Weltweit sterben jährlich rund 500.000 Personen durch multiresistente Erreger – Tendenz steigend. Als Gegenmaßnahme fordert Dr. Klaus Reinhardt, neue Wege in der Entwicklung von Antibiotika zu gehen.
Seit 2015 gibt es für den Kampf gegen Antibiotika-Resistenzen ein bundeseinheitliches Strategiepapier. Der vom Bundesministerium für Gesundheit aufgesetzte Maßnahmenkatalog trägt den klangvollen Namen DART 2020 und fasst Vorgaben und Ziele für die Human- und Veterinärmedizin zusammen. Die als wirkungsvoll und erfolgversprechend eingestuften Instrumente wurden nach Auslaufen des Papiers verlängert und gelten auch heute als Richtlinie zur Eindämmung der Resistenzen – für Forschung und Ärzte.
Einer der Punkte konzentriert sich auf die Erforschung und Entwicklung neuer Wirkstoffe. Im Rahmen der Globalen Partnerschaft für Forschung und Entwicklung neuer Antibiotika (GARDP) wurde festgehalten, dass bis 2023 „durch Umsetzung von vier Arbeitsprogrammen insgesamt vier neue Antibiotika auf den Markt kommen“.
Dass insbesondere in der Forschungsarbeit auch heute noch Nachholbedarf besteht, zeigt nicht nur ein WHO-Bericht von 2017, sondern ist auch aktueller Kritikpunkt von Ärztepräsident Dr. Klaus Reinhardt. Er äußert sich in einer Pressemitteilung zum Thema: „Wir brauchen einen New Deal für die Entwicklung neuartiger Antibiotika. In den vergangenen Jahren haben sich mehrere große Pharmaunternehmen aus der Entwicklung zurückgezogen. Dieser Trend muss dringend gestoppt werden, denn er stellt eine Gefahr für die Patientenversorgung dar.“
Der Ärztechef spielt dabei nicht nur auf die Entwicklung der vergangenen Jahre, sondern ganz konkret auf die Menge an Neuzulassungen sowie den Forschungsstandort Deutschland an. So kommen von den rund 50 kleinen und mittleren Unternehmen, die antibakteriell wirksame Medikamente auf den Markt brachten, lediglich eine Handvoll aus Deutschland.
Dass die Geschwindigkeit der Bakterien, sich anzupassen die Forschungsgeschwindigkeit zu überholen droht, zeigt die Menge an (multi-)resistenten Keimen. Laut WHO weisen bereits 9 Bakterienfamilien gefährliche Widerstandsfähigkeit gegen Medikamente auf. Gleichzeitig wurden seit 2020 lediglich 2 Antibiotika mit gänzlich neuen Wirkmechanismen auf den Markt gebracht.
Wie man insbesondere in Deutschland den Wettlauf gegen die Resistenzen gewinnen kann, erläutert Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek: „Ein New Deal für die Antibiotika-Entwicklung bedeutet auch, dass wir die Rahmenbedingungen für Forschung und Produktion verbessern müssen. Dazu ist vorausschauende Strukturpolitik auf allen Ebenen gefordert – in Bayern, in Deutschland und auf EU-Ebene. Unser Ziel muss sein, die Produktion noch stärker an den Standort EU zu binden und damit auch Abhängigkeiten von Drittstaaten wie China oder Indien zu reduzieren. Neben der Strukturpolitik auf allen Ebenen ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit unverzichtbar.“
Doch es ist nicht nur die Forschung gefragt. Auch Ärzte müssen weltweit mithelfen, bei der Eindämmung der Resistenzen. Wie? Durch den „rationalen und verantwortungsbewussten Einsatz von Antibiotika, um Selektionsprozesse und die Entwicklung von Resistenzen“ aufzuhalten. „Insbesondere muss der Verbrauch von CIA-HP in der Tiermedizin strenger reguliert und auf ein Minimum gerechtfertigter Fälle reduziert werden“, so Reinhardt weiter.
Auch wenn insbesondere auf internationaler Ebene noch Aufklärungsbedarf besteht – so ist die Zahl der Todesfälle aufgrund antibiotikaresistenter Bakterien in Italien und Griechenland, auf die Einwohnerzahl bezogen, etwa fünf- bis sechsfach höher als in Deutschland –, müsste auch hierzulande der One-Health-Ansatz stärker Beachtung finden. Das Bewusstsein für verantwortungsvollen Einsatz von Antibiotika muss bei ärztlichem Personal, aber auch Tierhaltern und Patienten selbst geschärft werden.
„Im Sinne von One Health darf auch nicht vergessen werden: Schwindende Lebensräume für Wildtiere, verursacht durch den Klimawandel, eine wachsende Bevölkerung, zunehmende Mobilität und industrielle Landwirtschaft, bedeuten generell eine stärkere Verbreitung von Zoonose-Erregern. Damit geht fast automatisch ein steigender Einsatz von Antiinfektiva einher. Eine global denkende, auf die Zukunft ausgerichtete Gesundheitspolitik muss deshalb der Bekämpfung des Klimawandels, der Erhaltung der natürlichen Habitate der Tierwelt sowie der Biodiversität höchste Priorität einräumen und eine Verbesserung der Haltungsbedingungen von Nutztieren anstreben“, erklärt Dr. Gerald Quitterer, Präsident der Bayerischen Landesärztekammer.
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