Die Corona-Lockdowns wirkten sich positiv auf die Qualität der Atemluft in der EU aus. Das Erschreckende: Selbst diese Zahlen liegen noch weit über den WHO-Grenzwerten.
Eine gute Nachricht zuerst: Die Belastung der Luft mit gesundheitsschädlichen Stoffen wie Stickstoffdioxid (NO2) hat während der COVID-19-Pandemie weltweit abgenommen. Das berichtet die European Environment Agency (EEA) in ihrem aktuellen Report zur Luftqualität. In großen Städten Frankreichs, Italiens und Spaniens wurden Reduzierungen des mittleren Jahreswerts an NO2 um bis zu 25 % beobachtet. Während des ersten Lockdowns im April 2020 fiel die an Verkehrsstationen gemessene NO2-Konzentration sogar um ganze 70 %.
Die Autoren weisen aber darauf hin – und das ist das doch hauptsächlich negative Takeaway des Berichts –, dass die Luftverschmutzung in Europa trotz dieser vorübergehenden Verbesserungen ein dringliches Problem bleibt. Die Belastung der Atemluft vor allem in Städten sei somit eine ernstzunehmende Gesundheitsgefährdung für alle Europäer. Besonders belastet seien mittel- sowie osteuropäische Länder und Italien. Hier werden die höchsten Konzentrationen an Feinstaub und dem Karzinogen Benzo[a]pyren gemessen. Das liege vor allem daran, dass hier vermehrt Festbrennstoffe in Haushalten und der Industrie genutzt werden.
Auch die Ozonwerte seien insgesamt zwar gesunken, blieben aber vor allem in Mitteleuropa und einigen mediterranen Ländern hoch. Sie überschreiten übrigens – genau wie Stickstoffdioxid und Feinstaub – nach wie vor die von der EU festgelegten Standards und liegen weit über den WHO-Empfehlungen. Laut der aktuellen Analyse sind 99 % der städtischen Bevölkerung in Europa deutlich höherer Feinstaubbelastung ausgesetzt als die WHO anhand gesundheitlicher Guidelines empfiehlt.
Prozentualer Anteil an Personen in der EU, die 2020 einer Konzentration der wichtigsten Luftschadstoffe ausgesetzt war, die über den EU-Normen und den WHO-Leitlinien liegt. Credit: EEA.
Welche Risiken sich daraus ergeben, untersucht auch eine aktuelle Studie, die in Nature erschienen ist. Die Autoren halten fest, dass über Jahrzehnte eingeatmete Schadstoffe sich im Lymphsystem der Lunge ansammeln und so die Funktion der dortigen Immunzellen einschränken. Das führe zu einer Schwächung des Immunsystems; Atemwegserkrankungen würden schlechter abgewehrt. Die Forscher vermuten, dass sich damit erklären lasse, warum Menschen im Alter anfälliger für diese Infektionen werden. „Als wir uns die Lymphknoten der Menschen ansahen, waren wir erstaunt, wie viele der Knoten in der Lunge schwarz gefärbt waren, während die Knoten im Magen-Darm-Trakt und in anderen Körperregionen die typische beige Farbe hatten“, so Studienleiterin Prof. Donna Farber. Auch Alzheimer und Schlaganfälle sind möglicherweise mit verunreinigter Atemluft assoziiert – selbst Parkinson wurde als eine Folge der belasteten Luft diskutiert, wenn auch bisher auf wenig belastbarer Basis.
Luftverschmutzung ist und bleibt das größte umweltbedingte Gesundheitsrisiko in Europa und führte den Autoren zufolge allein 2020 zu fast 240.000 vorzeitigen Todesfällen. Angesichts dieser Zahlen und bekannter Auswirkungen auf gesundheitlichen Risiken wie kardiovaskuläre und Atemwegserkrankungen betont die EEA, wie wichtig es ist, den Zero Pollution Action Plan der EU einzuhalten – jetzt mehr denn je.
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