Eine Depression könnte in Zukunft über den kurzen Weg von der Nase zum Gehirn behandelt werden. Wie das funktionieren soll und ob die Wirkung überzeugt, lest ihr hier.
Die intranasale Verabreichung erfreut sich zunehmender Beliebtheit als nicht-invasiver Ansatz zur direkten Verabreichung von Medikamenten an das Gehirn. Bei diesem Ansatz werden die Atem- oder Geruchsepithelien der Nasenschleimhaut genutzt, über die die Arzneimittel in das zentrale Nervensystem (ZNS) gelangen.
Der Transport vom respiratorischen Epithel über den Nervus trigeminus ist hierbei wesentlich langsamer, als der Transport vom olfaktorischen Epithel über den Riechkolben oder den Liquor cerebrospinalis. Allerdings besteht beim Menschen nur ein kleiner Teil der Nasenschleimhaut aus Riechepithel, so dass sich die Forscher darauf konzentrieren, die Verabreichungszeit von Medikamenten durch das vorherrschende Atmungsepithel zu verbessern. Die Ergebnisse wurden im Journal of Controlled Release veröffentlicht.
Ein Forscherteam rund um Prof. Chikamasa Yamashita von der Tokyo University of Science hat nun ein neuartiges Medikament entwickelt, um dessen Wirksamkeit bei der Aufnahme über das respiratorische Epithel der Nase zu testen.
Prof. Yamashita erklärt: „In einer früheren Studie haben wir funktionelle Sequenzen – nämlich eine Sequenz zur Förderung der Membranpermeabilität [CPP] und eine Sequenz zur Förderung des endosomalen Austritts [PAS] – mit dem gegen behandlungsresistente Depressionen wirksamen Glucagon-ähnlichen Peptid-2 (GLP-2) kombiniert, so dass es effizient von Neuronen aufgenommen werden kann. Auf diese Weise wollten wir ein System von der Nase zum Gehirn konstruieren, das durch den Trigeminusnerv im Atmungsepithel vermittelt wird.“
Bei der Untersuchung der Aufnahme dieses neuartigen PAS-CPP-GLP-2 durch das ZNS stellte das Team fest, dass seine antidepressiven Wirkungen bei intranasaler und intrazerebroventrikulärer Verabreichung bei identischer Dosierung gleich blieben.
Um den Transfermechanismus von der Nase zum Gehirn aufzuklären, verabreichte das Team Mäusen PAS-CPP-GLP-2 Intranasal und intrazerebroventrikulär. Die Menge des Wirkstoffs, die in das gesamte Gehirn übertragen wurde, wurde mit einem enzymatischen Immunoassay (ELISA) quantifiziert. Überraschenderweise zeigte der ELISA, dass eine viel geringere Menge von intranasal verabreichtem PAS-CPP-GLP-2 das Gehirn erreichte als intrazerebroventrikulär verabreichtes PAS-CPP-GLP-2. Allerdings zeigten beide Verabreichungen bei gleicher Dosis Wirksamkeit.
Das wird darauf zurückgeführt, dass bei der i.v.-Verabreichung die Wirkstoffe an den Ursprungsort des Liquors gelangen, wodurch sie in den Liquor diffundieren und sich im Gehirn verteilen. Da sich der Liquor in den Räumen außerhalb der Kapillaren des Gehirns befindet, ging das Team davon aus, dass ein großer Teil des PAS-CPP-GLP-2 hier verbleiben würde, ohne zu seinen Wirkorten transportiert zu werden. Andererseits wurden nasal verabreichte GLP-2-Derivate schnell vom Trigeminusnerv des Atmungsepithels aufgenommen und erreichten auf dem Weg durch die Neuronen effizient den Wirkort.
Die intranasale Verabreichung von PAS-CPP-GLP-2 führt dazu, dass es über die Axone des Trigeminusnervs in das Gehirn gelangt. Daher geht man davon aus, dass es sich um einen nervenassoziierten transzellulären Weg für die Arzneimittelverabreichung handelt. Credit: Prof. Chikamasa Yamashita from Tokyo University of Science.
Diese Ergebnisse veranlassten das Team, den zentralen Übertragungsweg für die Verabreichung des Medikaments nach der Injektion zu ermitteln. Dieser Weg führte über den wichtigsten sensorischen Trigeminus-Kern, gefolgt vom Trigeminus-Lemniscus des Trigeminus-Nervs, zu den Wirkorten des Medikaments. Schließlich wurde festgestellt, dass die Migration von PAS-CPP-GLP-2 über den Nerventransit der Grund für seine pharmakologische Aktivität ist, obwohl seine Konzentration im Gehirn nach der Verabreichung gering ist.
„Das ist das weltweit erste System zur Verabreichung von Arzneimitteln, das es ermöglicht, intranasal verabreichte Peptide über die Nervenzellen in das zentrale Nervensystem zu transportieren, wodurch die Peptide mit der gleichen Effizienz wie bei einer intravenösen Verabreichung an den Wirkort gelangen. Die aktuellen Daten deuten darauf hin, dass dieses System nicht nur für die Behandlung von Depressionen, sondern auch für die Verabreichung von Medikamenten an Alzheimer-Patienten eingesetzt werden kann. Es ist daher zu erwarten, dass es bei neurodegenerativen Krankheiten mit hohem, ungedecktem medizinischem Bedarf eingesetzt werden kann“, konkludiert Yamashita mit Blick auf die künftigen Anwendungen der Ergebnisse des Teams.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung der Tokyo University of Science. Die Originalpublikation haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Eli DeFaria, unsplash