Die mRNA-Technologie kann mehr: Wie wär’s mit einer „Impfung“ gegen hohe LDL-Cholesterinspiegel? Erfahrt hier, wie’s geht.
Das Unternehmen Verve Therapeutics hat eine experimentelle Gentherapie entwickelt, die sich zur Cholesterinsenkung bei familiärer Hypercholesterinämie eignen könnte. Davon sollen Patienten profitieren, die genetisch bedingt zu viel LDL-Cholesterin im Blut aufweisen und damit ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben. Grund für die Erkrankung kann unter anderem eine Mutation im PCSK9-Gen sein. PCSK9 ist eine Serinprotease, die eine wichtige Rolle im Fettstoffwechsel spielt. Wenn sich das Gen bei Betroffenen ausschalten ließe, würde sich auch der Cholesterin-Spiegel normalisieren. In Versuchen mit Makaken hat das sogar schon geklappt!
Bei der experimentellen Therapie namens VERVE-101 wird das sogenannte Base-Editing angewendet – ein Genwerkzeug, das ähnlich wie die CRISPR/Cas-Genschere arbeitet, aber einen kleineren Eingriff im Gen vornimmt. Das Problem an CRISPR/Cas ist, dass die Schere beide DNA-Stränge durchtrennt. Wenn der Reparaturmechanismus nicht funktioniert, können schwere DNA-Schäden entstehen. Beim Base-Editing wird hingegen nur eine DNA-Base gezielt ausgetauscht. Damit verliert das Gen seine Funktion.
Um den Base-Editing-Komplex in den Körper der Primaten zu befördern, haben sich die Forscher die Technologie der mRNA-Impfung zunutze gemacht. In der Injektion befinden sich Lipid-Nanopartikel mit darin enthaltender mRNA. Diese codiert aber nicht für das Spike-Protein, wie bei der Corona-Impfung, sondern für die Komponenten des Genwerkzeugs. Das sind zum einen das Protein dCas9 (deaktiviertes Cas9), das man schon aus der Genschere CRISPR-Cas kennt. In diesem Fall ist sie allerdings deaktiviert, weswegen sie ihre Fähigkeit verloren hat, DNA zu schneiden. Sie kann aber immer noch an die DNA binden.
Außerdem codiert die mRNA für das Enzym Adenosin-Desaminase, die mit dCas9 verbunden ist. Das Enzym ist letztlich für den Basenaustausch von Adenin zu Inosin verantwortlich. Inosin wird von Polymerasen wie Guanin behandelt. Ebenfalls in der Impfung enthalten ist die sogenannte sgRNA (single guide RNA), die als Leitsequenz dient und dem Komplex das Andocken an der korrekten Stelle ermöglicht. Nach der Injektion der mRNA-Lösung werden die Lipid-Nanopartikel in der Leber aufgenommen und verarbeitet. Genau dort soll das Genwerkzeug auch seine Wirkung entfalten.
Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Die Behandlung mit der experimentellen Therapie namens VERVE-101 führte in der Makaken-Studie zu einer Reduzierung des PCSK9-Proteins im Blut der Primaten um 83 %. Die LDL-Werte sanken um bis zu 69 %. Zu befürchteten Off-Target-Mutationen kam es offenbar nicht. Die Genmutation wurde auch nicht an die Nachfolgegeneration weitergegeben.
VERVE-101 wird sogar schon am Menschen getestet. In Neuseeland läuft seit Juli die Rekrutierung für eine Phase-Ib-Studie. Mindestens ein Patient hat die Therapie bereits erhalten, 40 Teilnehmer sollen es insgesamt werden. Auch in den USA soll eine klinische Studie anlaufen, allerdings stellt sich die FDA noch quer: Verve Therapeutics teilte vor wenigen Tagen mit, dass die FDA einen Zulassungsantrag für eine klinische Studie erstmal auf Eis gelegt hat. Die Gründe dafür sind nicht bekannt. Die Studie in Neuseeland ist davon aber nicht betroffen.
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Bildquelle: David Clode, unsplash