vermieden werden. Hunger, Unruhe, Bewegungsstörungen, Muskelzittern, Stolpern oder Einknicken in der Hinterhand und Orientierungslosigkeit können auftreten. Die Besitzer müssen unbedingt über diese Symptome in Kenntnis sein und sie richtig deuten können. Das Tier braucht dann umgehend Glukose (Traubenzucker, Honig) und/oder Futter und muss bei eingeschränktem Bewusstsein sofort vorgestellt werden.
Die posthypoglykämische Hyperglykämie (Somogyi-Reaktion) ist eine physiologische Reaktion auf Hypoglykämie. Bei schnell beginnender Hypoglykämie wird eine Reaktion ausgelöst, die zu umgehender Glukosefreisetzung führt. So entsteht eine Hyperglykämie. In diesem Fall muss die Insulin-Dosis gesenkt werden. Um einen Somogyi festzustellen, muss man den Blutzucker in vielen Fällen sehr häufig messen (stündlich), sonst verpasst man den sehr kurzen hypoglykämischen Moment ganz schnell.
Das Allerwichtigste bei der Behandlung eines Diabetes bei Hund und Katze kommt aber jetzt erst.
Die Besitzer brauchen im Vergleich zur Behandlung vieler anderer chronischer Erkrankungen eine immense Motivation und eine überdurchschnittlich enge Zusammenarbeit mit der Tierarztpraxis. Wir dürfen sie damit nicht alleine lassen. Wir müssen uns die Zeit nehmen und detailliert über die Erkrankung und das Therapieziel informieren und ihnen alle technischen Angelegenheiten der Insulininjektion zeigen und diese mit ihnen gegebenenfalls üben. Der Besitzer muss in der Lage sein, die Injektionen ordentlich durchzuführen, Änderungen in der Symptomatik und eine Hypoglykämie oder eine Ketoazidose zu erkennen.
Gerade Katzenbesitzer sollten zusätzlich am besten auch in der Lage sein, von ihrem Tier daheim ein Blutzuckertagesprofil anzufertigen. Sie müssen mehr Bewegung für das Tier sicherstellen und dafür sorgen, dass die entsprechende Diät eingehalten wird.
Das ist nicht für alle Besitzer in Reinform umsetzbar. Eine diabetische Hündin gehört nun mal nicht immer einer examinierten Krankenschwester und Katzen haben nicht immer die Anleitung zur Diabetestherapie gelesen und denken deshalb gar nicht erst daran, sich mehrmals täglich ins Ohr piksen zu lassen, nur damit der Mensch seine Kurve aufmalen kann.
Hier ist es unsere Aufgabe, zu schauen, welche Kompromisse wir in der Kontrolle des Diabetes eingehen können. Eine Anfertigung des Blutzuckertagesprofils in der Praxis ist nicht ideal (Stresshyperglykämie), aber manchmal nicht zu ändern und dann besser als nichts.
Die Fructosaminbestimmung – wenn auch nicht ideal – kann, mit oben genannten Einschränkungen, auch sehr viel helfen. Wir müssen die Besitzer immer wieder motivieren und ihnen die Sicherheit geben, mit dem Ganzen nicht alleine zu sein. Es kann hier Fälle geben, in denen die Überforderung der Besitzer so groß ist, dass eine Ausweichlösung (Bspw. Übernahme eines Teils der Aufgaben durch Freunde und Verwandte, in ganz seltenen Fällen auch eine Weitergabe des Tieres) gefunden werden muss.
Im Allgemeinen aber wachsen Besitzer unserer Erfahrung nach in ihre Aufgabe hinein. Auch wenn es für viele von ihnen am Anfang wie eine unüberwindbare Hürde erscheint.
Weiteres zur Klinik und Diagnostik von Diabetes erfahrt ihr hier.Warum diabetische Katzen oft Rätsel aufgeben, lest ihr hier.
Bildquelle: Kat von Wood, unsplash