Kopfhörer auf, Musik laut: Viele Jugendliche sind mit Dauerbeschallung unterwegs. Doch nicht immer sind die Ursachen für Hörverlust so eindeutig. Welche es noch gibt, lest ihr hier.
Laute Musik ist nicht ohne Risiko. Kritisch sei, wenn Kopfhörer sehr lange, sehr laut oder sehr oft genutzt würden, sagt HNO-Arzt Dr. Bernhard Junge-Hülsing. „Drei Stunden am Stück zum Beispiel sind nicht gut, die Ohren brauchen regelmäßige Lärmpausen.“ So weit – so bekannt. Nur halten sich nicht alle Teenager an solche Empfehlungen. Ihnen droht Hörverlust, aber wie oft?
Zahlen gab es bislang kaum. Das war Grund genug für Forscher, mit einer Meta-Analyse für mehr Klarheit zu sorgen. Sie suchten nach Studien mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen zwischen 12 und 34 Jahren. Insgesamt flossen 33 Veröffentlichungen mit 19.046 Personen in ihre Analyse ein.
Die Prävalenz riskanter akustischer Verhaltensweisen lag bei 23,81 % für laute Musik aus Kopfhörern beziehungsweise 48,20 % für Lärmemissionen bei Veranstaltungen. „Schätzungsweise bis zu 1,35 Milliarden junge Menschen weltweit sind dem Risiko eines Hörverlusts ausgesetzt“, schreiben die Autoren.
Was lässt sich dagegen tun? Das hängt von der Situation selbst ab. Kurze, sehr laute Geräusche beispielsweise können zu einem Knalltrauma, eventuell sogar zu einer Ruptur des Trommelfells führen, die HNO-Ärzte abdecken. Ansonsten verschwinden die Beschwerden oft von selbst. Die chronische Exposition schädigt Haarzellen in der Cochlea. „Was da kaputt geht, bleibt kaputt, die Härchen wachsen nicht nach“, kommentiert Junge-Hülsing. Hier verschafft ein Hörgerät Abhilfe. Neben Lärm gibt es aber noch viele weitere Ursachen für einen Hörverlust.
Oft sind die Ursachen banal. Beispielsweise kann ein Zeruminalpfropf, also ein Pfropf mit Ohrenschmalz, den Gehörgang verschließen, meist einseitig. Oft reichen Spülungen in der HNO-Praxis aus, um das Übel zu beseitigen. Auch mechanische Entfernungen sind möglich.
Deutlich schmerzhafter ist eine akute Otitis media als Ursache von Hörverlust. Meist erkranken Kleinkinder, aber auch Jugendliche und Erwachsene kann es erwischen. Die Mittelohrentzündung ist viralen oder bakteriellen Ursprungs; sie tritt oft in Zusammenhang mit Infektionen der oberen Atemwege auf. Patienten leiden zu Beginn an Ohrenschmerzen und Schwerhörigkeit, später auch an Schwindel und Kopfschmerzen.
Paracetamol oder Ibuprofen lindern die Beschwerden. Antibiotika können in bestimmten Fällen, etwa bei sehr kleinen oder sehr schwer erkrankten Kindern, sinnvoll sein. Auch bei rezidivierender akuter Otitis media ist dies eine Möglichkeit. Gerade bei Kindern entwickelt sich aus einer akuten teilweise eine akute seröse Otitis media mit gestautem Sekret. Heilen die Beschwerden nicht von selbst aus, bleibt HNO-Ärzten nur eine Inzision in das Trommelfell mit Einlage eines Paukenröhrchens.
Auch eine Ruptur des Trommelfells zählt zu den möglichen Ursachen für einen Hörverlust – sie kann sich nach Unfällen oder nach amateurhaften Reinigungsversuchen des Gehörgangs bemerkbar machen. Sind knöcherne Strukturen intakt, reicht es meist aus, die Perforation abzudecken.
Gerade bei älteren Menschen sollten HNO-Ärzte an Knochenveränderungen denken. Die Otosklerose geht mit knöchernen Umbauvorgängen einher; es kann zu Umbauvorgängen mit Fixation des Steigbügels kommen. Mikrochirurgische Eingriffe beheben solche Probleme in vielen Fällen erfolgreich.
In späten Jahren entwickeln einige Menschen eine Altersschwerhörigkeit – meist auf beiden Ohren. Die Gründe sind multifaktoriell; Forscher haben Veränderungen an vielen Strukturen des Hörorgans beobachtet. Tinnitus kann den Hörverlust begleiten. HNO-Ärzte versorgen Patienten mit Hörgeräten, eventuell mit Cochlea-Implantaten.
Plötzlicher, oft einseitiger Hörverlust wiederum kann für einen Hörsturz sprechen. Auch an Ohrgeräuschen/Tinnitus oder an Schwindel leiden Betroffene. Die Ursachen sind bis heute weitgehend unklar; zahlreiche Differenzialdiagnosen kommen infrage. Jedenfalls handelt es sich um keinen Notfall; bei jedem zweiten Patienten verschwinden die Symptome von selbst. Glukokortikoide können – allerdings bei schlechter Datenlage – die Beschwerden lindern.
Hörverlust mit Schwindel und mit Ohrgeräuschen deutet auf Morbus Menière, eine Erkrankung des Innenohres, hin. Dabei kommt es zu einer pathologischen Zunahme von Endolymphe im Innenohr. Da die Ursachen weitgehend unbekannt sind, lässt sich Morbus Menière nicht kausal behandeln. In Studien wurden zahlreiche Pharmakotherapien untersucht, mit mehr oder minder großem Erfolg. Symptomatisch eignen sich Antiemetika, während Betahistin eine Möglichkeit der medikamentösen Prophylaxe bietet.
Aber auch so manches Arzneimittel ist schuldig im Sinne der Anklage. Zahlreiche Präparate können – müssen aber nicht – zu Hörverlust führen, etwa Chemotherapeutika (Cisplatin), Antibiotika (Aminoglykoside), Diuretika (Furosemid) und viele mehr. Oft verschwinden die Symptome nach Ende der Behandlung von selbst.
Darüber hinaus können etliche Grunderkrankungen einen Hörverlust erklären: Autoimmunerkrankungen, Fisteln, Typ-1- oder Typ-2-Diabetes, Tumoren, Multiple Sklerose, diverse Infektionen, eine Hypothyreose, ein ausgeprägter Vitamin-B12-Mangel und viele mehr.
Die kurze Zusammenstellung zeigt: Hörverlust kann viele Ursachen haben. Ärzte sollten im Zweifelsfall neben der körperlichen Untersuchung, speziell der Untersuchung des Ohrs und des Gehörs, auch an Stoffwechselerkrankungen, an neurologische Leiden, an Infektionen oder an Arzneimittel-Nebenwirkungen denken.
Quellen
Bildquelle: Rachel Loughman, unsplash