Fertram Sigurjonsson von der isländischen Firma Kerecis und Dr. Christopher Winters vom American Health Network standen MEDICA.de in einem Interview zu einer neuen Technologie zur Behandlung chronischer Wunden Rede und Antwort.
Die Behandlung von chronischen Wunden ist äußerst problematisch. Sie heilen oft Monate oder sogar Jahre lang. Manchmal heilen sie gar nicht, was zu 100.000 Amputationen jährlich allein in den USA führt. Eine neue Technologie aus Island, die auf Fischhaut basiert und bereits klinisch angewendet wird, ermöglicht eine bessere Heilung von chronischen Wunden und Brandwunden. Dr. Christopher Winters; © privat MEDICA.de sprach mit Fertram Sigurjonsson, Geschäftsführer von Kerecis, über die Entwicklung der Transplantationstechnologie und mit Dr. Christopher Winters, einem Podologen und Wundspezialisten des Amerikanischen Gesundheitsnetzwerks in Indiana (American Health Network), USA, der die Technologie bei der Behandlung seiner Patienten anwendet. MEDICA.de: Herr Dr. Winters, welche Patientenfälle behandeln Sie mit der auf Fischhaut basierenden Technologie von Kerecis? Winters: Die meisten Patienten, die ich bisher mit Kerecis Omega3 behandelt habe, litten an dem sogenannten diabetischen Fuß. Außerdem wandte ich die Technik auch bei venösen Beingeschwüren an sowie bei eher untypischen Wunden wie Vaskulitis der unteren Extremitäten. MEDICA.de: Herr Sigurjonsson, was ist genau die Technologie, die Sie entwickelt haben und wie nutzen Sie dabei Fischhaut zur Wundbehandlung? Sigurjonsson: Seit dem 18. Jahrhundert wurden Wunden zunehmend mit Gaze behandelt. In den 1960er Jahren entwickelte dann George Winter feuchte Wundheilungsprodukte. Die meisten Produkte zur Wundbehandlung auf dem heutigen Markt fallen unter diese Kategorie, die oft als zweite Generation der Wundheilungsprodukte bezeichnet wird. Das auf Fischhaut basierende Produkt beinhaltet konzentrierte Lipide und Proteine, die dem Körper helfen, beschädigtes Gewebe zu regenerieren; © Kerecis Zur Jahrhundertwende begann die dritte Generation der Wundbehandlungsprodukte an Popularität zu gewinnen. Dazu zählen Transplantationsmaterialien aus totem tierischem oder humanem Gewebe, das auf eine spezielle Weise verarbeitet wird. Unser Beitrag zu diesem Entwicklungsprozess ist die Fischhaut, die wir als unser Ausgangsmaterial verwenden. Fischhaut besteht weitgehend aus dem gleichen Material wie die menschliche Haut, mit dem Zusatz von mehrfach ungesättigten Omega-3 Fettsäuren. Die patentierte „Kerecis Omega3 fish skin“ ist eine Gewebe-Matrix, die zugeschnitten und auf die Wunde gelegt wird. In der Wunde aktiviert sie die körpereigenen Zellen und wandelt sich schließlich in ein funktionales, lebendiges Gewebe um. MEDICA.de: Dr. Winters, welche Wirkung der auf der Fischhaut basierenden Wundauflage haben Sie beobachtet? Winters: Das Gewebe der Wundauflage ähnelt sehr der menschlichen Haut. Dementsprechend ist es relativ dick und füllt die Wunde aus. Es ist sehr haltbar und widerstandsfähig, wodurch es sich sehr gut für die Behandlung von Fußgeschwüren eignet. Schon nach einer Woche kann man einen deutlichen Unterschied in der Tiefe und Breite des behandelten Geschwürs sehen. MEDICA.de: Herr Sigurjonsson, wie kam es zu der Idee, Fischhaut zur Wundbehandlung anzuwenden? Sigurjonsson: Ich begann meine Kariere in der Medizintechnikindustrie bei einem Prothesenhersteller. Dort wurden nicht nur Produkte für amputierte Menschen, sondern auch Silikontechnologien zur Behandlung von chronischen Wunden entwickelt. Seitdem interessiere ich mich für die Entwicklung neuer Technologien zur Wundbehandlung, die das Potenzial haben, Amputationen zu vermeiden. Und die wachsende Entwicklung der aus tierischem Gewebe stammenden Materialien in diesem Bereich sowie die Nähe zum Meer hier in Island haben mich auf die Idee gebracht, mit Fischhaut zu arbeiten. Fertram Sigurjonsson; © Kerecis MEDICA.de: Wer wendet Ihre Produkte an? Sigurjonsson: Unsere Technologie wird ausschließlich von Ärzten angewendet. Sie wird am häufigsten eingesetzt, wenn die Wundbehandlung mit den gängigen Produkten der zweiten Generation nicht funktioniert hat, sowie in der stationären Anwendung, zum Beispiel in den Gefäß- und Diabetes-Abteilungen. MEDICA.de: Dr. Winters, welches Potenzial hat diese Technologie in Ihren Augen? Winters: Das Potenzial dieser Technologie ist enorm. Bei der Behandlung des diabetischen Fuß spielt die Dicke der Wundauflage eine entscheidende Rolle – die Unterseite des Fußes ist nämlich starken Scherkräften ausgesetzt. Das Produkt wird wahrscheinlich weiteren Einsatz in tiefen Wunden und Verbrennungswunden finden, wo man freiliegende Knochen und Sehnen behandeln muss. Auch in diesem Bereich konnte ich bereits einige Erfolge in der Behandlung verzeichnen. MEDICA.de: Und welche Erfahrung haben Sie mit Ihrer Technologie bis jetzt gemacht, Herr Sigurjonsson? Sigurjonsson: In etwas mehr als einem Jahr, in dem unser Produkt auf dem Markt ist, wurden damit mehr als 1.000 Menschen erfolgreich behandelt. Wir haben auch eine randomisierte klinische Studie an 140 Wunden durchgeführt, in der unsere Technologie mit einem marktführenden Produkt auf der Basis von Schweinedarm verglichen wurde. Die Studie zeigte einen statistischen Unterschied in den Wundverschlussraten bei Wunden, die mit unserer Technologie behandelt wurden. Wir glauben, dass es an dem zusätzlichen Gehalt von mehrfach ungesättigten Omega-3 Fettsäuren liegt. Das Interview führte und übersetzte aus dem Englischen Michalina Chrzanowska. MEDICA.de