Reis, Erdnüsse und auch das geliebte Nutella®: Immer wieder hört man von Belastungen mit Aflatoxinen. Wie groß ist die Gefahr, die von ihnen ausgeht?
Ich liebe Reis. Egal ob als raffinierter Auflauf, mit einer leckeren Gemüse- oder Bolognesesoße oder im Salat: Reis passt immer und veredelt jedes Gericht. Umso erschrockener war ich bei folgender Meldung, die ich im November 2022 bei Spiegel Online las: „Es drohen Leber- und Nierenschäden: Mehrere Reissorten aus dem Angebot des Discounters Lidl werden jetzt zurückgerufen. In ihnen wurden erhöhte Werte von Aflatoxin festgestellt.“
Was bei mir der Reis ist, ist bei vielen anderen die Nuss-Nougat-Creme. Ein verzücktes Lächeln ziert die Gesichter vieler Menschen, wenn sie voller Genuss den pappig süßen Brotaufstrich verzehren – bei mir kann Reis die gleiche Glückseligkeit hervorrufen. Leider gibt es jedoch nicht nur Parallelen beim Genuss, sondern auch bei den Problemen. Im Jahre 2016 beispielsweise wurden in 16 von 21 getesteten Nuss-Nougat-Cremes die oben erwähnten Aflatoxine nachgewiesen. Und auch Nüsse, Pinienkerne, Kakaobohnen oder bestimmte Öle sind dann und wann von Aflatoxinen betroffen.
Ich weiß, das liest sich zunächst einmal sehr dramatisch. Droht uns allen etwa der kollektive in Spiegel Online angedrohte Leber- und Nierenschaden? Spoiler: So schlimm ist es nicht. Lasst uns einmal von ganz vorne beginnen.
Aflatoxine sind Gifte, die von zwei Schimmelpilzarten der Gattung Aspergillus gebildet werden. Streng genommen gibt es verschiedene Arten von Aflatoxinen, wie beispielsweise das für den Menschen besonders gefährliche Aflatoxin B1. Aflatoxine kommen hauptsächlich in feucht-warmen Klimazonen wie den Tropen oder Subtropen vor. Der Aflatoxin-produzierende Pilz fühlt sich dort einfach am wohlsten. Ein idealer Nährboden für die relevanten Aspergillus-Arten sind Nüsse, Mais, Reis, Feigen, Gewürze, Kakaobohnen und noch viele andere Dinge.
Wichtig ist hierbei zu wissen, dass der Schimmelpilzbefall vor aber auch nach der Ernte auftreten kann. Ob er überhaupt auftritt hängt von den genauen Umgebungsbedingungen ab. Beispielsweise sind Dürre-Perioden begünstigend für einen Aspergillus-Befall. Die geschwächte Pflanze ist dann anfällig für Insektenbefall. Beschädigungen an der Pflanze durch Insekten sorgen für Eintrittspforten, die der Aflatoxin-produzierende Schimmel gerne nutzt. Je nachdem, wie dann noch die klimatischen Bedingungen während der Ernte und auch auf dem Transport nach Europa sind, können sich die Schimmelpilze vermehren und ihr verhängnisvolles Gift produzieren.
Leider sind betroffene Lebensmittel nicht immer leicht zu erkennen. Wir als Verbraucher können den Aspergillus-Befall oder gar die Aflatoxine meist nicht mit bloßem Auge sehen. Weiterhin sind Aflatoxine sehr hitzebeständig. Einfaches Kochen oder Backen inaktiviert die Toxine nicht. Allerdings können durch gute Transport- und Lagerungsbedingungen sowie durch engmaschige Kontrollen die Belastungen weitestgehend reduziert werden. In der EU halten sich die Aflatoxin-Belastungen deshalb einigermaßen in Grenzen. Trotzdem kommt es immer wieder zu erhöhten Belastungen einzelner Lebensmittel-Chargen, wie die diversen Rückrufe immer wieder zeigen.
Aflatoxine sind in der Lage, verschiedene gesundheitsschädigende Wirkungen zu verursachen. Insbesondere das Aflatoxin B1, was ein hohes krebserzeugendes Potential hat, sei hier noch einmal genannt. Der Mechanismus ist so einfach wie verhängnisvoll: Einmal in unserem Körper angekommen, bekommen wir das Aflatoxin B1 nicht so einfach wieder heraus – unser interner Entgiftungsapparat muss erst ein wenig daran herumbasteln. Dies geschieht im Regelfall in der Leber. Im Rahmen dieses Prozesses entsteht aus unserem Aflatoxin ein sogenanntes Epoxid (ein chemischer Dreierring aus Kohlenstoff und Sauerstoff). Dieser Dreierring ist hoch reaktiv und geht (leider) bei Kontakt beispielsweise mit unserer DNA umgehend eine Bindung ein. Dies führt im Nachgang zu Mutationen im Erbgut.
Eine charakteristische Mutation betrifft beispielsweise das sogenannte Tumorsuppressor-Gen TP53 – ich glaube, ihr könnt euch nur zu gut vorstellen, was passieren kann, wenn Aflatoxin in diesem Gen herumpfuscht. Im schlimmsten Fall wird TP53 völlig nutzlos und ein Leberkrebs entwickelt sich. Das bedeutet jetzt trotzdem nicht, dass man automatisch Krebs bekommt, nur weil man einmal Aflatoxine verzehrt hat. Unser Körper hat zum Glück noch weitere Strategien parat, um Tumoren zu verhindern. Zu viel Aflatoxin solltet ihr aber trotzdem nicht auf euer Erdnussbutter-Sandwich schmieren.
Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (European Food Safety Authority; EFSA) schlussfolgert in ihrer Stellungnahme „Risk assessment of aflatoxins in food“ aus dem Jahre 2020, dass der krebserzeugende Mechanismus von Aflatoxin B1 der ausschlaggebende Parameter bei der Risikobeurteilung von Aflatoxinen ist. Trotzdem möchte ich noch kurz auf ein paar anderen Gemeinheiten eingehen, welche die Aflatoxine auf Lager haben.
Eine sehr hohe Dosis an aufgenommenen Aflatoxinen innerhalb kurzer Zeit kann zur sogenannten Aflatoxikose führen. Neben Magen-Darm-Beschwerden, Gelbsucht und Leberversagen ist die finale Folge leider häufig der Tod. In den vergangenen Jahren konnten immer wieder dutzende oder gar hunderte Todesfälle aufgrund Aflatoxikose beispielsweise in Indien oder Kenia beobachtet werden. Allerdings hatten wir es hier jeweils mit enorm hohen Aflatoxin-Verunreinigungen von Lebensmitteln zu tun. Im Vergleich dazu sind die Aflatoxin-Gehalte, die wir in der EU auch bei Produktrückrufen finden, eher gering. Das Auftreten einer Aflatoxikose ist deshalb sehr unwahrscheinlich.
Sehr viel relevanter als die Gefahr einer einmaligen akuten Vergiftung mit einer hohen Dosis ist in der EU eine regelmäßige Aufnahme über Monate und Jahre von kleinen Mengen an Aflatoxinen. So kann es langfristig zu einer Leberzirrhose kommen; die Leber ist immer weniger in der Lage, ihre essenziellen Funktionen zu erfüllen. Weiterhin gibt es Hinweise für eine nachteilhafte Wirkung auf unser Immunsystem und auf induzierte Nierenschäden. Auch für die Fertilität und gar das ungeborene Leben im Mutterleib sind Aflatoxine nicht optimal. Übrigens können sie nach Verzehr auch in die Muttermilch übergehen.
In der Theorie lieg der Verdacht nahe, dass Bio-Lebensmittel aufgrund des geringeren Biozid-Einsatzes im Vergleich zu konventionellen Lebensmitteln höher mit Aflatoxinen belastet sind. Dies kann gemäß einer raschen Literaturrecherche im Rahmen dieses Artikels nicht zwingend ausgesagt werden. In verschiedenen wissenschaftlichen Studien wurden konventionelle und Bio-Lebensmittel aus unterschiedlichen Regionen miteinander verglichen. Manchmal waren die Bio-Lebensmittel höher belastet und manches Mal waren die konventionellen Lebensmittel höher belastet.
Als Fazit können wir festhalten, dass wir uns leider nicht hundertprozentig sicher vor Aflatoxinen schützen können. Die gute Nachricht ist jedoch: Unsere Lebensmittel in Europa sind aufgrund von guten Kontrollen sowie meist gutem Umgang (Lagerungsbedingungen etc.) in der Regel eher gering belastet. Es schadet jedoch nicht, die Produktrückrufe immer im Auge zu behalten.
Angst vor einem akuten Leberschaden durch Aflatoxine muss in der EU meines Erachtens niemand haben. Allerdings ist das Risiko für Leberkrebs für Viel-Verzehrer von beispielsweise Nüssen sicherlich leicht erhöht. Allzu große Sorgen muss sich bei uns in Deutschland aber keiner machen – zumindest bei durchschnittlichem Konsumverhalten. Eine Handvoll Nüsse am Tag ist eher unproblematisch. Und ganz ehrlich: Ich mag zwar keine Nuss-Nougat-Creme, aber meine Erdnussbutter und meinen Reis lasse ich mir nicht madig machen!
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