Trotz einiger Rückschläge bleiben Antikörper ein Hoffnungsträger in der Alzheimer-Therapie. Hat sich das mit den Studienergebnissen zu Gantenerumab endgültig erledigt?
Unter Demenzforschern ist allgemein akzeptiert, dass Amyloidplaques zur Entwicklung einer Alzheimer-Demenz führen oder zumindest einen Hauptfaktor ihrer Pathogenese darstellen. Umso enttäuschender sind die Ergebnisse der Amyloidantikörperstudien namenhafter Pharmariesen wie Eisai und Biogen. Nachdem deren Amyloid-Antikörper Aducanumab und Lecanemab bereits weit hinter den Erwartungen zurückblieben, scheint den Antikörper Gantenerumab der Firma Roche nun ein ähnliches Schicksal ereilt zu haben.
Bereits 2014 begann Roche die erste Phase-III-Studie mit Gantenerumab und stampfte diese nach kurzer Zeit wieder ein, da keine signifikanten Ergebnisse erzielt werden konnten. Für viele daher überraschend, dass sich der Konzern 2017 dazu entschied, erneut eine Phase-III-Studie mit einer höheren Antikörperdosis zu planen und durchzuführen. Unter dem Namen GRADUATE I und II rekrutierten die Forscher knapp 2.000 Patienten aus über 30 Ländern.
Die Probanden sollten zwischen 50 und 90 Jahre alt sein und nur milde Demenzsymptome zeigen (MMST > 22). Eine Alzheimer-Pathologie musste mittels PET-Scan oder Liquordiagnostik zuvor bestätigt worden sein. Die Probanden erhielten über 2 Jahre lang eine subkutane Injektion mit Gantenerumab oder einem Placebo – jeweils in zweiwöchentlichen Abständen. Als primärer Endpunkt wurde eine Veränderung auf der Demenzskala Clinical Dementia Rating Sum of Boxes (CDR-SB) gewählt. Diese wurde vor Beginn der Therapie sowie nach 116 Wochen erhoben.
Die mit Gantenerumab behandelten Studienteilnehmer zeigten eine Verlangsamung der kognitiven Verschlechterung um -0,31 (p=0,0954; GRADUATE I) bzw. -0,19 (p=0,2998; GRADUATE II) gemessen anhand des CDR-SB, was etwa 8 % bzw. 6 % entspricht und somit statistisch nicht signifikant war. Vergleichsweise konnte das Konkurrenzprodukt Aducanumab eine Verlangsamung der kognitiven Verschlechterung um 22 % nach 78 Wochen erreichen. Der Antikörper Lecanemab konnte ganze 27 % Verlangsamung kognitiven Abbaus nach 72 Wochen für sich verbuchen.
Zudem wiesen etwa 25 % der Patienten Amyloid-assoziierte MRT-Veränderungen wie Hirnschwellungen oder Marklagerveränderungen auf (ARIA-E), wobei die Forscher angeben, dass der größte Teil der Probanden diesbezüglich klinisch asymptomatisch war und es nur in wenigen Fällen aufgrund der Veränderungen zum Abbruch der Studie kam. Zum Vergleich: in der Phase-III-Studie von Aducanumab kam es zu etwa 40 % Amyloid-assoziierten MRT-Veränderungen, wovon etwa ein Viertel symptomatisch verliefen.
Insgesamt konnte bislang keiner der Amyloid-Antikörper die an ihn gestellten Erwartungen erfüllen und eine demenzielle Entwicklung merklich abbremsen oder gar vollständig aufhalten. Wobei Gantenerumab im Vergleich mit seinen Konkurrenten sicherlich die schlechteste Performance einfuhr. Doch bedeutet dies nun das Ende der Amyloidtheorie der Alzheimer-Demenz? Oder gar ein Ende der Antikörpertherapie bei Alzheimer?
Führende Demenzforscher haben unterschiedliche Ansichten zu den Gründen für das Scheitern der Amyloidantikörper. Einerseits könnte selbst das Stadium der leichten kognitiven Einschränkung (MCI) bereits zu spät für den Beginn einer Alzheimertherapie sein. Möglicherweise müssen wir also viel früher Screenings betreiben, was jedoch ethische Fragen aufwirft, solange keine kausale Therapie der Erkrankung existiert. Andere wiederum schlagen eine Alzheimer-Impfung vor, damit der Körper selbst Antikörper gegen die Amyloidplaques bilden kann.
Vielleicht bekämpfen wir am Ende auch den falschen Feind? Dem Tau-Protein bzw. seinen Aggregaten wird ebenfalls eine hohe Bedeutung in der Alzheimer-Pathophysiologie zugesprochen, jedoch konnten entsprechende Tau-Antikörper in klinischen Studien keine Verlangsamung der demenziellen Entwicklung zeigen, was die Amyloidtheorie unterstützt.
Vermutlich wird es in Zukunft eine Vielzahl an medikamentösen Therapien der Alzheimer-Erkrankung geben. Es gilt herauszufinden, wie diese Therapien zu kombinieren sind, um bestmögliche Erfolge bei den Patienten zu erzielen. Erst, wenn eine suffiziente Therapie der Alzheimer-Demenz verfügbar ist, können wir auf Früherkennungsmethoden wie etwa den Amyloid-Bluttest zurückgreifen, um die Erkrankung zu stoppen, bevor sie überhaupt entsteht.
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